Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VIII. Spätere Epochen.
fahren umgeben. Wer sind die, welche es angreifen? Es
sind allein die Katholisch-gläubigen selbst. Durch je-
nen Verfall der restaurirten Kirche, der sich in der zwei-
ten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts erkennen ließ, ist
im Schooße derselben eine Entzweiung hervorgerufen wor-
den, die seitdem in immer wiederholten Ausbrüchen den
Oberhirten beschäftigt und bedrängt. Wer hat dagegen
das Papstthum von jeher gestützt, ihm seinen Rückhalt
gegeben, es zuletzt aus offenbarer Knechtschaft befreit? Es
ist immer eine Vereinigung aller Bekenntnisse gewesen, her-
vorgegangen aus politischen Gesichtspunkten, aus Wider-
willen gegen eine die allgemeine Freiheit gefährdende Ueber-
macht. Wir sahen, an welche Staaten sich Innocenz XI.
in seinen Streitigkeiten mit Ludwig XIV. anschloß. Als
die Jesuiten von den bourbonischen Höfen dem Untergange
geweiht waren, fanden sie im Norden, in Rußland und
Preußen Gnade und Schutz; daß sich die Höfe im Jahre
1758 Avignons und Benevents bemächtigten, brachte eine
politische Aufregung in England hervor. Niemals aber ist
dieß Verhältniß großartiger hervorgetreten als in den letz-
ten Ereignissen. Es war der Bund der vier großen Mächte,
des katholischen Oestreich mit den germanischen Protestan-
ten deutscher und anglicanischer Confession und den grie-
chisch-gläubigen Slaven, durch welchen der Papst in sei-
ner größten Bedrängniß errettet, und in seine geistliche
wie seine weltliche Autorität wiederhergestellt worden ist;
auf der Ordnung der Dinge, die in den Zeiten ihres Sie-
ges sich gleichsam von selbst einführte, und die seitdem er-
halten worden ist, beruht seine heutige Bedeutung.


Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
fahren umgeben. Wer ſind die, welche es angreifen? Es
ſind allein die Katholiſch-glaͤubigen ſelbſt. Durch je-
nen Verfall der reſtaurirten Kirche, der ſich in der zwei-
ten Haͤlfte des ſiebzehnten Jahrhunderts erkennen ließ, iſt
im Schooße derſelben eine Entzweiung hervorgerufen wor-
den, die ſeitdem in immer wiederholten Ausbruͤchen den
Oberhirten beſchaͤftigt und bedraͤngt. Wer hat dagegen
das Papſtthum von jeher geſtuͤtzt, ihm ſeinen Ruͤckhalt
gegeben, es zuletzt aus offenbarer Knechtſchaft befreit? Es
iſt immer eine Vereinigung aller Bekenntniſſe geweſen, her-
vorgegangen aus politiſchen Geſichtspunkten, aus Wider-
willen gegen eine die allgemeine Freiheit gefaͤhrdende Ueber-
macht. Wir ſahen, an welche Staaten ſich Innocenz XI.
in ſeinen Streitigkeiten mit Ludwig XIV. anſchloß. Als
die Jeſuiten von den bourboniſchen Hoͤfen dem Untergange
geweiht waren, fanden ſie im Norden, in Rußland und
Preußen Gnade und Schutz; daß ſich die Hoͤfe im Jahre
1758 Avignons und Benevents bemaͤchtigten, brachte eine
politiſche Aufregung in England hervor. Niemals aber iſt
dieß Verhaͤltniß großartiger hervorgetreten als in den letz-
ten Ereigniſſen. Es war der Bund der vier großen Maͤchte,
des katholiſchen Oeſtreich mit den germaniſchen Proteſtan-
ten deutſcher und anglicaniſcher Confeſſion und den grie-
chiſch-glaͤubigen Slaven, durch welchen der Papſt in ſei-
ner groͤßten Bedraͤngniß errettet, und in ſeine geiſtliche
wie ſeine weltliche Autoritaͤt wiederhergeſtellt worden iſt;
auf der Ordnung der Dinge, die in den Zeiten ihres Sie-
ges ſich gleichſam von ſelbſt einfuͤhrte, und die ſeitdem er-
halten worden iſt, beruht ſeine heutige Bedeutung.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0232" n="220"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Spa&#x0364;tere Epochen</hi>.</fw><lb/>
fahren umgeben. Wer &#x017F;ind die, welche es angreifen? Es<lb/>
&#x017F;ind allein die Katholi&#x017F;ch-gla&#x0364;ubigen &#x017F;elb&#x017F;t. Durch je-<lb/>
nen Verfall der re&#x017F;taurirten Kirche, der &#x017F;ich in der zwei-<lb/>
ten Ha&#x0364;lfte des &#x017F;iebzehnten Jahrhunderts erkennen ließ, i&#x017F;t<lb/>
