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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.
kühnste sitzt sie zu Pferd, Einen Fuß im Bügel, so fliegt
sie dahin: auf der Jagd weiß sie das Wild mit dem er-
sten Schuß zu erlegen; -- sie studirt Tacitus und Plato,
und faßt diese Autoren zuweilen selbst besser als Philolo-
gen von Profession; -- so jung sie ist, so weiß sie sich
selbst in Staatsgeschäften selbständig eine treffende Mei-
nung zu bilden, und sie unter den in Welterfahrung er-
grauten Senatoren durchzufechten: sie wirft den frischen
Muth eines angebornen Scharfsinns in die Arbeit; vor
allem ist sie von der hohen Bedeutung durchdrungen die
ihr ihre Herkunft gebe, von der Nothwendigkeit der Selbst-
regierung: keinen Gesandten hätte sie an ihre Minister ge-
wiesen: sie will nicht dulden, daß einer ihrer Unterthanen
einen auswärtigen Orden trage, wie sie sagt, daß ein Mit-
glied ihrer Heerde von einer fremden Hand sich bezeichnen
lasse: sie weiß eine Haltung anzunehmen, vor welcher die
Generale verstummen welche Deutschland erbeben gemacht:
wäre ein neuer Krieg ausgebrochen, so würde sie sich unfehl-
bar an die Spitze ihrer Truppen gestellt haben.

Bei dieser Gesinnung und vorwaltenden Stimmung
war ihr schon der Gedanke unerträglich sich zu verheira-
then, einem Manne Rechte an ihre Person zu geben; der
Verpflichtung hiezu, die sie gegen ihr Land haben könnte,
glaubt sie durch die Festsetzung der Succession überhoben
zu seyn; nachdem sie gekrönt ist, erklärt sie, sie würde eher
sterben als sich vermählen 1).


1) "Je me serois", sagt sie übrigens in ihrer Lebensbeschrei-
bung p. 57, "sans doute mariee si je n'eusse reconnue en moi
la force de me passer des plaisirs de l'amour";
und man darf

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
kuͤhnſte ſitzt ſie zu Pferd, Einen Fuß im Buͤgel, ſo fliegt
ſie dahin: auf der Jagd weiß ſie das Wild mit dem er-
ſten Schuß zu erlegen; — ſie ſtudirt Tacitus und Plato,
und faßt dieſe Autoren zuweilen ſelbſt beſſer als Philolo-
gen von Profeſſion; — ſo jung ſie iſt, ſo weiß ſie ſich
ſelbſt in Staatsgeſchaͤften ſelbſtaͤndig eine treffende Mei-
nung zu bilden, und ſie unter den in Welterfahrung er-
grauten Senatoren durchzufechten: ſie wirft den friſchen
Muth eines angebornen Scharfſinns in die Arbeit; vor
allem iſt ſie von der hohen Bedeutung durchdrungen die
ihr ihre Herkunft gebe, von der Nothwendigkeit der Selbſt-
regierung: keinen Geſandten haͤtte ſie an ihre Miniſter ge-
wieſen: ſie will nicht dulden, daß einer ihrer Unterthanen
einen auswaͤrtigen Orden trage, wie ſie ſagt, daß ein Mit-
glied ihrer Heerde von einer fremden Hand ſich bezeichnen
laſſe: ſie weiß eine Haltung anzunehmen, vor welcher die
Generale verſtummen welche Deutſchland erbeben gemacht:
waͤre ein neuer Krieg ausgebrochen, ſo wuͤrde ſie ſich unfehl-
bar an die Spitze ihrer Truppen geſtellt haben.

Bei dieſer Geſinnung und vorwaltenden Stimmung
war ihr ſchon der Gedanke unertraͤglich ſich zu verheira-
then, einem Manne Rechte an ihre Perſon zu geben; der
Verpflichtung hiezu, die ſie gegen ihr Land haben koͤnnte,
glaubt ſie durch die Feſtſetzung der Succeſſion uͤberhoben
zu ſeyn; nachdem ſie gekroͤnt iſt, erklaͤrt ſie, ſie wuͤrde eher
ſterben als ſich vermaͤhlen 1).


1) „Je me serois“, ſagt ſie uͤbrigens in ihrer Lebensbeſchrei-
bung p. 57, „sans doute mariée si je n’eusse reconnue en moi
la force de me passer des plaisirs de l’amour“;
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[84/0096] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. kuͤhnſte ſitzt ſie zu Pferd, Einen Fuß im Buͤgel, ſo fliegt ſie dahin: auf der Jagd weiß ſie das Wild mit dem er- ſten Schuß zu erlegen; — ſie ſtudirt Tacitus und Plato, und faßt dieſe Autoren zuweilen ſelbſt beſſer als Philolo- gen von Profeſſion; — ſo jung ſie iſt, ſo weiß ſie ſich ſelbſt in Staatsgeſchaͤften ſelbſtaͤndig eine treffende Mei- nung zu bilden, und ſie unter den in Welterfahrung er- grauten Senatoren durchzufechten: ſie wirft den friſchen Muth eines angebornen Scharfſinns in die Arbeit; vor allem iſt ſie von der hohen Bedeutung durchdrungen die ihr ihre Herkunft gebe, von der Nothwendigkeit der Selbſt- regierung: keinen Geſandten haͤtte ſie an ihre Miniſter ge- wieſen: ſie will nicht dulden, daß einer ihrer Unterthanen einen auswaͤrtigen Orden trage, wie ſie ſagt, daß ein Mit- glied ihrer Heerde von einer fremden Hand ſich bezeichnen laſſe: ſie weiß eine Haltung anzunehmen, vor welcher die Generale verſtummen welche Deutſchland erbeben gemacht: waͤre ein neuer Krieg ausgebrochen, ſo wuͤrde ſie ſich unfehl- bar an die Spitze ihrer Truppen geſtellt haben. Bei dieſer Geſinnung und vorwaltenden Stimmung war ihr ſchon der Gedanke unertraͤglich ſich zu verheira- then, einem Manne Rechte an ihre Perſon zu geben; der Verpflichtung hiezu, die ſie gegen ihr Land haben koͤnnte, glaubt ſie durch die Feſtſetzung der Succeſſion uͤberhoben zu ſeyn; nachdem ſie gekroͤnt iſt, erklaͤrt ſie, ſie wuͤrde eher ſterben als ſich vermaͤhlen 1). 1) „Je me serois“, ſagt ſie uͤbrigens in ihrer Lebensbeſchrei- bung p. 57, „sans doute mariée si je n’eusse reconnue en moi la force de me passer des plaisirs de l’amour“; und man darf

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/96>, abgerufen am 27.11.2024.