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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
Spiegelberg, die nicht allein sich selbst bildeten, sondern sich
auch das Verdienst erwarben, Bücher mitzubringen, gram-
matische Schriften, bessere Ausgaben von Classikern, und
diese ihren Freunden mittheilten. Dann erschien auch wohl
einmal ein Talent, das sich die classische Bildung jener Zeit
vollständig aneignete. Rudolf Huesmann von Gröningen,
genannt Agricola, ist ein solches: die Virtuosität, die er
sich erwarb, erregte ein allgemeines Aufsehen, wie ein Rö-
mer wie ein Virgil ward er in den Schulen bewundert. 1
Er selbst zwar hatte nur im Sinne, sich weiter auszubil-
den; die Mühseligkeiten der Schule waren ihm widerwär-
tig; in die engen Verhältnisse, die einem deutschen Gelehr-
ten zugemessen sind, konnte er sich nicht finden, und an-
dre, in die er eintrat, befriedigten ihn doch nicht, so daß
er sich rasch verzehrte und vor der Zeit starb; aber er hatte
Freunde, denen es nicht so schwer wurde sich in die Noth-
wendigkeiten des deutschen Lebens zu schicken, und denen
er mit lebendiger Anweisung zu Hülfe kam. In einer schö-
nen vertraulichen Freundschaft stand Agricola mit Hegius
in Deventer, der sich ihm mit bescheidner Lernbegierde an-
schloß, ihn um einzelne Belehrungen ersuchte und mit freu-
diger Theilnahme von ihm gefördert ward; einen andern
seiner Freunde Dringenberg zog er nach Schletstadt. 2
Von Deventer aus wurden dann die niederdeutschen Schu-
len, Münster, Hervord, Dortmund, Hamm, mit Lehrern
versehen und reformirt; die Städte des obern Deutsch-

1 Erasmi Adagia. Ad de cane et balneo.
2 Adami Vitae philosophorum p. 12 gedenkt dieses Brief-
wechsels, "unde tum ardor proficiendi, tum candor in communi-
cando elucet."

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
Spiegelberg, die nicht allein ſich ſelbſt bildeten, ſondern ſich
auch das Verdienſt erwarben, Bücher mitzubringen, gram-
matiſche Schriften, beſſere Ausgaben von Claſſikern, und
dieſe ihren Freunden mittheilten. Dann erſchien auch wohl
einmal ein Talent, das ſich die claſſiſche Bildung jener Zeit
vollſtändig aneignete. Rudolf Huesmann von Gröningen,
genannt Agricola, iſt ein ſolches: die Virtuoſität, die er
ſich erwarb, erregte ein allgemeines Aufſehen, wie ein Rö-
mer wie ein Virgil ward er in den Schulen bewundert. 1
Er ſelbſt zwar hatte nur im Sinne, ſich weiter auszubil-
den; die Mühſeligkeiten der Schule waren ihm widerwär-
tig; in die engen Verhältniſſe, die einem deutſchen Gelehr-
ten zugemeſſen ſind, konnte er ſich nicht finden, und an-
dre, in die er eintrat, befriedigten ihn doch nicht, ſo daß
er ſich raſch verzehrte und vor der Zeit ſtarb; aber er hatte
Freunde, denen es nicht ſo ſchwer wurde ſich in die Noth-
wendigkeiten des deutſchen Lebens zu ſchicken, und denen
er mit lebendiger Anweiſung zu Hülfe kam. In einer ſchö-
nen vertraulichen Freundſchaft ſtand Agricola mit Hegius
in Deventer, der ſich ihm mit beſcheidner Lernbegierde an-
ſchloß, ihn um einzelne Belehrungen erſuchte und mit freu-
diger Theilnahme von ihm gefördert ward; einen andern
ſeiner Freunde Dringenberg zog er nach Schletſtadt. 2
Von Deventer aus wurden dann die niederdeutſchen Schu-
len, Münſter, Hervord, Dortmund, Hamm, mit Lehrern
verſehen und reformirt; die Städte des obern Deutſch-

1 Erasmi Adagia. Ad de cane et balneo.
2 Adami Vitae philosophorum p. 12 gedenkt dieſes Brief-
wechſels, „unde tum ardor proficiendi, tum candor in communi-
cando elucet.“
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[262/0280] Zweites Buch. Erſtes Capitel. Spiegelberg, die nicht allein ſich ſelbſt bildeten, ſondern ſich auch das Verdienſt erwarben, Bücher mitzubringen, gram- matiſche Schriften, beſſere Ausgaben von Claſſikern, und dieſe ihren Freunden mittheilten. Dann erſchien auch wohl einmal ein Talent, das ſich die claſſiſche Bildung jener Zeit vollſtändig aneignete. Rudolf Huesmann von Gröningen, genannt Agricola, iſt ein ſolches: die Virtuoſität, die er ſich erwarb, erregte ein allgemeines Aufſehen, wie ein Rö- mer wie ein Virgil ward er in den Schulen bewundert. 1 Er ſelbſt zwar hatte nur im Sinne, ſich weiter auszubil- den; die Mühſeligkeiten der Schule waren ihm widerwär- tig; in die engen Verhältniſſe, die einem deutſchen Gelehr- ten zugemeſſen ſind, konnte er ſich nicht finden, und an- dre, in die er eintrat, befriedigten ihn doch nicht, ſo daß er ſich raſch verzehrte und vor der Zeit ſtarb; aber er hatte Freunde, denen es nicht ſo ſchwer wurde ſich in die Noth- wendigkeiten des deutſchen Lebens zu ſchicken, und denen er mit lebendiger Anweiſung zu Hülfe kam. In einer ſchö- nen vertraulichen Freundſchaft ſtand Agricola mit Hegius in Deventer, der ſich ihm mit beſcheidner Lernbegierde an- ſchloß, ihn um einzelne Belehrungen erſuchte und mit freu- diger Theilnahme von ihm gefördert ward; einen andern ſeiner Freunde Dringenberg zog er nach Schletſtadt. 2 Von Deventer aus wurden dann die niederdeutſchen Schu- len, Münſter, Hervord, Dortmund, Hamm, mit Lehrern verſehen und reformirt; die Städte des obern Deutſch- 1 Erasmi Adagia. Ad de cane et balneo. 2 Adami Vitae philosophorum p. 12 gedenkt dieſes Brief- wechſels, „unde tum ardor proficiendi, tum candor in communi- cando elucet.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/280>, abgerufen am 24.11.2024.