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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Sarpi und Pallavicini.
nicht schriftlich verfaßt worden war, was denn freilich die Gegen-
sätze vereinigt.

Die Instruction Contarinis verunstalten sie beide; ihr Wider-
spruch ist niemals auszugleichen; nur indem man das Original vor
sich nimmt, tritt die Wahrheit an den Tag.

Sie sind Geister von ganz entgegengesetzter Natur. Sarpi ist
scharf, penetrirend, boshaft; seine Anordnung ist überaus geschickt,
sein Styl ist rein und ungesucht, und obwohl ihn die Crusca nicht
in den Catalog der Classiker aufnehmen wollen, wahrscheinlich wegen
einiger Provincialismen die er hat, so ist er doch nach so vielem Wort-
gepränge, durch das man sich anderwärts durchwinden muß, ein wahres
Labsal: sein Styl fällt mit den Sachen selbst zusammen: in Hinsicht
der Darstellung ist er unter den modernen Geschichtschreibern von Ita-
lien gewiß der zweite: -- ich setze ihn unmittelbar nach Machiavelli.

Auch Pallavicini ist nicht ohne Geist: -- er macht manchmal sinn-
reiche Vergleichungen: -- er vertheidigt oft nicht ohne Gewandtheit.
Aber sein Geist hat etwas Schwerfälliges, Drückendes; es ist haupt-
sächlich ein Talent das Phrasen macht und auf Ausflüchte denkt:
sein Styl ist überfüllt mit Worten. Sarpi ist hell und durchsichtig
bis auf den Grund; Pallavicini nicht ohne Fall und Fluß, aber trübe,
breit und im Grunde seicht.

Beide sind von ganzem Herzen parteiisch; -- der wahre Sinn
des Historikers, den Gegenstand, das Object in voller Wahrheit zu
ergreifen und an das Licht zu schaffen, geht in der That Beiden ab;
Sarpi hätte gewiß das Talent, aber er will nun einmal anklagen;
Pallavicini hat das Talent in unendlich geringerm Grade, aber um
jeden Preis will er vertheidigen.

Auch kann man selbst in Beiden zusammen den Stoff noch nicht
vollständig übersehen. Es bleibt immer merkwürdig, daß Sarpi vie-
les hatte was Pallavicini mit alle der großartigen Unterstützung die er
fand nicht aufzutreiben gewußt hat. Ich will nur ein Memoire des
Nuntius Chieregato über die Berathschlagungen am Hofe Hadrians
VI. anführen, welches sehr wichtig ist, und gegen das Pallavicini
Exceptionen macht, die gar nichts bedeuten. Auch übergeht Pallavi-
cini manches aus einer Art von Unfähigkeit. Er sieht nicht ein, daß
viel darauf ankommt, und so läßt er es weg. Dagegen mangelten
aber dem Sarpi wieder unzählige Informationen, welche Pallavicini
hatte: von der Correspondenz des römischen Hofes mit den Legaten
sah er nur einen kleinen Theil. Seine Fehler kommen meistens von
dem Mangel an urkundlichen Berichten her.

Oft haben sie aber auch Beide wichtige Denkmale nicht gehabt.
Für die Geschichte des ganzen letzten Theils des Conciliums ist eine
kleine Relation des Cardinal Morone, der die entscheidende Gesandt-
schaft an Ferdinand I. verwaltete, höchst wichtig. Sie blieb von Bei-
den unbenutzt.

Auch muß man nicht glauben, daß Rainaldus oder Le Plat die-
sen Mangel völlig ersetze. Rainaldus excerpirt oft nur den Pallavi-
cini. Le Plat folgt ihm oder Sarpi oft wörtlich, und nimmt aus
den lateinischen Uebersetzungen ihrer Werke dasjenige als Denkmal auf
was er sonst nicht authentischer fand. Er hat weniger Ungedrucktes

als

Sarpi und Pallavicini.
nicht ſchriftlich verfaßt worden war, was denn freilich die Gegen-
ſaͤtze vereinigt.

Die Inſtruction Contarinis verunſtalten ſie beide; ihr Wider-
ſpruch iſt niemals auszugleichen; nur indem man das Original vor
ſich nimmt, tritt die Wahrheit an den Tag.

