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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
nißvollen Webens ausgedrückt; der Gottmensch hat sich
selbst das Wort genannt." 1 Da fassen gleich in ihrem
ersten Ursprung die Studien der Sprache in Deutschland
das letzte Ziel ins Auge, die Erkenntniß des geheimniß-
vollen Zusammenhanges der Sprache mit dem Göttlichen,
ihrer Identität mit dem Geiste. Reuchlin ist wie jene
Entdecker der neuen Welt, seine Zeitgenossen, welche bald
nach Norden bald nach Süden bald gradeaus nach We-
sten das Meer durchschneiden, die Küsten finden und be-
zeichnen, und dabei nicht selten indem sie einen Anfang
machen schon am Ziele zu seyn glauben. Reuchlin war
überzeugt daß er auf seinem Wege der platonischen und
aristotelischen Philosophie, die bereits wieder gefunden wor-
den, auch die pythagoreische hinzufüge, die aus dem He-
braismus entsprungen. Auf den Fußtapfen der Cabbala
glaubte er von Symbol zu Symbol, von Form zu Form
sich bis zu der letzten reinsten Form zu erheben, die das
Reich des Geistes beherrsche, in der sich die menschliche
Beweglichkeit dem Unbeweglich-Göttlichen nähere. 2

Indem er aber in diesen so idealen, abstracten Be-
strebungen lebte, mußte ihm begegnen, daß sich die Feind-
seligkeiten der scholastischen Partei grade gegen ihn wende-
ten; unerwartet sah er sich in die Mitte eines widerwär-
tigen Kampfes gezogen.

Wir berührten oben die inquisitorischen Bestrebungen
der Dominicaner von Cölln, ihre Feindseligkeiten gegen das
Judenthum. Im J. 1508 war von einem alten Rabbi-

1 Reuchlin de verbo mirifico II, 6. 15. III, 3. 19.
2 Reuchlin de arte cabbalistica p. 614. 620. 696.

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
nißvollen Webens ausgedrückt; der Gottmenſch hat ſich
ſelbſt das Wort genannt.“ 1 Da faſſen gleich in ihrem
erſten Urſprung die Studien der Sprache in Deutſchland
das letzte Ziel ins Auge, die Erkenntniß des geheimniß-
vollen Zuſammenhanges der Sprache mit dem Göttlichen,
ihrer Identität mit dem Geiſte. Reuchlin iſt wie jene
Entdecker der neuen Welt, ſeine Zeitgenoſſen, welche bald
nach Norden bald nach Süden bald gradeaus nach We-
ſten das Meer durchſchneiden, die Küſten finden und be-
zeichnen, und dabei nicht ſelten indem ſie einen Anfang
machen ſchon am Ziele zu ſeyn glauben. Reuchlin war
überzeugt daß er auf ſeinem Wege der platoniſchen und
ariſtoteliſchen Philoſophie, die bereits wieder gefunden wor-
den, auch die pythagoreiſche hinzufüge, die aus dem He-
braismus entſprungen. Auf den Fußtapfen der Cabbala
glaubte er von Symbol zu Symbol, von Form zu Form
ſich bis zu der letzten reinſten Form zu erheben, die das
Reich des Geiſtes beherrſche, in der ſich die menſchliche
Beweglichkeit dem Unbeweglich-Göttlichen nähere. 2

Indem er aber in dieſen ſo idealen, abſtracten Be-
ſtrebungen lebte, mußte ihm begegnen, daß ſich die Feind-
ſeligkeiten der ſcholaſtiſchen Partei grade gegen ihn wende-
ten; unerwartet ſah er ſich in die Mitte eines widerwär-
tigen Kampfes gezogen.

Wir berührten oben die inquiſitoriſchen Beſtrebungen
der Dominicaner von Cölln, ihre Feindſeligkeiten gegen das
Judenthum. Im J. 1508 war von einem alten Rabbi-

1 Reuchlin de verbo mirifico II, 6. 15. III, 3. 19.
2 Reuchlin de arte cabbalistica p. 614. 620. 696.
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[276/0294] Zweites Buch. Erſtes Capitel. nißvollen Webens ausgedrückt; der Gottmenſch hat ſich ſelbſt das Wort genannt.“ 1 Da faſſen gleich in ihrem erſten Urſprung die Studien der Sprache in Deutſchland das letzte Ziel ins Auge, die Erkenntniß des geheimniß- vollen Zuſammenhanges der Sprache mit dem Göttlichen, ihrer Identität mit dem Geiſte. Reuchlin iſt wie jene Entdecker der neuen Welt, ſeine Zeitgenoſſen, welche bald nach Norden bald nach Süden bald gradeaus nach We- ſten das Meer durchſchneiden, die Küſten finden und be- zeichnen, und dabei nicht ſelten indem ſie einen Anfang machen ſchon am Ziele zu ſeyn glauben. Reuchlin war überzeugt daß er auf ſeinem Wege der platoniſchen und ariſtoteliſchen Philoſophie, die bereits wieder gefunden wor- den, auch die pythagoreiſche hinzufüge, die aus dem He- braismus entſprungen. Auf den Fußtapfen der Cabbala glaubte er von Symbol zu Symbol, von Form zu Form ſich bis zu der letzten reinſten Form zu erheben, die das Reich des Geiſtes beherrſche, in der ſich die menſchliche Beweglichkeit dem Unbeweglich-Göttlichen nähere. 2 Indem er aber in dieſen ſo idealen, abſtracten Be- ſtrebungen lebte, mußte ihm begegnen, daß ſich die Feind- ſeligkeiten der ſcholaſtiſchen Partei grade gegen ihn wende- ten; unerwartet ſah er ſich in die Mitte eines widerwär- tigen Kampfes gezogen. Wir berührten oben die inquiſitoriſchen Beſtrebungen der Dominicaner von Cölln, ihre Feindſeligkeiten gegen das Judenthum. Im J. 1508 war von einem alten Rabbi- 1 Reuchlin de verbo mirifico II, 6. 15. III, 3. 19. 2 Reuchlin de arte cabbalistica p. 614. 620. 696.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/294>, abgerufen am 23.11.2024.