im Schooße der&#x017F;elben eine Entzweiung hervorgerufen wor-<lb/>
den, die &#x017F;eitdem in immer wiederholten Ausbru&#x0364;chen den<lb/>
Oberhirten be&#x017F;cha&#x0364;ftigt und bedra&#x0364;ngt. Wer hat dagegen<lb/>
das Pap&#x017F;tthum von jeher ge&#x017F;tu&#x0364;tzt, ihm &#x017F;einen Ru&#x0364;ckhalt<lb/>
gegeben, es zuletzt aus offenbarer Knecht&#x017F;chaft befreit? Es<lb/>
i&#x017F;t immer eine Vereinigung aller Bekenntni&#x017F;&#x017F;e gewe&#x017F;en, her-<lb/>
vorgegangen aus politi&#x017F;chen Ge&#x017F;ichtspunkten, aus Wider-<lb/>
willen gegen eine die allgemeine Freiheit gefa&#x0364;hrdende Ueber-<lb/>
macht. Wir &#x017F;ahen, an welche Staaten &#x017F;ich Innocenz <hi rendition="#aq">XI.</hi><lb/>
in &#x017F;einen Streitigkeiten mit Ludwig <hi rendition="#aq">XIV.</hi> an&#x017F;chloß. Als<lb/>
die Je&#x017F;uiten von den bourboni&#x017F;chen Ho&#x0364;fen dem Untergange<lb/>
geweiht waren, fanden &#x017F;ie im Norden, in Rußland und<lb/>
Preußen Gnade und Schutz; daß &#x017F;ich die Ho&#x0364;fe im Jahre<lb/>
1758 Avignons und Benevents bema&#x0364;chtigten, brachte eine<lb/>
politi&#x017F;che Aufregung in England hervor. Niemals aber i&#x017F;t<lb/>
dieß Verha&#x0364;ltniß großartiger hervorgetreten als in den letz-<lb/>
ten Ereigni&#x017F;&#x017F;en. Es war der Bund der vier großen Ma&#x0364;chte,<lb/>
des katholi&#x017F;chen Oe&#x017F;treich mit den germani&#x017F;chen Prote&#x017F;tan-<lb/>
ten deut&#x017F;cher und anglicani&#x017F;cher Confe&#x017F;&#x017F;ion und den grie-<lb/>
chi&#x017F;ch-gla&#x0364;ubigen Slaven, durch welchen der Pap&#x017F;t in &#x017F;ei-<lb/>
ner gro&#x0364;ßten Bedra&#x0364;ngniß errettet, und in &#x017F;eine gei&#x017F;tliche<lb/>
wie &#x017F;eine weltliche Autorita&#x0364;t wiederherge&#x017F;tellt worden i&#x017F;t;<lb/>
auf der Ordnung der Dinge, die in den Zeiten ihres Sie-<lb/>
ges &#x017F;ich gleich&#x017F;am von &#x017F;elb&#x017F;t einfu&#x0364;hrte, und die &#x017F;eitdem er-<lb/>
halten worden i&#x017F;t, beruht &#x017F;eine heutige Bedeutung.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0232] Buch VIII. Spaͤtere Epochen. fahren umgeben. Wer ſind die, welche es angreifen? Es ſind allein die Katholiſch-glaͤubigen ſelbſt. Durch je- nen Verfall der reſtaurirten Kirche, der ſich in der zwei- ten Haͤlfte des ſiebzehnten Jahrhunderts erkennen ließ, iſt im Schooße derſelben eine Entzweiung hervorgerufen wor- den, die ſeitdem in immer wiederholten Ausbruͤchen den Oberhirten beſchaͤftigt und bedraͤngt. Wer hat dagegen das Papſtthum von jeher geſtuͤtzt, ihm ſeinen Ruͤckhalt gegeben, es zuletzt aus offenbarer Knechtſchaft befreit? Es iſt immer eine Vereinigung aller Bekenntniſſe geweſen, her- vorgegangen aus politiſchen Geſichtspunkten, aus Wider- willen gegen eine die allgemeine Freiheit gefaͤhrdende Ueber- macht. Wir ſahen, an welche Staaten ſich Innocenz XI. in ſeinen Streitigkeiten mit Ludwig XIV. anſchloß. Als die Jeſuiten von den bourboniſchen Hoͤfen dem Untergange geweiht waren, fanden ſie im Norden, in Rußland und Preußen Gnade und Schutz; daß ſich die Hoͤfe im Jahre 1758 Avignons und Benevents bemaͤchtigten, brachte eine politiſche Aufregung in England hervor. Niemals aber iſt dieß Verhaͤltniß großartiger hervorgetreten als in den letz- ten Ereigniſſen. Es war der Bund der vier großen Maͤchte, des katholiſchen Oeſtreich mit den germaniſchen Proteſtan- ten deutſcher und anglicaniſcher Confeſſion und den grie- chiſch-glaͤubigen Slaven, durch welchen der Papſt in ſei- ner groͤßten Bedraͤngniß errettet, und in ſeine geiſtliche wie ſeine weltliche Autoritaͤt wiederhergeſtellt worden iſt; auf der Ordnung der Dinge, die in den Zeiten ihres Sie- ges ſich gleichſam von ſelbſt einfuͤhrte, und die ſeitdem er- halten worden iſt, beruht ſeine heutige Bedeutung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/232
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/232>, abgerufen am 21.11.2024.