Sie ſind Geiſter von ganz entgegengeſetzter Natur. Sarpi iſt
ſcharf, penetrirend, boshaft; ſeine Anordnung iſt uͤberaus geſchickt,
ſein Styl iſt rein und ungeſucht, und obwohl ihn die Crusca nicht
in den Catalog der Claſſiker aufnehmen wollen, wahrſcheinlich wegen
einiger Provincialismen die er hat, ſo iſt er doch nach ſo vielem Wort-
gepraͤnge, durch das man ſich anderwaͤrts durchwinden muß, ein wahres
Labſal: ſein Styl faͤllt mit den Sachen ſelbſt zuſammen: in Hinſicht
der Darſtellung iſt er unter den modernen Geſchichtſchreibern von Ita-
lien gewiß der zweite: — ich ſetze ihn unmittelbar nach Machiavelli.

Auch Pallavicini iſt nicht ohne Geiſt: — er macht manchmal ſinn-
reiche Vergleichungen: — er vertheidigt oft nicht ohne Gewandtheit.
Aber ſein Geiſt hat etwas Schwerfaͤlliges, Druͤckendes; es iſt haupt-
ſaͤchlich ein Talent das Phraſen macht und auf Ausfluͤchte denkt:
ſein Styl iſt uͤberfuͤllt mit Worten. Sarpi iſt hell und durchſichtig
bis auf den Grund; Pallavicini nicht ohne Fall und Fluß, aber truͤbe,
breit und im Grunde ſeicht.

Beide ſind von ganzem Herzen parteiiſch; — der wahre Sinn
des Hiſtorikers, den Gegenſtand, das Object in voller Wahrheit zu
ergreifen und an das Licht zu ſchaffen, geht in der That Beiden ab;
Sarpi haͤtte gewiß das Talent, aber er will nun einmal anklagen;
Pallavicini hat das Talent in unendlich geringerm Grade, aber um
jeden Preis will er vertheidigen.

Auch kann man ſelbſt in Beiden zuſammen den Stoff noch nicht
vollſtaͤndig uͤberſehen. Es bleibt immer merkwuͤrdig, daß Sarpi vie-
les hatte was Pallavicini mit alle der großartigen Unterſtuͤtzung die er
fand nicht aufzutreiben gewußt hat. Ich will nur ein Memoire des
Nuntius Chieregato uͤber die Berathſchlagungen am Hofe Hadrians
VI. anfuͤhren, welches ſehr wichtig iſt, und gegen das Pallavicini
Exceptionen macht, die gar nichts bedeuten. Auch uͤbergeht Pallavi-
cini manches aus einer Art von Unfaͤhigkeit. Er ſieht nicht ein, daß
viel darauf ankommt, und ſo laͤßt er es weg. Dagegen mangelten
aber dem Sarpi wieder unzaͤhlige Informationen, welche Pallavicini
hatte: von der Correſpondenz des roͤmiſchen Hofes mit den Legaten
ſah er nur einen kleinen Theil. Seine Fehler kommen meiſtens von
dem Mangel an urkundlichen Berichten her.

Oft haben ſie aber auch Beide wichtige Denkmale nicht gehabt.
Fuͤr die Geſchichte des ganzen letzten Theils des Conciliums iſt eine
kleine Relation des Cardinal Morone, der die entſcheidende Geſandt-
ſchaft an Ferdinand I. verwaltete, hoͤchſt wichtig. Sie blieb von Bei-
den unbenutzt.

