Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Innere Gährung. der offenen Orte ward ärger als jemals: selbst arme fah-rende Schüler, die sich mit Betteln durchbringen, finden wir angesprengt und um ihre elende Baarschaft gequält. 1 "Glück zu, liebe Gesellen," ruft Götz einmal einer Anzahl von Wölfen zu, die er in eine Schaafheerde fallen sieht: "Glück zu überall:" er hielt das für ein gutes Wahrzeichen. Und zuweilen nahm dann wieder dieß gewaltthätige Rei- terwesen eine großartigere Gestalt an, und constituirte eine Art von tumultuarischer Macht im Reiche. Franz von Sickingen wagte die Gegner des so eben von dem Kaiser wiedereingesetzten Rathes in Worms in seinen Schutz zu nehmen: er begann den Krieg gegen diese Stadt damit, daß er sich eines ihrer Schiffe auf dem Rheine bemäch- tigte. Hierauf ward er in die Acht erklärt. Seine Ant- wort war, daß er unmittelbar vor den Mauern dieser Stadt erschien, sie mit Karthaunen und Schlangen be- schoß, und zugleich das Gefilde verwüstete, die Weingär- ten zerstörte, keine Zufuhr gestattete. Die Pfingstmesse konnte weder 1515 noch 1516 gehalten werden. Die Stände des rheinischen Kreises kamen zusammen, aber sie wagten es nicht einen Beschluß dagegen zu fassen: sie meinten, das könne nur auf einem Reichstag geschehen. 2 Es ist wohl unläugbar, daß einige Fürsten aus Oppo- sition bald gegen den Kaiser bald gegen den schwäbischen Bund diese Gewaltthätigkeiten entweder begünstigten oder doch zugaben. Eben mit der nicht kaiserlich noch bündisch 1 Platers Lebensbeschreibung: -- er spricht von der Zeit um 1515, da er gleich nachher der Schlacht von Marignano erwähnt. 2 Zorn's Wormser Chronik in Münchs Sickingen III. Ranke d. Gesch. I. 14
Innere Gaͤhrung. der offenen Orte ward ärger als jemals: ſelbſt arme fah-rende Schüler, die ſich mit Betteln durchbringen, finden wir angeſprengt und um ihre elende Baarſchaft gequält. 1 „Glück zu, liebe Geſellen,“ ruft Götz einmal einer Anzahl von Wölfen zu, die er in eine Schaafheerde fallen ſieht: „Glück zu überall:“ er hielt das für ein gutes Wahrzeichen. Und zuweilen nahm dann wieder dieß gewaltthätige Rei- terweſen eine großartigere Geſtalt an, und conſtituirte eine Art von tumultuariſcher Macht im Reiche. Franz von Sickingen wagte die Gegner des ſo eben von dem Kaiſer wiedereingeſetzten Rathes in Worms in ſeinen Schutz zu nehmen: er begann den Krieg gegen dieſe Stadt damit, daß er ſich eines ihrer Schiffe auf dem Rheine bemäch- tigte. Hierauf ward er in die Acht erklärt. Seine Ant- wort war, daß er unmittelbar vor den Mauern dieſer Stadt erſchien, ſie mit Karthaunen und Schlangen be- ſchoß, und zugleich das Gefilde verwüſtete, die Weingär- ten zerſtörte, keine Zufuhr geſtattete. Die Pfingſtmeſſe konnte weder 1515 noch 1516 gehalten werden. Die Stände des rheiniſchen Kreiſes kamen zuſammen, aber ſie wagten es nicht einen Beſchluß dagegen zu faſſen: ſie meinten, das könne nur auf einem Reichstag geſchehen. 2 Es iſt wohl unläugbar, daß einige Fürſten aus Oppo- ſition bald gegen den Kaiſer bald gegen den ſchwäbiſchen Bund dieſe Gewaltthätigkeiten entweder begünſtigten oder doch zugaben. Eben mit der nicht kaiſerlich noch bündiſch 1 Platers Lebensbeſchreibung: — er ſpricht von der Zeit um 1515, da er gleich nachher der Schlacht von Marignano erwaͤhnt. 2 Zorn’s Wormſer Chronik in Muͤnchs Sickingen III. Ranke d. Geſch. I. 14
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Innere Gaͤhrung.
der offenen Orte ward ärger als jemals: ſelbſt arme fah-
rende Schüler, die ſich mit Betteln durchbringen, finden
wir angeſprengt und um ihre elende Baarſchaft gequält. 1
„Glück zu, liebe Geſellen,“ ruft Götz einmal einer Anzahl
von Wölfen zu, die er in eine Schaafheerde fallen ſieht:
„Glück zu überall:“ er hielt das für ein gutes Wahrzeichen.
Und zuweilen nahm dann wieder dieß gewaltthätige Rei-
terweſen eine großartigere Geſtalt an, und conſtituirte eine
Art von tumultuariſcher Macht im Reiche. Franz von
Sickingen wagte die Gegner des ſo eben von dem Kaiſer
wiedereingeſetzten Rathes in Worms in ſeinen Schutz zu
nehmen: er begann den Krieg gegen dieſe Stadt damit,
daß er ſich eines ihrer Schiffe auf dem Rheine bemäch-
tigte. Hierauf ward er in die Acht erklärt. Seine Ant-
wort war, daß er unmittelbar vor den Mauern dieſer
Stadt erſchien, ſie mit Karthaunen und Schlangen be-
ſchoß, und zugleich das Gefilde verwüſtete, die Weingär-
ten zerſtörte, keine Zufuhr geſtattete. Die Pfingſtmeſſe
konnte weder 1515 noch 1516 gehalten werden. Die
Stände des rheiniſchen Kreiſes kamen zuſammen, aber ſie
wagten es nicht einen Beſchluß dagegen zu faſſen: ſie
meinten, das könne nur auf einem Reichstag geſchehen. 2
Es iſt wohl unläugbar, daß einige Fürſten aus Oppo-
ſition bald gegen den Kaiſer bald gegen den ſchwäbiſchen
Bund dieſe Gewaltthätigkeiten entweder begünſtigten oder
doch zugaben. Eben mit der nicht kaiſerlich noch bündiſch
1 Platers Lebensbeſchreibung: — er ſpricht von der Zeit um
1515, da er gleich nachher der Schlacht von Marignano erwaͤhnt.
2 Zorn’s Wormſer Chronik in Muͤnchs Sickingen III.
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