Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.
Frömmigkeit liebt, fügt er hinzu, für den ist durch Kir-
chen, Reliquien, Processionen sein Lebelang gesorgt.

Ohne Zweifel gab es anderwärts noch großartigere gei-
stige Regungen; aber die Vollendung der römischen Welt,
ihre Beschlossenheit in sich selbst, die Fülle des Reichthums,
der ruhige Genuß, vereinigt mit der Sicherheit und Befrie-
digung, welche den Gläubigen der unaufhörliche Anblick
der Gegenstände seiner Verehrung gewährte, übte noch im-
mer eine mächtige Anziehung aus, bald mehr durch das
eine, bald mehr durch das andere Motiv, zuweilen unent-
schieden durch welches am meisten.

Vergegenwärtigen wir uns diese Anziehung an dem
auffallendsten Beispiele, das zugleich auf den römischen Hof
lebendig zurückwirkte.

Digression über Königin Christine von Schweden.

Schon oft sind wir in dem Falle gewesen unsere Blicke
nach Schweden hinzuwenden.

Das Land, wo das Lutherthum zuerst die gesammte
Verfassung politisch umgestaltete, die Antireformation auf
eine so ungewöhnliche Weise in den höchsten Personen Re-
präsentanten und Widersacher fand, von wo dann die
große Entscheidung in dem welthistorischen Kampfe haupt-
sächlich ausgegangen war; eben da machte jetzt der Katholi-
cismus auch in der neuen Gestalt die er angenommen, die
unerwartetste Eroberung. Die Tochter jenes Vorkämpfers
der Protestanten, Königin Christine von Schweden, zog er

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
Froͤmmigkeit liebt, fuͤgt er hinzu, fuͤr den iſt durch Kir-
chen, Reliquien, Proceſſionen ſein Lebelang geſorgt.

Ohne Zweifel gab es anderwaͤrts noch großartigere gei-
ſtige Regungen; aber die Vollendung der roͤmiſchen Welt,
ihre Beſchloſſenheit in ſich ſelbſt, die Fuͤlle des Reichthums,
der ruhige Genuß, vereinigt mit der Sicherheit und Befrie-
digung, welche den Glaͤubigen der unaufhoͤrliche Anblick
der Gegenſtaͤnde ſeiner Verehrung gewaͤhrte, uͤbte noch im-
mer eine maͤchtige Anziehung aus, bald mehr durch das
eine, bald mehr durch das andere Motiv, zuweilen unent-
ſchieden durch welches am meiſten.

Vergegenwaͤrtigen wir uns dieſe Anziehung an dem
auffallendſten Beiſpiele, das zugleich auf den roͤmiſchen Hof
lebendig zuruͤckwirkte.

Digreſſion über Königin Chriſtine von Schweden.

Schon oft ſind wir in dem Falle geweſen unſere Blicke
nach Schweden hinzuwenden.