Auch muß man nicht glauben, daß Rainaldus oder Le Plat die-
ſen Mangel voͤllig erſetze. Rainaldus excerpirt oft nur den Pallavi-
cini. Le Plat folgt ihm oder Sarpi oft woͤrtlich, und nimmt aus
den lateiniſchen Ueberſetzungen ihrer Werke dasjenige als Denkmal auf
was er ſonſt nicht authentiſcher fand. Er hat weniger Ungedrucktes

als
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[288/0300] Sarpi und Pallavicini. nicht ſchriftlich verfaßt worden war, was denn freilich die Gegen- ſaͤtze vereinigt. Die Inſtruction Contarinis verunſtalten ſie beide; ihr Wider- ſpruch iſt niemals auszugleichen; nur indem man das Original vor ſich nimmt, tritt die Wahrheit an den Tag. Sie ſind Geiſter von ganz entgegengeſetzter Natur. Sarpi iſt ſcharf, penetrirend, boshaft; ſeine Anordnung iſt uͤberaus geſchickt, ſein Styl iſt rein und ungeſucht, und obwohl ihn die Crusca nicht in den Catalog der Claſſiker aufnehmen wollen, wahrſcheinlich wegen einiger Provincialismen die er hat, ſo iſt er doch nach ſo vielem Wort- gepraͤnge, durch das man ſich anderwaͤrts durchwinden muß, ein wahres Labſal: ſein Styl faͤllt mit den Sachen ſelbſt zuſammen: in Hinſicht der Darſtellung iſt er unter den modernen Geſchichtſchreibern von Ita- lien gewiß der zweite: — ich ſetze ihn unmittelbar nach Machiavelli. Auch Pallavicini iſt nicht ohne Geiſt: — er macht manchmal ſinn- reiche Vergleichungen: — er vertheidigt oft nicht ohne Gewandtheit. Aber ſein Geiſt hat etwas Schwerfaͤlliges, Druͤckendes; es iſt haupt- ſaͤchlich ein Talent das Phraſen macht und auf Ausfluͤchte denkt: ſein Styl iſt uͤberfuͤllt mit Worten. Sarpi iſt hell und durchſichtig bis auf den Grund; Pallavicini nicht ohne Fall und Fluß, aber truͤbe, breit und im Grunde ſeicht. Beide ſind von ganzem Herzen parteiiſch; — der wahre Sinn des Hiſtorikers, den Gegenſtand, das Object in voller Wahrheit zu ergreifen und an das Licht zu ſchaffen, geht in der That Beiden ab; Sarpi haͤtte gewiß das Talent, aber er will nun einmal anklagen; Pallavicini hat das Talent in unendlich geringerm Grade, aber um jeden Preis will er vertheidigen. Auch kann man ſelbſt in Beiden zuſammen den Stoff noch nicht vollſtaͤndig uͤberſehen. Es bleibt immer merkwuͤrdig, daß Sarpi vie- les hatte was Pallavicini mit alle der großartigen Unterſtuͤtzung die er fand nicht aufzutreiben gewußt hat. Ich will nur ein Memoire des Nuntius Chieregato uͤber die Berathſchlagungen am Hofe Hadrians VI. anfuͤhren, welches ſehr wichtig iſt, und gegen das Pallavicini Exceptionen macht, die gar nichts bedeuten. Auch uͤbergeht Pallavi- cini manches aus einer Art von Unfaͤhigkeit. Er ſieht nicht ein, daß viel darauf ankommt, und ſo laͤßt er es weg. Dagegen mangelten aber dem Sarpi wieder unzaͤhlige Informationen, welche Pallavicini hatte: von der Correſpondenz des roͤmiſchen Hofes mit den Legaten ſah er nur einen kleinen Theil. Seine Fehler kommen meiſtens von dem Mangel an urkundlichen Berichten her. Oft haben ſie aber auch Beide wichtige Denkmale nicht gehabt. Fuͤr die Geſchichte des ganzen letzten Theils des Conciliums iſt eine kleine Relation des Cardinal Morone, der die entſcheidende Geſandt- ſchaft an Ferdinand I. verwaltete, hoͤchſt wichtig. Sie blieb von Bei- den unbenutzt. Auch muß man nicht glauben, daß Rainaldus oder Le Plat die- ſen Mangel voͤllig erſetze. Rainaldus excerpirt oft nur den Pallavi- cini. Le Plat folgt ihm oder Sarpi oft woͤrtlich, und nimmt aus den lateiniſchen Ueberſetzungen ihrer Werke dasjenige als Denkmal auf was er ſonſt nicht authentiſcher fand. Er hat weniger Ungedrucktes als

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/300>, abgerufen am 21.11.2024.