Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
Nation, ja der ganzen Christenheit willen, diese Sachen zu
Herzen zu fassen, zu bedenken wie viel großmächtige Herr-
schaften durch Mangel an Friede gefallen, und was sich
jetzt in den Gemüthern der Bauern rege; ein Einsehen zu
haben und so großen Übelständen abzuhelfen.

So sagte man wohl, doch blieb es bei den Worten.
Ein Mittel, eine Maaßregel, die etwas hätte helfen können,
ward nicht einmal vorgeschlagen: der Reichstag löste sich
auf ohne auch nur zu einem Beschluß geschritten zu seyn.

Und schon faßte der aufgeregte Geist der Nation noch
andre Mängel als die der bürgerlichen Zustände ins Auge.

Bei der engen Verbindung zwischen Rom und Deutsch-
land, kraft der der Papst noch immer die mächtigste Reichs-
gewalt bildete, mußten endlich auch die geistlichen Verhält-
nisse wieder ernstlich zur Sprache kommen. Eine Zeit-
lang waren sie zurückgetreten, nur zufällig und gelegent-
lich berührt worden; jetzt aber zogen sie wieder die all-
gemeine Aufmerksamkeit auf sich; der gährende gewalt-
same, der bisherigen Zustände überdrüßige, nach dem Neuen
trachtende Geist der Nation stürzte sich auf dieses Feld;
da man die Sache zugleich auf das gründlichste vornahm,
und von den äußern Einwirkungen zu einer Untersuchung
der Berechtigung überhaupt fortschritt, so bekam die begon-
nene Bewegung eine Bedeutung, die weit über die Schran-
ken der innern deutschen Politik hinausreichte.



A., wo sich überhaupt die Verhandlungen dieses Reichstags finden.
"Wo Kais. Mt," sagt er am 16 Aug. von den Vorstellungen, die
man machte, "dieselbig als billig und wol wäre verwilligen würde,
hofft ich alle Dinge sollten noch gut werden, wo nicht, so helf uns
Gott."

Erſtes Buch.
Nation, ja der ganzen Chriſtenheit willen, dieſe Sachen zu
Herzen zu faſſen, zu bedenken wie viel großmächtige Herr-
ſchaften durch Mangel an Friede gefallen, und was ſich
jetzt in den Gemüthern der Bauern rege; ein Einſehen zu
haben und ſo großen Übelſtänden abzuhelfen.

So ſagte man wohl, doch blieb es bei den Worten.
Ein Mittel, eine Maaßregel, die etwas hätte helfen können,
ward nicht einmal vorgeſchlagen: der Reichstag löſte ſich
auf ohne auch nur zu einem Beſchluß geſchritten zu ſeyn.

Und ſchon faßte der aufgeregte Geiſt der Nation noch
andre Mängel als die der bürgerlichen Zuſtände ins Auge.

Bei der engen Verbindung zwiſchen Rom und Deutſch-
land, kraft der der Papſt noch immer die mächtigſte Reichs-
gewalt bildete, mußten endlich auch die geiſtlichen Verhält-
niſſe wieder ernſtlich zur Sprache kommen. Eine Zeit-
lang waren ſie zurückgetreten, nur zufällig und gelegent-
lich berührt worden; jetzt aber zogen ſie wieder die all-
gemeine Aufmerkſamkeit auf ſich; der gährende gewalt-
ſame, der bisherigen Zuſtände überdrüßige, nach dem Neuen
trachtende Geiſt der Nation ſtürzte ſich auf dieſes Feld;
da man die Sache zugleich auf das gründlichſte vornahm,
und von den äußern Einwirkungen zu einer Unterſuchung
der Berechtigung überhaupt fortſchritt, ſo bekam die begon-
nene Bewegung eine Bedeutung, die weit über die Schran-
ken der innern deutſchen Politik hinausreichte.



