Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Innere Gährung. Gutsherrschaft, der Edelmann. 1 Dagegen war hie undda auch der gemeine Mann bewaffnet worden; aus seiner Mitte giengen die Schaaren der Landsknechte hervor, welche einen Namen unter den europäischen Milizen behaupteten; er ward wieder einmal inne welche Macht ihm beiwohne. Für Oberdeutschland war das Beispiel der Schweizer sehr verführerisch. Im Elsaß, in der Gegend von Schletstadt bildete sich schon im J. 1493 ein in tiefes Geheimniß ge- hüllter Bund mißvergnügter Bürger und Bauern, welche auf unwegsamen Pfaden bei Nachtzeit auf abgelegenen Höhen zusammen kamen, und sich verschworen, in Zukunft nicht anders als nach eigener freier Bewilligung zu steuern, Zoll und Umgeld abzuschaffen, die Geistlichen zu beschrän- ken, die Juden gradezu zu tödten und ihre Güter zu thei- len. Unter wunderlichen Cerimonien, durch die besonders der Verräther entsetzlich bedroht wurde, nahmen sie neue Mitglieder auf. Ihre Absicht war, sich zunächst Schlet- stadts zu bemächtigen, hierauf die Fahne mit dem Zeichen des Bauernschuhes aufzuwerfen, den Elsaß in Besitz zu neh- men und die Schweizer zu Hülfe zu rufen. 2 Aber jenen furchtbaren Drohungen zum Trotz wurden sie doch ver- rathen, aus einander gesprengt, auf das schärfste gezüch- tigt. Hätten die Schweizer im Jahr 1499 ihren Vortheil verstanden und den Widerwillen ihrer Nachbarn nicht durch die Grausamkeit ihrer Verwüstungen gereizt, so würden sie, 1 Rosenblüt klagt, daß der Edelmann sich von dem Bauer nähren lasse und ihm doch keinen Frieden schaffe: er treibe seine For- derungen immer höher; dann schelte der Bauer, und der Edelmann werfe ihm sein Vieh nieder. 2 Herzog: Edelsasser Chronik c. 71, p. 162.
Innere Gaͤhrung. Gutsherrſchaft, der Edelmann. 1 Dagegen war hie undda auch der gemeine Mann bewaffnet worden; aus ſeiner Mitte giengen die Schaaren der Landsknechte hervor, welche einen Namen unter den europäiſchen Milizen behaupteten; er ward wieder einmal inne welche Macht ihm beiwohne. Für Oberdeutſchland war das Beiſpiel der Schweizer ſehr verführeriſch. Im Elſaß, in der Gegend von Schletſtadt bildete ſich ſchon im J. 1493 ein in tiefes Geheimniß ge- hüllter Bund mißvergnügter Bürger und Bauern, welche auf unwegſamen Pfaden bei Nachtzeit auf abgelegenen Höhen zuſammen kamen, und ſich verſchworen, in Zukunft nicht anders als nach eigener freier Bewilligung zu ſteuern, Zoll und Umgeld abzuſchaffen, die Geiſtlichen zu beſchrän- ken, die Juden gradezu zu tödten und ihre Güter zu thei- len. Unter wunderlichen Cerimonien, durch die beſonders der Verräther entſetzlich bedroht wurde, nahmen ſie neue Mitglieder auf. Ihre Abſicht war, ſich zunächſt Schlet- ſtadts zu bemächtigen, hierauf die Fahne mit dem Zeichen des Bauernſchuhes aufzuwerfen, den Elſaß in Beſitz zu neh- men und die Schweizer zu Hülfe zu rufen. 2 Aber jenen furchtbaren Drohungen zum Trotz wurden ſie doch ver- rathen, aus einander geſprengt, auf das ſchärfſte gezüch- tigt. Hätten die Schweizer im Jahr 1499 ihren Vortheil verſtanden und den Widerwillen ihrer Nachbarn nicht durch die Grauſamkeit ihrer Verwüſtungen gereizt, ſo würden ſie, 1 Roſenbluͤt klagt, daß der Edelmann ſich von dem Bauer naͤhren laſſe und ihm doch keinen Frieden ſchaffe: er treibe ſeine For- derungen immer hoͤher; dann ſchelte der Bauer, und der Edelmann werfe ihm ſein Vieh nieder. 2 Herzog: Edelſaſſer Chronik c. 71, p. 162.
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Innere Gaͤhrung.
Gutsherrſchaft, der Edelmann. 1 Dagegen war hie und
da auch der gemeine Mann bewaffnet worden; aus ſeiner
Mitte giengen die Schaaren der Landsknechte hervor, welche
einen Namen unter den europäiſchen Milizen behaupteten;
er ward wieder einmal inne welche Macht ihm beiwohne.
Für Oberdeutſchland war das Beiſpiel der Schweizer ſehr
verführeriſch. Im Elſaß, in der Gegend von Schletſtadt
bildete ſich ſchon im J. 1493 ein in tiefes Geheimniß ge-
hüllter Bund mißvergnügter Bürger und Bauern, welche
auf unwegſamen Pfaden bei Nachtzeit auf abgelegenen
Höhen zuſammen kamen, und ſich verſchworen, in Zukunft
nicht anders als nach eigener freier Bewilligung zu ſteuern,
Zoll und Umgeld abzuſchaffen, die Geiſtlichen zu beſchrän-
ken, die Juden gradezu zu tödten und ihre Güter zu thei-
len. Unter wunderlichen Cerimonien, durch die beſonders
der Verräther entſetzlich bedroht wurde, nahmen ſie neue
Mitglieder auf. Ihre Abſicht war, ſich zunächſt Schlet-
ſtadts zu bemächtigen, hierauf die Fahne mit dem Zeichen
des Bauernſchuhes aufzuwerfen, den Elſaß in Beſitz zu neh-
men und die Schweizer zu Hülfe zu rufen. 2 Aber jenen
furchtbaren Drohungen zum Trotz wurden ſie doch ver-
rathen, aus einander geſprengt, auf das ſchärfſte gezüch-
tigt. Hätten die Schweizer im Jahr 1499 ihren Vortheil
verſtanden und den Widerwillen ihrer Nachbarn nicht durch
die Grauſamkeit ihrer Verwüſtungen gereizt, ſo würden ſie,
1 Roſenbluͤt klagt, daß der Edelmann ſich von dem Bauer
naͤhren laſſe und ihm doch keinen Frieden ſchaffe: er treibe ſeine For-
derungen immer hoͤher; dann ſchelte der Bauer, und der Edelmann
werfe ihm ſein Vieh nieder.
2 Herzog: Edelſaſſer Chronik c. 71, p. 162.
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Zitationshilfe: | Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/233>, abgerufen am 16.02.2025. |