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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Königin Christine von Schweden.
gen sich zu ihr zu begeben: alle Morgen um fünf hatte er
die Ehre sie in ihrer Bibliothek zu sehen: man behauptet,
sie habe seine Ideen, ihm selbst zur Verwunderung, aus
dem Plato abzuleiten gewußt. Es ist gewiß, daß sie in
ihren Conferenzen mit den Gelehrten wie in ihren Bespre-
chungen mit dem Senate die Ueberlegenheit des glücklich-
sten Gedächtnisses und einer raschen Auffassung und Pene-
tration zeigte. "Ihr Geist ist höchst außerordentlich", ruft
Naudäus mit Erstaunen aus: "sie hat alles gesehen, alles
gelesen, sie weiß alles" 1).

Wunderbare Hervorbringung der Natur und des Glücks.
Ein junges Fräulein frei von aller Eitelkeit: sie sucht es
nicht zu verbergen, daß sie die eine Schulter höher hat als
die andere: man hat ihr gesagt, ihre Schönheit bestehe be-
sonders in ihrem reichen Haupthaar, sie wendet auch nicht
die gewöhnlichste Sorgfalt darauf; jede kleine Sorge des
Lebens ist ihr fremd: sie hat sich niemals um ihre Tafel
bekümmert, sie hat nie über eine Speise geklagt, sie trinkt
nichts als Wasser; auch eine weibliche Arbeit hat sie nie
begriffen: -- dagegen macht es ihr Vergnügen, zu hören,
daß man sie bei ihrer Geburt für einen Knaben genommen,
daß sie in der frühesten Kindheit beim Abfeuern des Ge-
schützes statt zu erschrecken in die Hände geklatscht und sich
als ein rechtes Soldatenkind ausgewiesen habe; auf das

1) Naude a Gassendi 19 Oct. 1652. La reine de la quelle
je puis dire sans flatterie qu'elle tient mieux sa partie es con-
ferences qu'elle tient assez souvent avec messieurs Bochart,
Bourdelot, du Fresne et moi, qu'aucun de la compagnie, et si je
vous dis que son esprit est tout a fait extraordinaire, je ne
mentirai point, car elle a tout vu, elle a tout lu, elle sait tout.
6*

Koͤnigin Chriſtine von Schweden.
gen ſich zu ihr zu begeben: alle Morgen um fuͤnf hatte er
die Ehre ſie in ihrer Bibliothek zu ſehen: man behauptet,
ſie habe ſeine Ideen, ihm ſelbſt zur Verwunderung, aus
dem Plato abzuleiten gewußt. Es iſt gewiß, daß ſie in
ihren Conferenzen mit den Gelehrten wie in ihren Beſpre-
chungen mit dem Senate die Ueberlegenheit des gluͤcklich-
ſten Gedaͤchtniſſes und einer raſchen Auffaſſung und Pene-
tration zeigte. „Ihr Geiſt iſt hoͤchſt außerordentlich“, ruft
Naudaͤus mit Erſtaunen aus: „ſie hat alles geſehen, alles
geleſen, ſie weiß alles“ 1).

Wunderbare Hervorbringung der Natur und des Gluͤcks.
Ein junges Fraͤulein frei von aller Eitelkeit: ſie ſucht es
nicht zu verbergen, daß ſie die eine Schulter hoͤher hat als
die andere: man hat ihr geſagt, ihre Schoͤnheit beſtehe be-
ſonders in ihrem reichen Haupthaar, ſie wendet auch nicht
die gewoͤhnlichſte Sorgfalt darauf; jede kleine Sorge des
Lebens iſt ihr fremd: ſie hat ſich niemals um ihre Tafel
bekuͤmmert, ſie hat nie uͤber eine Speiſe geklagt, ſie trinkt
nichts als Waſſer; auch eine weibliche Arbeit hat ſie nie
begriffen: — dagegen macht es ihr Vergnuͤgen, zu hoͤren,
daß man ſie bei ihrer Geburt fuͤr einen Knaben genommen,
daß ſie in der fruͤheſten Kindheit beim Abfeuern des Ge-
ſchuͤtzes ſtatt zu erſchrecken in die Haͤnde geklatſcht und ſich
als ein rechtes Soldatenkind ausgewieſen habe; auf das

1) Naudé à Gassendi 19 Oct. 1652. La reine de la quelle
je puis dire sans flatterie qu’elle tient mieux sa partie ès con-
férences qu’elle tient assez souvent avec messieurs Bochart,
Bourdelot, du Fresne et moi, qu’aucun de la compagnie, et si je
vous dis que son esprit est tout à fait extraordinaire, je ne
mentirai point, car elle a tout vu, elle a tout lu, elle sait tout.
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[83/0095] Koͤnigin Chriſtine von Schweden. gen ſich zu ihr zu begeben: alle Morgen um fuͤnf hatte er die Ehre ſie in ihrer Bibliothek zu ſehen: man behauptet, ſie habe ſeine Ideen, ihm ſelbſt zur Verwunderung, aus dem Plato abzuleiten gewußt. Es iſt gewiß, daß ſie in ihren Conferenzen mit den Gelehrten wie in ihren Beſpre- chungen mit dem Senate die Ueberlegenheit des gluͤcklich- ſten Gedaͤchtniſſes und einer raſchen Auffaſſung und Pene- tration zeigte. „Ihr Geiſt iſt hoͤchſt außerordentlich“, ruft Naudaͤus mit Erſtaunen aus: „ſie hat alles geſehen, alles geleſen, ſie weiß alles“ 1). Wunderbare Hervorbringung der Natur und des Gluͤcks. Ein junges Fraͤulein frei von aller Eitelkeit: ſie ſucht es nicht zu verbergen, daß ſie die eine Schulter hoͤher hat als die andere: man hat ihr geſagt, ihre Schoͤnheit beſtehe be- ſonders in ihrem reichen Haupthaar, ſie wendet auch nicht die gewoͤhnlichſte Sorgfalt darauf; jede kleine Sorge des Lebens iſt ihr fremd: ſie hat ſich niemals um ihre Tafel bekuͤmmert, ſie hat nie uͤber eine Speiſe geklagt, ſie trinkt nichts als Waſſer; auch eine weibliche Arbeit hat ſie nie begriffen: — dagegen macht es ihr Vergnuͤgen, zu hoͤren, daß man ſie bei ihrer Geburt fuͤr einen Knaben genommen, daß ſie in der fruͤheſten Kindheit beim Abfeuern des Ge- ſchuͤtzes ſtatt zu erſchrecken in die Haͤnde geklatſcht und ſich als ein rechtes Soldatenkind ausgewieſen habe; auf das 1) Naudé à Gassendi 19 Oct. 1652. La reine de la quelle je puis dire sans flatterie qu’elle tient mieux sa partie ès con- férences qu’elle tient assez souvent avec messieurs Bochart, Bourdelot, du Fresne et moi, qu’aucun de la compagnie, et si je vous dis que son esprit est tout à fait extraordinaire, je ne mentirai point, car elle a tout vu, elle a tout lu, elle sait tout. 6*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/95>, abgerufen am 27.11.2024.