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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Erstes Buch.
Die Stände, ihrem Prinzip gemäß, übertrugen sie dieser
ihrer Reichsversammlung.

Man sieht wohl, wie die Stände, obwohl sie von
ihrem ersten Plan abstanden, doch die Idee auf welcher
derselbe beruhte, immer im Auge behielten. In dem Wider-
streit königlicher und ständischer Interessen neigte sich das
Übergewicht doch offenbar auf die ständische Seite. Maxi-
milian hatte sich zu beklagen, daß man ihm dieß persön-
lich zu fühlen gegeben, daß man ihn hatte abtreten, vor
der Thüre warten lassen, bis der Beschluß gefaßt war.
Auch war er oft geneigt den Reichstag aufzulösen, und
nur das Bedürfniß einer neuen Bewilligung, die man ihm
denn auch machte, hielt ihn davon zurück. 1 Am 7ten Au-
gust nahm er die Entwürfe wie sie zuletzt gefaßt worden an.

Es ist in ihnen ein großartiger Zusammenhang. Alle
Deutsche wurden noch einmal sehr ernstlich als Reichs-
unterthanen betrachtet; Lasten und Anstrengungen sollten
ihnen sämmtlich gemeinsam seyn. Verloren die Stände
hiedurch an ihrer Unabhängigkeit, so empfiengen sie dafür,
nach ihrer alten Gliederung und ihrem Range, gesetzliche
Theilnahme wie an dem höchsten Gericht, so auch an der
Regierung. Der König selbst unterwarf sich diesen Anord-

1 Diese zweite Bewilligung betrug 150000 G. "Damit S.
Königl. Gnad unserm h. Vater Papst, und Italien, bis der gemein
Pfennig einbracht werde, dester stattlicher Hülfe thun möchte." Um
das Anlehen einzubringen, sandte der König Gesandte an einzelne
Stände; z. B. den Fürst Magnus von Anhalt und Dr Heinr. Friese
an den Abt von Fulda, der 300 G., die beiden Grafen von Hanau,
die 500 G., den Grafen von Eisenberg, der 300 G., die Stadt Frei-
berg, die 400 G., und die Stadt Frankfurt, die 2100 G. zahlen
sollte. Instruction im Comm. Archiv zu Dessau.

Erſtes Buch.
Die Stände, ihrem Prinzip gemäß, übertrugen ſie dieſer
ihrer Reichsverſammlung.

Man ſieht wohl, wie die Stände, obwohl ſie von
ihrem erſten Plan abſtanden, doch die Idee auf welcher
derſelbe beruhte, immer im Auge behielten. In dem Wider-
ſtreit königlicher und ſtändiſcher Intereſſen neigte ſich das
Übergewicht doch offenbar auf die ſtändiſche Seite. Maxi-
milian hatte ſich zu beklagen, daß man ihm dieß perſön-
lich zu fühlen gegeben, daß man ihn hatte abtreten, vor
der Thüre warten laſſen, bis der Beſchluß gefaßt war.
Auch war er oft geneigt den Reichstag aufzulöſen, und
nur das Bedürfniß einer neuen Bewilligung, die man ihm
denn auch machte, hielt ihn davon zurück. 1 Am 7ten Au-
guſt nahm er die Entwürfe wie ſie zuletzt gefaßt worden an.

Es iſt in ihnen ein großartiger Zuſammenhang. Alle
Deutſche wurden noch einmal ſehr ernſtlich als Reichs-
unterthanen betrachtet; Laſten und Anſtrengungen ſollten
ihnen ſämmtlich gemeinſam ſeyn. Verloren die Stände
hiedurch an ihrer Unabhängigkeit, ſo empfiengen ſie dafür,
nach ihrer alten Gliederung und ihrem Range, geſetzliche
Theilnahme wie an dem höchſten Gericht, ſo auch an der
Regierung. Der König ſelbſt unterwarf ſich dieſen Anord-

1 Dieſe zweite Bewilligung betrug 150000 G. „Damit S.
Koͤnigl. Gnad unſerm h. Vater Papſt, und Italien, bis der gemein
Pfennig einbracht werde, deſter ſtattlicher Huͤlfe thun moͤchte.“ Um
das Anlehen einzubringen, ſandte der Koͤnig Geſandte an einzelne
Staͤnde; z. B. den Fuͤrſt Magnus von Anhalt und Dr Heinr. Frieſe
an den Abt von Fulda, der 300 G., die beiden Grafen von Hanau,
die 500 G., den Grafen von Eiſenberg, der 300 G., die Stadt Frei-
berg, die 400 G., und die Stadt Frankfurt, die 2100 G. zahlen
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[116/0134] Erſtes Buch. Die Stände, ihrem Prinzip gemäß, übertrugen ſie dieſer ihrer Reichsverſammlung. Man ſieht wohl, wie die Stände, obwohl ſie von ihrem erſten Plan abſtanden, doch die Idee auf welcher derſelbe beruhte, immer im Auge behielten. In dem Wider- ſtreit königlicher und ſtändiſcher Intereſſen neigte ſich das Übergewicht doch offenbar auf die ſtändiſche Seite. Maxi- milian hatte ſich zu beklagen, daß man ihm dieß perſön- lich zu fühlen gegeben, daß man ihn hatte abtreten, vor der Thüre warten laſſen, bis der Beſchluß gefaßt war. Auch war er oft geneigt den Reichstag aufzulöſen, und nur das Bedürfniß einer neuen Bewilligung, die man ihm denn auch machte, hielt ihn davon zurück. 1 Am 7ten Au- guſt nahm er die Entwürfe wie ſie zuletzt gefaßt worden an. Es iſt in ihnen ein großartiger Zuſammenhang. Alle Deutſche wurden noch einmal ſehr ernſtlich als Reichs- unterthanen betrachtet; Laſten und Anſtrengungen ſollten ihnen ſämmtlich gemeinſam ſeyn. Verloren die Stände hiedurch an ihrer Unabhängigkeit, ſo empfiengen ſie dafür, nach ihrer alten Gliederung und ihrem Range, geſetzliche Theilnahme wie an dem höchſten Gericht, ſo auch an der Regierung. Der König ſelbſt unterwarf ſich dieſen Anord- 1 Dieſe zweite Bewilligung betrug 150000 G. „Damit S. Koͤnigl. Gnad unſerm h. Vater Papſt, und Italien, bis der gemein Pfennig einbracht werde, deſter ſtattlicher Huͤlfe thun moͤchte.“ Um das Anlehen einzubringen, ſandte der Koͤnig Geſandte an einzelne Staͤnde; z. B. den Fuͤrſt Magnus von Anhalt und Dr Heinr. Frieſe an den Abt von Fulda, der 300 G., die beiden Grafen von Hanau, die 500 G., den Grafen von Eiſenberg, der 300 G., die Stadt Frei- berg, die 400 G., und die Stadt Frankfurt, die 2100 G. zahlen ſollte. Inſtruction im Comm. Archiv zu Deſſau.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/134>, abgerufen am 19.05.2024.