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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Carolingische Zeiten.
Carolingische Zeiten.

Es war einer der größten Momente der Weltgeschich[te]
als im Anfang des 8ten Jahrhunderts von der Einen Seite
her der Mahumetanismus nach Italien und Gallien, von
der anderen das altsächsische und friesische Heidenthum noch
einmal über den Rhein vordrang, in dieser Gefahr der
christlichen Institutionen aber sich ein germanischer junger
Fürst, Carl Martell zum Vorkämpfer derselben erhob, sie
mit alle der Anstrengung, zu welcher die Nothwendigkeit
der eignen Vertheidigung aufruft, behauptete, und darnach
aufs neue ausbreitete. Denn da der Inhaber der einzigen
Gewalt die sich in den romanischen Nationen noch be-
hauptete, der Papst zu Rom, sich an diesen Fürsten und
seine Nachfolger anschloß, von ihnen Hülfe empfieng, und
ihnen dagegen Begünstigungen der geistlichen Autorität zu
Theil werden ließ, so bildete sich von diesem Augenblick
an der kriegerisch-priesterliche Staat aus, welcher die Grund-
lage aller europäischen Entwickelung ist. Eroberung und
Christianisirung giengen seitdem Hand in Hand. "Als die
Herrschaft des ruhmreichen Carl," sagt die Lebensbeschrei-
bung des Bonifacius, "über die Friesen befestigt war, so
erscholl auch die Drommete des göttlichen Wortes." Man
könnte nicht sagen, ob die fränkische Herrschaft mehr dazu
beitrug, die Hessen und Thüringer zu bekehren, oder das
Christenthum mehr, diese Völker dem fränkischen Reiche
einzuverleiben. Der Krieg Carls des Großen wider die
Sachsen war zugleich ein Religionskrieg. Carl eröffnete

Carolingiſche Zeiten.
Carolingiſche Zeiten.

Es war einer der größten Momente der Weltgeſchich[te]
als im Anfang des 8ten Jahrhunderts von der Einen Seite
her der Mahumetanismus nach Italien und Gallien, von
der anderen das altſächſiſche und frieſiſche Heidenthum noch
einmal über den Rhein vordrang, in dieſer Gefahr der
chriſtlichen Inſtitutionen aber ſich ein germaniſcher junger
Fürſt, Carl Martell zum Vorkämpfer derſelben erhob, ſie
mit alle der Anſtrengung, zu welcher die Nothwendigkeit
der eignen Vertheidigung aufruft, behauptete, und darnach
aufs neue ausbreitete. Denn da der Inhaber der einzigen
Gewalt die ſich in den romaniſchen Nationen noch be-
hauptete, der Papſt zu Rom, ſich an dieſen Fürſten und
ſeine Nachfolger anſchloß, von ihnen Hülfe empfieng, und
ihnen dagegen Begünſtigungen der geiſtlichen Autorität zu
Theil werden ließ, ſo bildete ſich von dieſem Augenblick
an der kriegeriſch-prieſterliche Staat aus, welcher die Grund-
lage aller europäiſchen Entwickelung iſt. Eroberung und
Chriſtianiſirung giengen ſeitdem Hand in Hand. „Als die
Herrſchaft des ruhmreichen Carl,“ ſagt die Lebensbeſchrei-
bung des Bonifacius, „über die Frieſen befeſtigt war, ſo
erſcholl auch die Drommete des göttlichen Wortes.“ Man
könnte nicht ſagen, ob die fränkiſche Herrſchaft mehr dazu
beitrug, die Heſſen und Thüringer zu bekehren, oder das
Chriſtenthum mehr, dieſe Völker dem fränkiſchen Reiche
einzuverleiben. Der Krieg Carls des Großen wider die
Sachſen war zugleich ein Religionskrieg. Carl eröffnete

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[7/0025] Carolingiſche Zeiten. Carolingiſche Zeiten. Es war einer der größten Momente der Weltgeſchichte als im Anfang des 8ten Jahrhunderts von der Einen Seite her der Mahumetanismus nach Italien und Gallien, von der anderen das altſächſiſche und frieſiſche Heidenthum noch einmal über den Rhein vordrang, in dieſer Gefahr der chriſtlichen Inſtitutionen aber ſich ein germaniſcher junger Fürſt, Carl Martell zum Vorkämpfer derſelben erhob, ſie mit alle der Anſtrengung, zu welcher die Nothwendigkeit der eignen Vertheidigung aufruft, behauptete, und darnach aufs neue ausbreitete. Denn da der Inhaber der einzigen Gewalt die ſich in den romaniſchen Nationen noch be- hauptete, der Papſt zu Rom, ſich an dieſen Fürſten und ſeine Nachfolger anſchloß, von ihnen Hülfe empfieng, und ihnen dagegen Begünſtigungen der geiſtlichen Autorität zu Theil werden ließ, ſo bildete ſich von dieſem Augenblick an der kriegeriſch-prieſterliche Staat aus, welcher die Grund- lage aller europäiſchen Entwickelung iſt. Eroberung und Chriſtianiſirung giengen ſeitdem Hand in Hand. „Als die Herrſchaft des ruhmreichen Carl,“ ſagt die Lebensbeſchrei- bung des Bonifacius, „über die Frieſen befeſtigt war, ſo erſcholl auch die Drommete des göttlichen Wortes.“ Man könnte nicht ſagen, ob die fränkiſche Herrſchaft mehr dazu beitrug, die Heſſen und Thüringer zu bekehren, oder das Chriſtenthum mehr, dieſe Völker dem fränkiſchen Reiche einzuverleiben. Der Krieg Carls des Großen wider die Sachſen war zugleich ein Religionskrieg. Carl eröffnete

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/25>, abgerufen am 21.11.2024.