Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.Pallavicini. gung, nur eine mündliche, nicht eine schriftliche. Aber Pallavicinisucht nur seinen Gegner zu widerlegen, ohne ein Interesse zu ha- ben die Wahrheit selbst an den Tag zu bringen. 7. Nirgends fällt dieß mehr in die Augen als bei jenem Re- Es würde unmöglich seyn, ihn in alle den weitläuftigen Dis- Freilich ergibt sich daraus für die Geschichte des Conciliums Man hat wohl gesagt, aus diesen beiden Werken zusammen Sie weichen beide von der Wahrheit ab: es ist gewiß, diese liegt Wie wir gesehen haben -- Sarpi sagt: es sey ein Bund zu Bolo- Pallavicini. gung, nur eine muͤndliche, nicht eine ſchriftliche. Aber Pallaviciniſucht nur ſeinen Gegner zu widerlegen, ohne ein Intereſſe zu ha- ben die Wahrheit ſelbſt an den Tag zu bringen. 7. Nirgends faͤllt dieß mehr in die Augen als bei jenem Re- Es wuͤrde unmoͤglich ſeyn, ihn in alle den weitlaͤuftigen Dis- Freilich ergibt ſich daraus fuͤr die Geſchichte des Conciliums Man hat wohl geſagt, aus dieſen beiden Werken zuſammen Sie weichen beide von der Wahrheit ab: es iſt gewiß, dieſe liegt Wie wir geſehen haben — Sarpi ſagt: es ſey ein Bund zu Bolo- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0299" n="287"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Pallavicini</hi>.</fw><lb/> gung, nur eine muͤndliche, nicht eine ſchriftliche. Aber Pallavicini<lb/> ſucht nur ſeinen Gegner zu widerlegen, ohne ein Intereſſe zu ha-<lb/> ben die Wahrheit ſelbſt an den Tag zu bringen.</p><lb/> <p>7. Nirgends faͤllt dieß mehr in die Augen als bei jenem Re-<lb/> gensburger Colloquium, von dem wir oben ſo ausfuͤhrlich gehandelt ha-<lb/> ben. Auch Pallavicini kannte dieſe Inſtruction, wie man leicht er-<lb/> achtet; er hielt ſie fuͤr geheimer als ſie wirklich iſt. In der Art aber<lb/> wie er ſie behandelt lernen wir ihn vollſtaͤndig kennen. Heftig faͤhrt<lb/> er auf Sarpi los: er ſchilt ihn, daß er den Papſt erklaͤren laſſe,<lb/> er wolle den Proteſtanten Genugthuung gewaͤhren, wofern ſie nur<lb/> in den bereits feſtgeſetzten Punkten des katholiſchen Glaubens mit<lb/> ihm uͤbereinſtimmen wuͤrden: <hi rendition="#aq">che ove i Luterani convenissero ne’<lb/> punti già stabiliti della chiesa romana, si offeriva nel resto di<lb/> porger ogni sodisfattione alla Germania.</hi> Er findet, daß das der<lb/> Wahrheit geradezu entgegen ſey. <hi rendition="#aq">Questo è dirimpetto contrario<lb/> al primo capo dell’ instruttione.</hi> Wie? das Gegentheil davon waͤre<lb/> wahr? In der Inſtruction des Papſtes heißt es: <hi rendition="#aq">Videndum est<lb/> an in principiis nobiscum conveniant, — — quibus admissis<lb/> omnis super aliis controversiis concordia t</hi>e<hi rendition="#aq">ntaretur,</hi> und die uͤbri-<lb/> gen Worte, die oben angefuͤhrt worden ſind. Es iſt wahr: Sarpi be-<lb/> geht hiebei einen Fehler: er reſtringirt den Legaten mehr, als er es<lb/> war; er ſagt zu wenig von der Nachgiebigkeit des Papſtes; ſtatt dieß<lb/> zu entdecken, wie es denn am Tage liegt, gibt Pallavicini vor, er ſage<lb/> zu viel: er wirft ſich da in eine Diſtinction von Glaubensartikeln und<lb/> andern, welche in der Bulle nicht gemacht worden; er bringt eine<lb/> Menge Dinge herbei, die auch wahr ſind, aber nicht allein wahr,<lb/> welche jene Worte, die nun einmal in der Inſtruction ſtehn, nicht<lb/> wegfallen machen. In dem Unweſentlichen iſt er genau: das We-<lb/> ſentliche verunſtaltet er ganz und gar. Genug Pallavicini betraͤgt<lb/> ſich wie ein Advocat, der ſeinen hart angeklagten Clienten in allen<lb/> Stuͤcken und durchaus zu vertheidigen unternommen hat. Er ſucht<lb/> ihn in das beſte Licht zu ſetzen, er bringt herbei was ihm foͤrderlich<lb/> iſt; was ihm nach ſeiner Einbildung ſchaͤdlich ſeyn koͤnnte, laͤßt er<lb/> nicht allein weg, ſondern leugnet es geradezu.</p><lb/> <p>Es wuͤrde unmoͤglich ſeyn, ihn in alle den weitlaͤuftigen Dis-<lb/> cuſſionen zu begleiten, welche er unternimmt; es iſt ſchon genug wenn<lb/> wir einigermaßen ſeine Manier erkannt haben.</p><lb/> <p>Freilich ergibt ſich daraus fuͤr die Geſchichte des Conciliums<lb/> nicht das erfreulichſte Reſultat.</p><lb/> <p>Man hat wohl geſagt, aus dieſen beiden Werken zuſammen<lb/> ergebe ſich die Wahrheit. Vielleicht ſehr im Ganzen und Allgemei-<lb/> nen laͤßt ſich dieß behaupten. Im Einzelnen iſt es nicht der Fall.</p><lb/> <p>Sie weichen beide von der Wahrheit ab: es iſt gewiß, dieſe liegt<lb/> in der Mitte: aber durch Conjectur koͤnnte ſie nicht ergriffen werden,<lb/> ſie iſt wieder etwas Poſitives, Neues; durch keine Vermittelung der<lb/> Parteien, ſondern nur durch Anſchauung des Factums laͤßt ſie ſich<lb/> faſſen.</p><lb/> <p>Wie wir geſehen haben — Sarpi ſagt: es ſey ein Bund zu Bolo-<lb/> gna geſchloſſen worden: Pallavicini leugnet es; keine Conjectur in<lb/> der Welt kann herausbringen, daß der Bund muͤndlich abgeredet,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [287/0299]
Pallavicini.
gung, nur eine muͤndliche, nicht eine ſchriftliche. Aber Pallavicini
ſucht nur ſeinen Gegner zu widerlegen, ohne ein Intereſſe zu ha-
ben die Wahrheit ſelbſt an den Tag zu bringen.
7. Nirgends faͤllt dieß mehr in die Augen als bei jenem Re-
gensburger Colloquium, von dem wir oben ſo ausfuͤhrlich gehandelt ha-
ben. Auch Pallavicini kannte dieſe Inſtruction, wie man leicht er-
achtet; er hielt ſie fuͤr geheimer als ſie wirklich iſt. In der Art aber
wie er ſie behandelt lernen wir ihn vollſtaͤndig kennen. Heftig faͤhrt
er auf Sarpi los: er ſchilt ihn, daß er den Papſt erklaͤren laſſe,
er wolle den Proteſtanten Genugthuung gewaͤhren, wofern ſie nur
in den bereits feſtgeſetzten Punkten des katholiſchen Glaubens mit
ihm uͤbereinſtimmen wuͤrden: che ove i Luterani convenissero ne’
punti già stabiliti della chiesa romana, si offeriva nel resto di
porger ogni sodisfattione alla Germania. Er findet, daß das der
Wahrheit geradezu entgegen ſey. Questo è dirimpetto contrario
al primo capo dell’ instruttione. Wie? das Gegentheil davon waͤre
wahr? In der Inſtruction des Papſtes heißt es: Videndum est
an in principiis nobiscum conveniant, — — quibus admissis
omnis super aliis controversiis concordia tentaretur, und die uͤbri-
gen Worte, die oben angefuͤhrt worden ſind. Es iſt wahr: Sarpi be-
geht hiebei einen Fehler: er reſtringirt den Legaten mehr, als er es
war; er ſagt zu wenig von der Nachgiebigkeit des Papſtes; ſtatt dieß
zu entdecken, wie es denn am Tage liegt, gibt Pallavicini vor, er ſage
zu viel: er wirft ſich da in eine Diſtinction von Glaubensartikeln und
andern, welche in der Bulle nicht gemacht worden; er bringt eine
Menge Dinge herbei, die auch wahr ſind, aber nicht allein wahr,
welche jene Worte, die nun einmal in der Inſtruction ſtehn, nicht
wegfallen machen. In dem Unweſentlichen iſt er genau: das We-
ſentliche verunſtaltet er ganz und gar. Genug Pallavicini betraͤgt
ſich wie ein Advocat, der ſeinen hart angeklagten Clienten in allen
Stuͤcken und durchaus zu vertheidigen unternommen hat. Er ſucht
ihn in das beſte Licht zu ſetzen, er bringt herbei was ihm foͤrderlich
iſt; was ihm nach ſeiner Einbildung ſchaͤdlich ſeyn koͤnnte, laͤßt er
nicht allein weg, ſondern leugnet es geradezu.
Es wuͤrde unmoͤglich ſeyn, ihn in alle den weitlaͤuftigen Dis-
cuſſionen zu begleiten, welche er unternimmt; es iſt ſchon genug wenn
wir einigermaßen ſeine Manier erkannt haben.
Freilich ergibt ſich daraus fuͤr die Geſchichte des Conciliums
nicht das erfreulichſte Reſultat.
Man hat wohl geſagt, aus dieſen beiden Werken zuſammen
ergebe ſich die Wahrheit. Vielleicht ſehr im Ganzen und Allgemei-
nen laͤßt ſich dieß behaupten. Im Einzelnen iſt es nicht der Fall.
Sie weichen beide von der Wahrheit ab: es iſt gewiß, dieſe liegt
in der Mitte: aber durch Conjectur koͤnnte ſie nicht ergriffen werden,
ſie iſt wieder etwas Poſitives, Neues; durch keine Vermittelung der
Parteien, ſondern nur durch Anſchauung des Factums laͤßt ſie ſich
faſſen.
Wie wir geſehen haben — Sarpi ſagt: es ſey ein Bund zu Bolo-
gna geſchloſſen worden: Pallavicini leugnet es; keine Conjectur in
der Welt kann herausbringen, daß der Bund muͤndlich abgeredet,
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