Das Land, wo das Lutherthum zuerſt die geſammte
Verfaſſung politiſch umgeſtaltete, die Antireformation auf
eine ſo ungewoͤhnliche Weiſe in den hoͤchſten Perſonen Re-
praͤſentanten und Widerſacher fand, von wo dann die
große Entſcheidung in dem welthiſtoriſchen Kampfe haupt-
ſaͤchlich ausgegangen war; eben da machte jetzt der Katholi-
cismus auch in der neuen Geſtalt die er angenommen, die
unerwartetſte Eroberung. Die Tochter jenes Vorkaͤmpfers
der Proteſtanten, Koͤnigin Chriſtine von Schweden, zog er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="78"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Die Pa&#x0364;p&#x017F;te um d. Mitte d. 17. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
Fro&#x0364;mmigkeit liebt, fu&#x0364;gt er hinzu, fu&#x0364;r den i&#x017F;t durch Kir-<lb/>
chen, Reliquien, Proce&#x017F;&#x017F;ionen &#x017F;ein Lebelang ge&#x017F;orgt.</p><lb/>
          <p>Ohne Zweifel gab es anderwa&#x0364;rts noch großartigere gei-<lb/>
&#x017F;tige Regungen; aber die Vollendung der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Welt,<lb/>
ihre Be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, die Fu&#x0364;lle des Reichthums,<lb/>
der ruhige Genuß, vereinigt mit der Sicherheit und Befrie-<lb/>
digung, welche den Gla&#x0364;ubigen der unaufho&#x0364;rliche Anblick<lb/>
der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;einer Verehrung gewa&#x0364;hrte, u&#x0364;bte noch im-<lb/>
mer eine ma&#x0364;chtige Anziehung aus, bald mehr durch das<lb/>
eine, bald mehr durch das andere Motiv, zuweilen unent-<lb/>
&#x017F;chieden durch welches am mei&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>Vergegenwa&#x0364;rtigen wir uns die&#x017F;e Anziehung an dem<lb/>
auffallend&#x017F;ten Bei&#x017F;piele, das zugleich auf den ro&#x0364;mi&#x017F;chen Hof<lb/>
lebendig zuru&#x0364;ckwirkte.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Digre&#x017F;&#x017F;ion über Königin Chri&#x017F;tine von Schweden.</head><lb/>
          <p>Schon oft &#x017F;ind wir in dem Falle gewe&#x017F;en un&#x017F;ere Blicke<lb/>
nach Schweden hinzuwenden.</p><lb/>
          <p>Das Land, wo das Lutherthum zuer&#x017F;t die ge&#x017F;ammte<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung politi&#x017F;ch umge&#x017F;taltete, die Antireformation auf<lb/>
eine &#x017F;o ungewo&#x0364;hnliche Wei&#x017F;e in den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Per&#x017F;onen Re-<lb/>
pra&#x0364;&#x017F;entanten und Wider&#x017F;acher fand, von wo dann die<lb/>
große Ent&#x017F;cheidung in dem welthi&#x017F;tori&#x017F;chen Kampfe haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich ausgegangen war; eben da machte jetzt der Katholi-<lb/>
cismus auch in der neuen Ge&#x017F;talt die er angenommen, die<lb/>
unerwartet&#x017F;te Eroberung. Die Tochter jenes Vorka&#x0364;mpfers<lb/>
der Prote&#x017F;tanten, Ko&#x0364;nigin Chri&#x017F;tine von Schweden, zog er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0090] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. Froͤmmigkeit liebt, fuͤgt er hinzu, fuͤr den iſt durch Kir- chen, Reliquien, Proceſſionen ſein Lebelang geſorgt. Ohne Zweifel gab es anderwaͤrts noch großartigere gei- ſtige Regungen; aber die Vollendung der roͤmiſchen Welt, ihre Beſchloſſenheit in ſich ſelbſt, die Fuͤlle des Reichthums, der ruhige Genuß, vereinigt mit der Sicherheit und Befrie- digung, welche den Glaͤubigen der unaufhoͤrliche Anblick der Gegenſtaͤnde ſeiner Verehrung gewaͤhrte, uͤbte noch im- mer eine maͤchtige Anziehung aus, bald mehr durch das eine, bald mehr durch das andere Motiv, zuweilen unent- ſchieden durch welches am meiſten. Vergegenwaͤrtigen wir uns dieſe Anziehung an dem auffallendſten Beiſpiele, das zugleich auf den roͤmiſchen Hof lebendig zuruͤckwirkte. Digreſſion über Königin Chriſtine von Schweden. Schon oft ſind wir in dem Falle geweſen unſere Blicke nach Schweden hinzuwenden. Das Land, wo das Lutherthum zuerſt die geſammte Verfaſſung politiſch umgeſtaltete, die Antireformation auf eine ſo ungewoͤhnliche Weiſe in den hoͤchſten Perſonen Re- praͤſentanten und Widerſacher fand, von wo dann die große Entſcheidung in dem welthiſtoriſchen Kampfe haupt- ſaͤchlich ausgegangen war; eben da machte jetzt der Katholi- cismus auch in der neuen Geſtalt die er angenommen, die unerwartetſte Eroberung. Die Tochter jenes Vorkaͤmpfers der Proteſtanten, Koͤnigin Chriſtine von Schweden, zog er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/90
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/90>, abgerufen am 27.11.2024.