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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Innere Gährung.
sen wider die Reste der freien Friesen in den Marschen.
Die Butjadinger schwören, sie wollen eher einmal sterben,
als sich von den Braunschweiger Amtleuten immerdar pla-
gen lassen, und rüsten sich hinter ihrer unübersteiglichen
Landwehre zum Widerstand: aber ein Verräther weist dem
angreifenden Heere einen Weg in ihrem Rücken: sie wer-
den geschlagen und ihr Land wird unter die Sieger ge-
theilt; auch die Worsaten und Hadeler mußten Gehorsam
lernen. 1 Zuweilen suchten die Fürsten die Abhängigkeit ei-
nes Bischofs in völlige Unterthanschaft zu verwandeln;
wie z. B. Herzog Magnus von Lauenburg die ihm von
seinen Landständen bewilligte Bede auch von dem Bi-
schofe von Ratzeburg forderte, vielleicht auch deshalb mit
doppeltem Ungestüm, weil dieser Bischof einst in seiner
Canzley gedient hatte; aber er fand beherzten Widerstand,
und es kam zu offenen Thätlichkeiten. 2 Oder es suchte
wohl auch ein geistlicher Fürst seiner Ritterschaft unge-
wohnten Gehorsam aufzulegen und diese schritt dagegen
mit Hülfe eines weltlichen Nachbars zur Empörung: wie
die Herzoge von Braunschweig die hildesheimische Ritter-
schaft, die Grafen von Henneberg Capitel und Stiftsadel
von Fulda in Schutz nahmen.

II. Denn vor allem fühlten sich die Ritterschaften

1 Rehtmeier Braunschweigsche Chronik II p. 861.
2 Chytraeus Saxonia p. 222. Bei Masch: Geschichte von
Ratzeburg p. 421 sieht man daß es noch viele andre Streitpuncte
gab. 28 März 1507 mußten Bischof und Capitel geloben, "daß
wenn der Fürst von seiner Ritterschaft eine Landbede erhielte, sie von
den Stiftsbauern eben so wie von den Bauern aller übrigen Herrn
gegeben würde."

Innere Gaͤhrung.
ſen wider die Reſte der freien Frieſen in den Marſchen.
Die Butjadinger ſchwören, ſie wollen eher einmal ſterben,
als ſich von den Braunſchweiger Amtleuten immerdar pla-
gen laſſen, und rüſten ſich hinter ihrer unüberſteiglichen
Landwehre zum Widerſtand: aber ein Verräther weiſt dem
angreifenden Heere einen Weg in ihrem Rücken: ſie wer-
den geſchlagen und ihr Land wird unter die Sieger ge-
theilt; auch die Worſaten und Hadeler mußten Gehorſam
lernen. 1 Zuweilen ſuchten die Fürſten die Abhängigkeit ei-
nes Biſchofs in völlige Unterthanſchaft zu verwandeln;
wie z. B. Herzog Magnus von Lauenburg die ihm von
ſeinen Landſtänden bewilligte Bede auch von dem Bi-
ſchofe von Ratzeburg forderte, vielleicht auch deshalb mit
doppeltem Ungeſtüm, weil dieſer Biſchof einſt in ſeiner
Canzley gedient hatte; aber er fand beherzten Widerſtand,
und es kam zu offenen Thätlichkeiten. 2 Oder es ſuchte
wohl auch ein geiſtlicher Fürſt ſeiner Ritterſchaft unge-
wohnten Gehorſam aufzulegen und dieſe ſchritt dagegen
mit Hülfe eines weltlichen Nachbars zur Empörung: wie
die Herzoge von Braunſchweig die hildesheimiſche Ritter-
ſchaft, die Grafen von Henneberg Capitel und Stiftsadel
von Fulda in Schutz nahmen.

II. Denn vor allem fühlten ſich die Ritterſchaften

1 Rehtmeier Braunſchweigſche Chronik II p. 861.
2 Chytraeus Saxonia p. 222. Bei Maſch: Geſchichte von
Ratzeburg p. 421 ſieht man daß es noch viele andre Streitpuncte
gab. 28 Maͤrz 1507 mußten Biſchof und Capitel geloben, „daß
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[205/0223] Innere Gaͤhrung. ſen wider die Reſte der freien Frieſen in den Marſchen. Die Butjadinger ſchwören, ſie wollen eher einmal ſterben, als ſich von den Braunſchweiger Amtleuten immerdar pla- gen laſſen, und rüſten ſich hinter ihrer unüberſteiglichen Landwehre zum Widerſtand: aber ein Verräther weiſt dem angreifenden Heere einen Weg in ihrem Rücken: ſie wer- den geſchlagen und ihr Land wird unter die Sieger ge- theilt; auch die Worſaten und Hadeler mußten Gehorſam lernen. 1 Zuweilen ſuchten die Fürſten die Abhängigkeit ei- nes Biſchofs in völlige Unterthanſchaft zu verwandeln; wie z. B. Herzog Magnus von Lauenburg die ihm von ſeinen Landſtänden bewilligte Bede auch von dem Bi- ſchofe von Ratzeburg forderte, vielleicht auch deshalb mit doppeltem Ungeſtüm, weil dieſer Biſchof einſt in ſeiner Canzley gedient hatte; aber er fand beherzten Widerſtand, und es kam zu offenen Thätlichkeiten. 2 Oder es ſuchte wohl auch ein geiſtlicher Fürſt ſeiner Ritterſchaft unge- wohnten Gehorſam aufzulegen und dieſe ſchritt dagegen mit Hülfe eines weltlichen Nachbars zur Empörung: wie die Herzoge von Braunſchweig die hildesheimiſche Ritter- ſchaft, die Grafen von Henneberg Capitel und Stiftsadel von Fulda in Schutz nahmen. II. Denn vor allem fühlten ſich die Ritterſchaften 1 Rehtmeier Braunſchweigſche Chronik II p. 861. 2 Chytraeus Saxonia p. 222. Bei Maſch: Geſchichte von Ratzeburg p. 421 ſieht man daß es noch viele andre Streitpuncte gab. 28 Maͤrz 1507 mußten Biſchof und Capitel geloben, „daß wenn der Fuͤrſt von ſeiner Ritterſchaft eine Landbede erhielte, ſie von den Stiftsbauern eben ſo wie von den Bauern aller uͤbrigen Herrn gegeben wuͤrde.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/223>, abgerufen am 24.11.2024.