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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Verhältniß des Kaisers und der Stände.
vorkam; bei dem sie die Würde des Kaisers zu behaupten,
aber auch seiner Willkühr auf immer ein Ziel zu setzen,
selbst auf Kosten der Territorialmacht für Krieg, Finan-
zen und Recht haltbare Ordnung einzuführen gedachten.
Aber die Widerwärtigkeiten eines unzeitigen Feldzuges,
die Unzufriedenheit des Kaisers mit der Stellung die sie
in den auswärtigen Angelegenheiten annahmen, hatten ihr
Werk zerstört.

Dann hatte es Maximilian unternommen, das Reich
durch ähnliche Einrichtungen, jedoch mit besserer Behaup-
tung des monarchischen Prinzipes, zu verjüngen: es war
zu Beschlüssen gekommen, von minder tiefgreifender Be-
deutung, jedoch ausführbarerem Inhalt; aber bei der wei-
teren Ausbildung zeigten sich Mißverständnisse, Abgeneigt-
heiten ohne Zahl; und plötzlich gerieth alles in Stocken.

Die Stände hatten mehr die innern, Maximilian mehr
die auswärtigen Angelegenheiten ins Auge gefaßt; aber
weder wollte sich dort der König seiner Macht so weit be-
rauben, noch wollten hier die Stände sich ihren Einfluß
so vollständig entziehen lassen, wie die Absicht des andern
Theiles war. Die Stände vermochten den Kaiser nicht
in dem Kreise festzuhalten, den sie ihm gezogen. Der Kai-
ser vermochte sie auf der Bahn die er einschlug nicht mit
sich fortzureißen.

Denn so sind nun einmal die menschlichen Dinge be-
schaffen, daß sich durch Berathung und Gleichgewicht nicht
viel erreichen läßt; nur eine überwiegende Kraft und ein
fester Wille vermag haltbare Gründungen zu vollziehen.

Maximilian hat immer behauptet und es ist nicht

Verhaͤltniß des Kaiſers und der Staͤnde.
vorkam; bei dem ſie die Würde des Kaiſers zu behaupten,
aber auch ſeiner Willkühr auf immer ein Ziel zu ſetzen,
ſelbſt auf Koſten der Territorialmacht für Krieg, Finan-
zen und Recht haltbare Ordnung einzuführen gedachten.
Aber die Widerwärtigkeiten eines unzeitigen Feldzuges,
die Unzufriedenheit des Kaiſers mit der Stellung die ſie
in den auswärtigen Angelegenheiten annahmen, hatten ihr
Werk zerſtört.

Dann hatte es Maximilian unternommen, das Reich
durch ähnliche Einrichtungen, jedoch mit beſſerer Behaup-
tung des monarchiſchen Prinzipes, zu verjüngen: es war
zu Beſchlüſſen gekommen, von minder tiefgreifender Be-
deutung, jedoch ausführbarerem Inhalt; aber bei der wei-
teren Ausbildung zeigten ſich Mißverſtändniſſe, Abgeneigt-
heiten ohne Zahl; und plötzlich gerieth alles in Stocken.

Die Stände hatten mehr die innern, Maximilian mehr
die auswärtigen Angelegenheiten ins Auge gefaßt; aber
weder wollte ſich dort der König ſeiner Macht ſo weit be-
rauben, noch wollten hier die Stände ſich ihren Einfluß
ſo vollſtändig entziehen laſſen, wie die Abſicht des andern
Theiles war. Die Stände vermochten den Kaiſer nicht
in dem Kreiſe feſtzuhalten, den ſie ihm gezogen. Der Kai-
ſer vermochte ſie auf der Bahn die er einſchlug nicht mit
ſich fortzureißen.

Denn ſo ſind nun einmal die menſchlichen Dinge be-
ſchaffen, daß ſich durch Berathung und Gleichgewicht nicht
viel erreichen läßt; nur eine überwiegende Kraft und ein
feſter Wille vermag haltbare Gründungen zu vollziehen.

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[191/0209] Verhaͤltniß des Kaiſers und der Staͤnde. vorkam; bei dem ſie die Würde des Kaiſers zu behaupten, aber auch ſeiner Willkühr auf immer ein Ziel zu ſetzen, ſelbſt auf Koſten der Territorialmacht für Krieg, Finan- zen und Recht haltbare Ordnung einzuführen gedachten. Aber die Widerwärtigkeiten eines unzeitigen Feldzuges, die Unzufriedenheit des Kaiſers mit der Stellung die ſie in den auswärtigen Angelegenheiten annahmen, hatten ihr Werk zerſtört. Dann hatte es Maximilian unternommen, das Reich durch ähnliche Einrichtungen, jedoch mit beſſerer Behaup- tung des monarchiſchen Prinzipes, zu verjüngen: es war zu Beſchlüſſen gekommen, von minder tiefgreifender Be- deutung, jedoch ausführbarerem Inhalt; aber bei der wei- teren Ausbildung zeigten ſich Mißverſtändniſſe, Abgeneigt- heiten ohne Zahl; und plötzlich gerieth alles in Stocken. Die Stände hatten mehr die innern, Maximilian mehr die auswärtigen Angelegenheiten ins Auge gefaßt; aber weder wollte ſich dort der König ſeiner Macht ſo weit be- rauben, noch wollten hier die Stände ſich ihren Einfluß ſo vollſtändig entziehen laſſen, wie die Abſicht des andern Theiles war. Die Stände vermochten den Kaiſer nicht in dem Kreiſe feſtzuhalten, den ſie ihm gezogen. Der Kai- ſer vermochte ſie auf der Bahn die er einſchlug nicht mit ſich fortzureißen. Denn ſo ſind nun einmal die menſchlichen Dinge be- ſchaffen, daß ſich durch Berathung und Gleichgewicht nicht viel erreichen läßt; nur eine überwiegende Kraft und ein feſter Wille vermag haltbare Gründungen zu vollziehen. Maximilian hat immer behauptet und es iſt nicht

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/209>, abgerufen am 21.11.2024.