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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Erstes Buch.
ihre Edelleute, er werde die Ungehorsamen aus seiner und
des Reiches Gnade und Schirm setzen und auch sie in
ihren Widerwärtigkeiten nicht vertheidigen.

Man sieht, welche Verhältnisse der Gewaltsamkeit und
gegenseitigen Unabhängigkeit noch obwalteten, sogar in den
Gesetzen erschienen, und wie höchst nothwendig es war in-
nere Ordnungen zu gründen, durch deren Festigkeit und
Energie die Eigenmacht in Zaum gehalten, die Eingriffe
einer bei der ersten Vereinigung der Stände als auswär-
tig erscheinenden Autorität zurückgewiesen werden könnten.

Vor allem kam es dann darauf an, den Reichstagen
regelmäßigere Formen zu geben, größeres Ansehn zu ver-
schaffen, namentlich den Widerspruch der Städte gegen ihre
Beschlüsse zu beseitigen.

Die Städte, die von den übrigen Ständen so oft
feindlich behandelt worden, und ein so eigenthümliches In-
teresse zu verfechten hatten, hielten sich von jeher in ge-
flissentlicher Absonderung. Während des hussitischen Krie-
ges ward ihnen sogar noch einmal gestattet, ein besonderes
städtisches Heer unter ihrem eigenen obersten Hauptmann
ins Feld zu stellen. 1 Im Jahr 1460 lehnten sie es ab,
mit den Fürsten zu Rathe zu gehn, und sich zu einer ge-
meinschaftlichen Antwort auf die Anträge des Kaisers zu
vereinigen. 2 Im Jahr 1474 weigerten sich die Abgeord-
neten den von Kaiser und Fürsten beschlossenen Landfrie-
den gut zu heißen, und blieben standhaft dabei, 3 nichts dazu

1 Im Jahr 1431. Datt de pace publica 167.
2 Protocoll bei Müller I, p. 782! jedoch mit dem Zusatz:
"sie wolten solch fründlich Fürbringen ihren Fründen berümen."
3 Die Antwort welche sie bei Müller II, p. 626 geben ist un-

Erſtes Buch.
ihre Edelleute, er werde die Ungehorſamen aus ſeiner und
des Reiches Gnade und Schirm ſetzen und auch ſie in
ihren Widerwärtigkeiten nicht vertheidigen.

Man ſieht, welche Verhältniſſe der Gewaltſamkeit und
gegenſeitigen Unabhängigkeit noch obwalteten, ſogar in den
Geſetzen erſchienen, und wie höchſt nothwendig es war in-
nere Ordnungen zu gründen, durch deren Feſtigkeit und
Energie die Eigenmacht in Zaum gehalten, die Eingriffe
einer bei der erſten Vereinigung der Stände als auswär-
tig erſcheinenden Autorität zurückgewieſen werden könnten.

Vor allem kam es dann darauf an, den Reichstagen
regelmäßigere Formen zu geben, größeres Anſehn zu ver-
ſchaffen, namentlich den Widerſpruch der Städte gegen ihre
Beſchlüſſe zu beſeitigen.

Die Städte, die von den übrigen Ständen ſo oft
feindlich behandelt worden, und ein ſo eigenthümliches In-
tereſſe zu verfechten hatten, hielten ſich von jeher in ge-
fliſſentlicher Abſonderung. Während des huſſitiſchen Krie-
ges ward ihnen ſogar noch einmal geſtattet, ein beſonderes
ſtädtiſches Heer unter ihrem eigenen oberſten Hauptmann
ins Feld zu ſtellen. 1 Im Jahr 1460 lehnten ſie es ab,
mit den Fürſten zu Rathe zu gehn, und ſich zu einer ge-
meinſchaftlichen Antwort auf die Anträge des Kaiſers zu
vereinigen. 2 Im Jahr 1474 weigerten ſich die Abgeord-
neten den von Kaiſer und Fürſten beſchloſſenen Landfrie-
den gut zu heißen, und blieben ſtandhaft dabei, 3 nichts dazu

1 Im Jahr 1431. Datt de pace publica 167.
2 Protocoll bei Muͤller I, p. 782! jedoch mit dem Zuſatz:
„ſie wolten ſolch fruͤndlich Fuͤrbringen ihren Fruͤnden beruͤmen.“
3 Die Antwort welche ſie bei Muͤller II, p. 626 geben iſt un-
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[88/0106] Erſtes Buch. ihre Edelleute, er werde die Ungehorſamen aus ſeiner und des Reiches Gnade und Schirm ſetzen und auch ſie in ihren Widerwärtigkeiten nicht vertheidigen. Man ſieht, welche Verhältniſſe der Gewaltſamkeit und gegenſeitigen Unabhängigkeit noch obwalteten, ſogar in den Geſetzen erſchienen, und wie höchſt nothwendig es war in- nere Ordnungen zu gründen, durch deren Feſtigkeit und Energie die Eigenmacht in Zaum gehalten, die Eingriffe einer bei der erſten Vereinigung der Stände als auswär- tig erſcheinenden Autorität zurückgewieſen werden könnten. Vor allem kam es dann darauf an, den Reichstagen regelmäßigere Formen zu geben, größeres Anſehn zu ver- ſchaffen, namentlich den Widerſpruch der Städte gegen ihre Beſchlüſſe zu beſeitigen. Die Städte, die von den übrigen Ständen ſo oft feindlich behandelt worden, und ein ſo eigenthümliches In- tereſſe zu verfechten hatten, hielten ſich von jeher in ge- fliſſentlicher Abſonderung. Während des huſſitiſchen Krie- ges ward ihnen ſogar noch einmal geſtattet, ein beſonderes ſtädtiſches Heer unter ihrem eigenen oberſten Hauptmann ins Feld zu ſtellen. 1 Im Jahr 1460 lehnten ſie es ab, mit den Fürſten zu Rathe zu gehn, und ſich zu einer ge- meinſchaftlichen Antwort auf die Anträge des Kaiſers zu vereinigen. 2 Im Jahr 1474 weigerten ſich die Abgeord- neten den von Kaiſer und Fürſten beſchloſſenen Landfrie- den gut zu heißen, und blieben ſtandhaft dabei, 3 nichts dazu 1 Im Jahr 1431. Datt de pace publica 167. 2 Protocoll bei Muͤller I, p. 782! jedoch mit dem Zuſatz: „ſie wolten ſolch fruͤndlich Fuͤrbringen ihren Fruͤnden beruͤmen.“ 3 Die Antwort welche ſie bei Muͤller II, p. 626 geben iſt un-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/106>, abgerufen am 21.11.2024.