uns recht die Sonderbarkeit des Zustandes in welchem man sich befand.
Ohne Geschütz noch Fußvolk, nur mit 3000 Reitern brach Odoardo in den Kirchenstaat ein. Das Fort Urbano, das mit so vielen Kosten errichtet worden, die versammelte Miliz, die sich nie auf einen bewaffneten Feind gefaßt ge- macht, hielten ihn nicht auf. Die Bolognesen schlossen sich in ihre Mauern ein: ohne die päpstlichen Truppen auch nur zu Gesichte zu bekommen, zog der Herzog vorüber. Imola eröffnete ihm die Thore: er machte dem päpstlichen Befehlshaber einen Besuch: er ermahnte die Stadt dem römischen Stuhle getreu zu seyn. Denn nicht gegen Rom, nicht einmal gegen Urban VIII, nur gegen die Nepoten desselben behauptete er die Waffen ergriffen zu haben; er zog unter der Fahne des Gonfaloniere der Kirche einher, auf welcher man St. Peter und St. Paul erblickte; im Namen der Kirche forderte er den Durchzug. In Faenza hatte man die Thore verschanzt: als aber der Governatore den Feind ansichtig wurde, ließ er sich an einem Seile die Mauer herunter um persönlich mit dem Herzoge zu unter- handeln: das Ende der Unterhandlung war, daß die Thore geöffnet wurden. So ging es auch in Forli. Ruhig sa- hen sich die Einwohner aller dieser Städte von den Fen- stern auf den Straßen den Durchzug ihres Feindes an. Der Herzog begab sich über das Gebirge nach Toscana: von Arezzo her drang er dann aufs neue in den Kirchen- staat ein. Castiglione da Lago, Citta del Pieve öffneten ihm ihre Thore: unaufhaltsam eilte er vorwärts: mit dem
Schrecken
BuchVIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
uns recht die Sonderbarkeit des Zuſtandes in welchem man ſich befand.
Ohne Geſchuͤtz noch Fußvolk, nur mit 3000 Reitern brach Odoardo in den Kirchenſtaat ein. Das Fort Urbano, das mit ſo vielen Koſten errichtet worden, die verſammelte Miliz, die ſich nie auf einen bewaffneten Feind gefaßt ge- macht, hielten ihn nicht auf. Die Bologneſen ſchloſſen ſich in ihre Mauern ein: ohne die paͤpſtlichen Truppen auch nur zu Geſichte zu bekommen, zog der Herzog voruͤber. Imola eroͤffnete ihm die Thore: er machte dem paͤpſtlichen Befehlshaber einen Beſuch: er ermahnte die Stadt dem roͤmiſchen Stuhle getreu zu ſeyn. Denn nicht gegen Rom, nicht einmal gegen Urban VIII, nur gegen die Nepoten deſſelben behauptete er die Waffen ergriffen zu haben; er zog unter der Fahne des Gonfaloniere der Kirche einher, auf welcher man St. Peter und St. Paul erblickte; im Namen der Kirche forderte er den Durchzug. In Faenza hatte man die Thore verſchanzt: als aber der Governatore den Feind anſichtig wurde, ließ er ſich an einem Seile die Mauer herunter um perſoͤnlich mit dem Herzoge zu unter- handeln: das Ende der Unterhandlung war, daß die Thore geoͤffnet wurden. So ging es auch in Forli. Ruhig ſa- hen ſich die Einwohner aller dieſer Staͤdte von den Fen- ſtern auf den Straßen den Durchzug ihres Feindes an. Der Herzog begab ſich uͤber das Gebirge nach Toscana: von Arezzo her drang er dann aufs neue in den Kirchen- ſtaat ein. Caſtiglione da Lago, Citta del Pieve oͤffneten ihm ihre Thore: unaufhaltſam eilte er vorwaͤrts: mit dem
Schrecken
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0044"n="32"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">VIII.</hi><hirendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
uns recht die Sonderbarkeit des Zuſtandes in welchem man<lb/>ſich befand.</p><lb/><p>Ohne Geſchuͤtz noch Fußvolk, nur mit 3000 Reitern<lb/>
