Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Grundlegung einer neuen Verfassung. nur einen Richter ernennen sollte. Darauf nahm nunaber Friedrich keine Rücksicht. Er besetzte sein Gericht nach wie vor allein, ließ es dem Hofe folgen; nahm wohl Sachen persönlich an sich; machte gesprochene Urtel rück- gängig und bestimmte die Sporteln nach seinem Gutdün- ken. Natürlich erweckte er damit ein allgemeines Miß- vergnügen; man sah ein, daß wenn aus dem Reiche et- was werden solle, vor allen Dingen das Gericht besser bestellt werden müsse. Die Bewilligungen, die man dem Kaiser im J. 1486 machte, knüpfte man an diese Bedin- gung. Es kam den Ständen noch nicht so viel darauf an, das Gericht selbst zu besetzen, als ihm nur fürs erste eine gewisse Unabhängigkeit zu verschaffen: dem Richter und seinen Beisitzern wollten sie für die entstehenden Va- canzen sogar ein Cooptationsrecht zugestehen. Die Haupt- sache aber war: der Richter sollte die Befugniß haben, über die Landfriedensbrecher jene Strafe auszusprechen, auf welcher die zwingende Kraft des Landfriedens überhaupt beruhte, die Strafe der Acht, so gut wie der Kaiser selbst; es sollte ihm sogar obliegen, die nöthigen Maaßregeln zur Vollziehung dieser Strafe zu ergreifen. So unerträglich schienen die persönlichen Eingriffe des Kaisers, daß man alles gewonnen zu haben glaubte, wenn man nur dieser sich zu erwehren vermöge. Das Gericht selbst suchte man dann dadurch einigermaaßen zu beschränken, daß man es auf die Statuten der Landschaften, aus denen jede Sache ist ganz unverständlich, weil statt Urtailsprecher gedruckt ist Urthel
sprechen, gleich als sollten die Stände selbst zu Gericht sitzen. Rich- tiger und im Zusammenhang ist sie bei König von Königsthal II, p. 13. Grundlegung einer neuen Verfaſſung. nur einen Richter ernennen ſollte. Darauf nahm nunaber Friedrich keine Rückſicht. Er beſetzte ſein Gericht nach wie vor allein, ließ es dem Hofe folgen; nahm wohl Sachen perſönlich an ſich; machte geſprochene Urtel rück- gängig und beſtimmte die Sporteln nach ſeinem Gutdün- ken. Natürlich erweckte er damit ein allgemeines Miß- vergnügen; man ſah ein, daß wenn aus dem Reiche et- was werden ſolle, vor allen Dingen das Gericht beſſer beſtellt werden müſſe. Die Bewilligungen, die man dem Kaiſer im J. 1486 machte, knüpfte man an dieſe Bedin- gung. Es kam den Ständen noch nicht ſo viel darauf an, das Gericht ſelbſt zu beſetzen, als ihm nur fürs erſte eine gewiſſe Unabhängigkeit zu verſchaffen: dem Richter und ſeinen Beiſitzern wollten ſie für die entſtehenden Va- canzen ſogar ein Cooptationsrecht zugeſtehen. Die Haupt- ſache aber war: der Richter ſollte die Befugniß haben, über die Landfriedensbrecher jene Strafe auszuſprechen, auf welcher die zwingende Kraft des Landfriedens überhaupt beruhte, die Strafe der Acht, ſo gut wie der Kaiſer ſelbſt; es ſollte ihm ſogar obliegen, die nöthigen Maaßregeln zur Vollziehung dieſer Strafe zu ergreifen. So unerträglich ſchienen die perſönlichen Eingriffe des Kaiſers, daß man alles gewonnen zu haben glaubte, wenn man nur dieſer ſich zu erwehren vermöge. Das Gericht ſelbſt ſuchte man dann dadurch einigermaaßen zu beſchränken, daß man es auf die Statuten der Landſchaften, aus denen jede Sache iſt ganz unverſtaͤndlich, weil ſtatt Urtailſprecher gedruckt iſt Urthel