A., wo ſich uͤberhaupt die Verhandlungen dieſes Reichstags finden.
„Wo Kaiſ. Mt,“ ſagt er am 16 Aug. von den Vorſtellungen, die
man machte, „dieſelbig als billig und wol waͤre verwilligen wuͤrde,
hofft ich alle Dinge ſollten noch gut werden, wo nicht, ſo helf uns
Gott.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="222"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>.</fw><lb/>
Nation, ja der ganzen Chri&#x017F;tenheit willen, die&#x017F;e Sachen zu<lb/>
Herzen zu fa&#x017F;&#x017F;en, zu bedenken wie viel großmächtige Herr-<lb/>
&#x017F;chaften durch Mangel an Friede gefallen, und was &#x017F;ich<lb/>
jetzt in den Gemüthern der Bauern rege; ein Ein&#x017F;ehen zu<lb/>
haben und &#x017F;o großen Übel&#x017F;tänden abzuhelfen.</p><lb/>
          <p>So &#x017F;agte man wohl, doch blieb es bei den Worten.<lb/>
Ein Mittel, eine Maaßregel, die etwas hätte helfen können,<lb/>
ward nicht einmal vorge&#x017F;chlagen: der Reichstag lö&#x017F;te &#x017F;ich<lb/>
auf ohne auch nur zu einem Be&#x017F;chluß ge&#x017F;chritten zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Und &#x017F;chon faßte der aufgeregte Gei&#x017F;t der Nation noch<lb/>
andre Mängel als die der bürgerlichen Zu&#x017F;tände ins Auge.</p><lb/>
          <p>Bei der engen Verbindung zwi&#x017F;chen Rom und Deut&#x017F;ch-<lb/>
land, kraft der der Pap&#x017F;t noch immer die mächtig&#x017F;te Reichs-<lb/>
gewalt bildete, mußten endlich auch die gei&#x017F;tlichen Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e wieder ern&#x017F;tlich zur Sprache kommen. Eine Zeit-<lb/>
lang waren &#x017F;ie zurückgetreten, nur zufällig und gelegent-<lb/>
lich berührt worden; jetzt aber zogen &#x017F;ie wieder die all-<lb/>
gemeine Aufmerk&#x017F;amkeit auf &#x017F;ich; der gährende gewalt-<lb/>
&#x017F;ame, der bisherigen Zu&#x017F;tände überdrüßige, nach dem Neuen<lb/>
trachtende Gei&#x017F;t der Nation &#x017F;türzte &#x017F;ich auf die&#x017F;es Feld;<lb/>
da man die Sache zugleich auf das gründlich&#x017F;te vornahm,<lb/>
und von den äußern Einwirkungen zu einer Unter&#x017F;uchung<lb/>
der Berechtigung überhaupt fort&#x017F;chritt, &#x017F;o bekam die begon-<lb/>
nene Bewegung eine Bedeutung, die weit über die Schran-<lb/>
ken der innern deut&#x017F;chen Politik hinausreichte.</p><lb/>
          <p>
            <note xml:id="seg2pn_21_2" prev="#seg2pn_21_1" place="foot" n="1">A., wo &#x017F;ich u&#x0364;berhaupt die Verhandlungen die&#x017F;es Reichstags finden.<lb/>
&#x201E;Wo Kai&#x017F;. Mt,&#x201C; &#x017F;agt er am 16 Aug. von den Vor&#x017F;tellungen, die<lb/>
man machte, &#x201E;die&#x017F;elbig als billig und wol wa&#x0364;re verwilligen wu&#x0364;rde,<lb/>
hofft ich alle Dinge &#x017F;ollten noch gut werden, wo nicht, &#x017F;o helf uns<lb/>
Gott.&#x201C;</note>
          </p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0240] Erſtes Buch. Nation, ja der ganzen Chriſtenheit willen, dieſe Sachen zu Herzen zu faſſen, zu bedenken wie viel großmächtige Herr- ſchaften durch Mangel an Friede gefallen, und was ſich jetzt in den Gemüthern der Bauern rege; ein Einſehen zu haben und ſo großen Übelſtänden abzuhelfen. So ſagte man wohl, doch blieb es bei den Worten. Ein Mittel, eine Maaßregel, die etwas hätte helfen können, ward nicht einmal vorgeſchlagen: der Reichstag löſte ſich auf ohne auch nur zu einem Beſchluß geſchritten zu ſeyn. Und ſchon faßte der aufgeregte Geiſt der Nation noch andre Mängel als die der bürgerlichen Zuſtände ins Auge. Bei der engen Verbindung zwiſchen Rom und Deutſch- land, kraft der der Papſt noch immer die mächtigſte Reichs- gewalt bildete, mußten endlich auch die geiſtlichen Verhält- niſſe wieder ernſtlich zur Sprache kommen. Eine Zeit- lang waren ſie zurückgetreten, nur zufällig und gelegent- lich berührt worden; jetzt aber zogen ſie wieder die all- gemeine Aufmerkſamkeit auf ſich; der gährende gewalt- ſame, der bisherigen Zuſtände überdrüßige, nach dem Neuen trachtende Geiſt der Nation ſtürzte ſich auf dieſes Feld; da man die Sache zugleich auf das gründlichſte vornahm, und von den äußern Einwirkungen zu einer Unterſuchung der Berechtigung überhaupt fortſchritt, ſo bekam die begon- nene Bewegung eine Bedeutung, die weit über die Schran- ken der innern deutſchen Politik hinausreichte. 1 1 A., wo ſich uͤberhaupt die Verhandlungen dieſes Reichstags finden. „Wo Kaiſ. Mt,“ ſagt er am 16 Aug. von den Vorſtellungen, die man machte, „dieſelbig als billig und wol waͤre verwilligen wuͤrde, hofft ich alle Dinge ſollten noch gut werden, wo nicht, ſo helf uns Gott.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/240
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/240>, abgerufen am 24.11.2024.