brach Odoardo in den Kirchenſtaat ein. Das Fort Urbano,<lb/>
das mit ſo vielen Koſten errichtet worden, die verſammelte<lb/>
Miliz, die ſich nie auf einen bewaffneten Feind gefaßt ge-<lb/>
macht, hielten ihn nicht auf. Die Bologneſen ſchloſſen ſich<lb/>
in ihre Mauern ein: ohne die paͤpſtlichen Truppen auch<lb/>
nur zu Geſichte zu bekommen, zog der Herzog voruͤber.<lb/>
Imola eroͤffnete ihm die Thore: er machte dem paͤpſtlichen<lb/>
Befehlshaber einen Beſuch: er ermahnte die Stadt dem<lb/>
roͤmiſchen Stuhle getreu zu ſeyn. Denn nicht gegen Rom,<lb/>
nicht einmal gegen Urban <hirendition="#aq">VIII</hi>, nur gegen die Nepoten<lb/>
deſſelben behauptete er die Waffen ergriffen zu haben; er<lb/>
zog unter der Fahne des Gonfaloniere der Kirche einher,<lb/>
auf welcher man St. Peter und St. Paul erblickte; im<lb/>
Namen der Kirche forderte er den Durchzug. In Faenza<lb/>
hatte man die Thore verſchanzt: als aber der Governatore<lb/>
den Feind anſichtig wurde, ließ er ſich an einem Seile die<lb/>
Mauer herunter um perſoͤnlich mit dem Herzoge zu unter-<lb/>
handeln: das Ende der Unterhandlung war, daß die Thore<lb/>
geoͤffnet wurden. So ging es auch in Forli. Ruhig ſa-<lb/>
hen ſich die Einwohner aller dieſer Staͤdte von den Fen-<lb/>ſtern auf den Straßen den Durchzug ihres Feindes an.<lb/>
Der Herzog begab ſich uͤber das Gebirge nach Toscana:<lb/>
von Arezzo her drang er dann aufs neue in den Kirchen-<lb/>ſtaat ein. Caſtiglione da Lago, Citta del Pieve oͤffneten<lb/>
ihm ihre Thore: unaufhaltſam eilte er vorwaͤrts: mit dem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Schrecken</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[32/0044]
Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
uns recht die Sonderbarkeit des Zuſtandes in welchem man
ſich befand.
Ohne Geſchuͤtz noch Fußvolk, nur mit 3000 Reitern
brach Odoardo in den Kirchenſtaat ein. Das Fort Urbano,
das mit ſo vielen Koſten errichtet worden, die verſammelte
Miliz, die ſich nie auf einen bewaffneten Feind gefaßt ge-
macht, hielten ihn nicht auf. Die Bologneſen ſchloſſen ſich
in ihre Mauern ein: ohne die paͤpſtlichen Truppen auch
nur zu Geſichte zu bekommen, zog der Herzog voruͤber.
Imola eroͤffnete ihm die Thore: er machte dem paͤpſtlichen
Befehlshaber einen Beſuch: er ermahnte die Stadt dem
roͤmiſchen Stuhle getreu zu ſeyn. Denn nicht gegen Rom,
nicht einmal gegen Urban VIII, nur gegen die Nepoten
deſſelben behauptete er die Waffen ergriffen zu haben; er
zog unter der Fahne des Gonfaloniere der Kirche einher,
auf welcher man St. Peter und St. Paul erblickte; im
Namen der Kirche forderte er den Durchzug. In Faenza
hatte man die Thore verſchanzt: als aber der Governatore
den Feind anſichtig wurde, ließ er ſich an einem Seile die
Mauer herunter um perſoͤnlich mit dem Herzoge zu unter-
handeln: das Ende der Unterhandlung war, daß die Thore
geoͤffnet wurden. So ging es auch in Forli. Ruhig ſa-
hen ſich die Einwohner aller dieſer Staͤdte von den Fen-
ſtern auf den Straßen den Durchzug ihres Feindes an.
Der Herzog begab ſich uͤber das Gebirge nach Toscana:
von Arezzo her drang er dann aufs neue in den Kirchen-
ſtaat ein. Caſtiglione da Lago, Citta del Pieve oͤffneten
ihm ihre Thore: unaufhaltſam eilte er vorwaͤrts: mit dem
Schrecken
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/44>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.