ſprechen, gleich als ſollten die Staͤnde ſelbſt zu Gericht ſitzen. Rich- tiger und im Zuſammenhang iſt ſie bei König von Koͤnigsthal II, p. 13. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0111" n="93"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Grundlegung einer neuen Verfaſſung</hi>.</fw><lb/> nur einen Richter ernennen ſollte. Darauf nahm nun<lb/> aber Friedrich keine Rückſicht. Er beſetzte ſein Gericht<lb/> nach wie vor allein, ließ es dem Hofe folgen; nahm wohl<lb/> Sachen perſönlich an ſich; machte geſprochene Urtel rück-<lb/> gängig und beſtimmte die Sporteln nach ſeinem Gutdün-<lb/> ken. Natürlich erweckte er damit ein allgemeines Miß-<lb/> vergnügen; man ſah ein, daß wenn aus dem Reiche et-<lb/> was werden ſolle, vor allen Dingen das Gericht beſſer<lb/> beſtellt werden müſſe. Die Bewilligungen, die man dem<lb/> Kaiſer im J. 1486 machte, knüpfte man an dieſe Bedin-<lb/> gung. Es kam den Ständen noch nicht ſo viel darauf<lb/> an, das Gericht ſelbſt zu beſetzen, als ihm nur fürs erſte<lb/> eine gewiſſe Unabhängigkeit zu verſchaffen: dem Richter<lb/> und ſeinen Beiſitzern wollten ſie für die entſtehenden Va-<lb/> canzen ſogar ein Cooptationsrecht zugeſtehen. Die Haupt-<lb/> ſache aber war: der Richter ſollte die Befugniß haben,<lb/> über die Landfriedensbrecher jene Strafe auszuſprechen, auf<lb/> welcher die zwingende Kraft des Landfriedens überhaupt<lb/> beruhte, die Strafe der Acht, ſo gut wie der Kaiſer ſelbſt;<lb/> es ſollte ihm ſogar obliegen, die nöthigen Maaßregeln zur<lb/> Vollziehung dieſer Strafe zu ergreifen. So unerträglich<lb/> ſchienen die perſönlichen Eingriffe des Kaiſers, daß man<lb/> alles gewonnen zu haben glaubte, wenn man nur dieſer<lb/> ſich zu erwehren vermöge. Das Gericht ſelbſt ſuchte man<lb/> dann dadurch einigermaaßen zu beſchränken, daß man es<lb/> auf die Statuten der Landſchaften, aus denen jede Sache<lb/><note xml:id="seg2pn_9_2" prev="#seg2pn_9_1" place="foot" n="1">iſt ganz unverſtaͤndlich, weil ſtatt Urtailſprecher gedruckt iſt Urthel<lb/> ſprechen, gleich als ſollten die Staͤnde ſelbſt zu Gericht ſitzen. Rich-<lb/> tiger und im Zuſammenhang iſt ſie bei König von Koͤnigsthal <hi rendition="#aq">II,<lb/> p.</hi> 13.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0111]
Grundlegung einer neuen Verfaſſung.
nur einen Richter ernennen ſollte. Darauf nahm nun
aber Friedrich keine Rückſicht. Er beſetzte ſein Gericht
nach wie vor allein, ließ es dem Hofe folgen; nahm wohl
Sachen perſönlich an ſich; machte geſprochene Urtel rück-
gängig und beſtimmte die Sporteln nach ſeinem Gutdün-
ken. Natürlich erweckte er damit ein allgemeines Miß-
vergnügen; man ſah ein, daß wenn aus dem Reiche et-
was werden ſolle, vor allen Dingen das Gericht beſſer
beſtellt werden müſſe. Die Bewilligungen, die man dem
Kaiſer im J. 1486 machte, knüpfte man an dieſe Bedin-
gung. Es kam den Ständen noch nicht ſo viel darauf
an, das Gericht ſelbſt zu beſetzen, als ihm nur fürs erſte
eine gewiſſe Unabhängigkeit zu verſchaffen: dem Richter
und ſeinen Beiſitzern wollten ſie für die entſtehenden Va-
canzen ſogar ein Cooptationsrecht zugeſtehen. Die Haupt-
ſache aber war: der Richter ſollte die Befugniß haben,
über die Landfriedensbrecher jene Strafe auszuſprechen, auf
welcher die zwingende Kraft des Landfriedens überhaupt
beruhte, die Strafe der Acht, ſo gut wie der Kaiſer ſelbſt;
es ſollte ihm ſogar obliegen, die nöthigen Maaßregeln zur
Vollziehung dieſer Strafe zu ergreifen. So unerträglich
ſchienen die perſönlichen Eingriffe des Kaiſers, daß man
alles gewonnen zu haben glaubte, wenn man nur dieſer
ſich zu erwehren vermöge. Das Gericht ſelbſt ſuchte man
dann dadurch einigermaaßen zu beſchränken, daß man es
auf die Statuten der Landſchaften, aus denen jede Sache
1
1 iſt ganz unverſtaͤndlich, weil ſtatt Urtailſprecher gedruckt iſt Urthel
ſprechen, gleich als ſollten die Staͤnde ſelbſt zu Gericht ſitzen. Rich-
tiger und im Zuſammenhang iſt ſie bei König von Koͤnigsthal II,
p. 13.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |