Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Einleitung. ihn mit einem Angriff auf das altsächsische Heiligthum derIrminsul; die Sachsen antworteten mit der Zerstörung der Kirche in Fritzlar. Mit Heiligenreliquien zog Carl in die Feldschlacht: Missionarien begleiteten die Abtheilungen seines Heeres: seine Siege wurden mit Errichtung von Bisthü- mern gefeiert: die Taufe besiegelte die Unterwerfung: Rück- fall in das Heidenthum war zugleich ein Staatsverbrechen. In der Kaiserkrönung des alten Siegers liegt eine Vollen- dung aller dieser Ereignisse. Ein Germane trat im natür- lichen Laufe der Dinge mit geordneter gesetzmäßiger Ge- walt an die Stelle der Cäsaren, an die Spitze eines gro- ßen Theiles der romanischen Welt: er nahm dem römi- schen Oberpriester zur Seite auch für die geistlichen Ange- legenheiten eine erhabene Stellung ein; eine fränkische Sy- node hat ihn als den "Regenten der wahren Religion" be- grüßt. Sein ganzer Staat empfieng nun eine durchaus geistlich-weltliche Farbe und Form. Wie Kaiser und Papst, so sollten Bischof und Graf vereinigt seyn. Die Archidia- conate, in welche die Bisthümer eingetheilt waren, fielen mit den Gauen wenn nicht allenthalben, doch in der Re- gel zusammen. Wie die Grafschaften in Centen, so waren die Archidiaconate in Decanate eingetheilt; ihre Sitze sind verschieden; in Hinsicht der Sprengel dagegen zeigt sich eine auffallende Uebereinstimmung. 1 Nach der Absicht des Meisters und Herrschers sollte nicht allein die weltliche Gewalt der geistlichen ihren Arm leihen, sondern auch die geistliche mit ihrer Excommunication der weltlichen zu Hülfe kommen. Das große Reich gemahnt uns wie eine mäch- 1 Vgl. Wenck hessische Landesgeschichte II, 469.
Einleitung. ihn mit einem Angriff auf das altſächſiſche Heiligthum derIrminſul; die Sachſen antworteten mit der Zerſtörung der Kirche in Fritzlar. Mit Heiligenreliquien zog Carl in die Feldſchlacht: Miſſionarien begleiteten die Abtheilungen ſeines Heeres: ſeine Siege wurden mit Errichtung von Bisthü- mern gefeiert: die Taufe beſiegelte die Unterwerfung: Rück- fall in das Heidenthum war zugleich ein Staatsverbrechen. In der Kaiſerkrönung des alten Siegers liegt eine Vollen- dung aller dieſer Ereigniſſe. Ein Germane trat im natür- lichen Laufe der Dinge mit geordneter geſetzmäßiger Ge- walt an die Stelle der Cäſaren, an die Spitze eines gro- ßen Theiles der romaniſchen Welt: er nahm dem römi- ſchen Oberprieſter zur Seite auch für die geiſtlichen Ange- legenheiten eine erhabene Stellung ein; eine fränkiſche Sy- node hat ihn als den „Regenten der wahren Religion“ be- grüßt. Sein ganzer Staat empfieng nun eine durchaus geiſtlich-weltliche Farbe und Form. Wie Kaiſer und Papſt, ſo ſollten Biſchof und Graf vereinigt ſeyn. Die Archidia- conate, in welche die Bisthümer eingetheilt waren, fielen mit den Gauen wenn nicht allenthalben, doch in der Re- gel zuſammen. Wie die Grafſchaften in Centen, ſo waren die Archidiaconate in Decanate eingetheilt; ihre Sitze ſind verſchieden; in Hinſicht der Sprengel dagegen zeigt ſich eine auffallende Uebereinſtimmung. 1 Nach der Abſicht des Meiſters und Herrſchers ſollte nicht allein die weltliche Gewalt der geiſtlichen ihren Arm leihen, ſondern auch die geiſtliche mit ihrer Excommunication der weltlichen zu Hülfe kommen. Das große Reich gemahnt uns wie eine mäch- 1 Vgl. Wenck heſſiſche Landesgeſchichte II, 469.
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Einleitung.
ihn mit einem Angriff auf das altſächſiſche Heiligthum der
Irminſul; die Sachſen antworteten mit der Zerſtörung der
Kirche in Fritzlar. Mit Heiligenreliquien zog Carl in die
Feldſchlacht: Miſſionarien begleiteten die Abtheilungen ſeines
Heeres: ſeine Siege wurden mit Errichtung von Bisthü-
mern gefeiert: die Taufe beſiegelte die Unterwerfung: Rück-
fall in das Heidenthum war zugleich ein Staatsverbrechen.
In der Kaiſerkrönung des alten Siegers liegt eine Vollen-
dung aller dieſer Ereigniſſe. Ein Germane trat im natür-
lichen Laufe der Dinge mit geordneter geſetzmäßiger Ge-
walt an die Stelle der Cäſaren, an die Spitze eines gro-
ßen Theiles der romaniſchen Welt: er nahm dem römi-
ſchen Oberprieſter zur Seite auch für die geiſtlichen Ange-
legenheiten eine erhabene Stellung ein; eine fränkiſche Sy-
node hat ihn als den „Regenten der wahren Religion“ be-
grüßt. Sein ganzer Staat empfieng nun eine durchaus
geiſtlich-weltliche Farbe und Form. Wie Kaiſer und Papſt,
ſo ſollten Biſchof und Graf vereinigt ſeyn. Die Archidia-
conate, in welche die Bisthümer eingetheilt waren, fielen
mit den Gauen wenn nicht allenthalben, doch in der Re-
gel zuſammen. Wie die Grafſchaften in Centen, ſo waren
die Archidiaconate in Decanate eingetheilt; ihre Sitze ſind
verſchieden; in Hinſicht der Sprengel dagegen zeigt ſich eine
auffallende Uebereinſtimmung. 1 Nach der Abſicht des
Meiſters und Herrſchers ſollte nicht allein die weltliche
Gewalt der geiſtlichen ihren Arm leihen, ſondern auch die
geiſtliche mit ihrer Excommunication der weltlichen zu Hülfe
kommen. Das große Reich gemahnt uns wie eine mäch-
1 Vgl. Wenck heſſiſche Landesgeſchichte II, 469.
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