Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Erasmus. zänkischen Predigten; auch die Bischöfe greift sie hieraufan, die sich jetzt mehr nach Gold umsehen als nach den Seelen, die schon genug zu thun glauben, wenn sie in theatralischem Aufzug als die verehrungswürdigsten heilig- sten seligsten Väter segnen oder fluchen; kühnlich tastet sie endlich auch den römischen Hof und den Papst selber an, 1 er nehme für sich nur das Vergnügen und für sein Amt lasse er die Apostel Peter und Paul sorgen. Mitten unter den seltsamen Holzschnitten, mit denen Hans Holbein das Büchelchen ausgestattet, erscheint auch der Papst mit seiner dreifachen Krone. Ein Werkchen, das einen schon einige Zeit daher gäng Dem populären Angriffe setzte Erasmus aber auch 1 Morias egkomion. Opp. Erasmi T. III. Quasi sint ulli
hostes ecclesiae perniciosiores quam impii pontifices, qui et si- lentio Christum sinunt abolescere et quaestuariis legibus alli- gant et coactis interpretationihus adulterant et pestilente vita ju- gulant. Erasmus. zänkiſchen Predigten; auch die Biſchöfe greift ſie hieraufan, die ſich jetzt mehr nach Gold umſehen als nach den Seelen, die ſchon genug zu thun glauben, wenn ſie in theatraliſchem Aufzug als die verehrungswürdigſten heilig- ſten ſeligſten Väter ſegnen oder fluchen; kühnlich taſtet ſie endlich auch den römiſchen Hof und den Papſt ſelber an, 1 er nehme für ſich nur das Vergnügen und für ſein Amt laſſe er die Apoſtel Peter und Paul ſorgen. Mitten unter den ſeltſamen Holzſchnitten, mit denen Hans Holbein das Büchelchen ausgeſtattet, erſcheint auch der Papſt mit ſeiner dreifachen Krone. Ein Werkchen, das einen ſchon einige Zeit daher gäng Dem populären Angriffe ſetzte Erasmus aber auch 1 Μωϱίας ἐγκώμιον. Opp. Erasmi T. III. Quasi sint ulli
hostes ecclesiae perniciosiores quam impii pontifices, qui et si- lentio Christum sinunt abolescere et quaestuariis legibus alli- gant et coactis interpretationihus adulterant et pestilente vita ju- gulant. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0285" n="267"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erasmus</hi>.</fw><lb/> zänkiſchen Predigten; auch die Biſchöfe greift ſie hierauf<lb/> an, die ſich jetzt mehr nach Gold umſehen als nach den<lb/> Seelen, die ſchon genug zu thun glauben, wenn ſie in<lb/> theatraliſchem Aufzug als die verehrungswürdigſten heilig-<lb/> ſten ſeligſten Väter ſegnen oder fluchen; kühnlich taſtet ſie<lb/> endlich auch den römiſchen Hof und den Papſt ſelber an, <note place="foot" n="1">Μωϱίας ἐγκώμιον. <hi rendition="#aq">Opp. Erasmi T. III. Quasi sint ulli<lb/> hostes ecclesiae perniciosiores quam impii pontifices, qui et si-<lb/> lentio Christum sinunt abolescere et quaestuariis legibus alli-<lb/> gant et coactis interpretationihus adulterant et pestilente vita ju-<lb/> gulant</hi>.</note><lb/> er nehme für ſich nur das Vergnügen und für ſein Amt<lb/> laſſe er die Apoſtel Peter und Paul ſorgen. Mitten unter<lb/> den ſeltſamen Holzſchnitten, mit denen Hans Holbein das<lb/> Büchelchen ausgeſtattet, erſcheint auch der Papſt mit ſeiner<lb/> dreifachen Krone.</p><lb/> <p>Ein Werkchen, das einen ſchon einige Zeit daher gäng<lb/> und gebe gewordnen Stoff geiſtreich und gedrängt zuſam-<lb/> menfaßte, ihm eine Form gab, die allen Anſprüchen der<lb/> Bildung genügte, und in ſeiner entſchiednen Tendenz der<lb/> Stimmung der Epoche zuſagte: eine unbeſchreibliche Wir-<lb/> kung brachte es hervor; noch bei Lebzeiten des Erasmus<lb/> ſind 27 Auflagen davon erſchienen: in alle Sprachen iſt es<lb/> überſetzt worden: es hat weſentlich dazu beigetragen, den<lb/> Geiſt des Jahrhunderts in ſeiner anticlericaliſchen Rich-<lb/> tung zu befeſtigen.</p><lb/> <p>Dem populären Angriffe ſetzte Erasmus aber auch<lb/> einen gelehrten tieferen zur Seite. Das Studium des Grie-<lb/> chiſchen war im funfzehnten Jahrhundert in Italien er-<lb/> wacht, dem Latein zur Seite in Deutſchland und Frank-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [267/0285]
Erasmus.
zänkiſchen Predigten; auch die Biſchöfe greift ſie hierauf
an, die ſich jetzt mehr nach Gold umſehen als nach den
Seelen, die ſchon genug zu thun glauben, wenn ſie in
theatraliſchem Aufzug als die verehrungswürdigſten heilig-
ſten ſeligſten Väter ſegnen oder fluchen; kühnlich taſtet ſie
endlich auch den römiſchen Hof und den Papſt ſelber an, 1
er nehme für ſich nur das Vergnügen und für ſein Amt
laſſe er die Apoſtel Peter und Paul ſorgen. Mitten unter
den ſeltſamen Holzſchnitten, mit denen Hans Holbein das
Büchelchen ausgeſtattet, erſcheint auch der Papſt mit ſeiner
dreifachen Krone.
Ein Werkchen, das einen ſchon einige Zeit daher gäng
und gebe gewordnen Stoff geiſtreich und gedrängt zuſam-
menfaßte, ihm eine Form gab, die allen Anſprüchen der
Bildung genügte, und in ſeiner entſchiednen Tendenz der
Stimmung der Epoche zuſagte: eine unbeſchreibliche Wir-
kung brachte es hervor; noch bei Lebzeiten des Erasmus
ſind 27 Auflagen davon erſchienen: in alle Sprachen iſt es
überſetzt worden: es hat weſentlich dazu beigetragen, den
Geiſt des Jahrhunderts in ſeiner anticlericaliſchen Rich-
tung zu befeſtigen.
Dem populären Angriffe ſetzte Erasmus aber auch
einen gelehrten tieferen zur Seite. Das Studium des Grie-
chiſchen war im funfzehnten Jahrhundert in Italien er-
wacht, dem Latein zur Seite in Deutſchland und Frank-
1 Μωϱίας ἐγκώμιον. Opp. Erasmi T. III. Quasi sint ulli
hostes ecclesiae perniciosiores quam impii pontifices, qui et si-
lentio Christum sinunt abolescere et quaestuariis legibus alli-
gant et coactis interpretationihus adulterant et pestilente vita ju-
gulant.
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