Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Erstes Capitel. Provinz, so vor allem die Mitglieder der Universität. EineZeitlang hielt Jodocus Trutvetter von Eisenach die üb- lichen Vorstellungen aufrecht; aber nach dessen Abgang im Jahr 1513 war Luther der Geist der die Schule beherrschte. Seine nächsten Collegen, Peter Lupinus und Andreas Carl- stadt, die ihm noch eine Weile Widerstand geleistet, bekann- ten sich endlich durch die Aussprüche Augustins und die Lehren der Schrift, die auf ihn selbst einen so großen Ein- druck gemacht, bezwungen und überzeugt; sie wurden bei- nahe eifriger als Luther selbst. Welch eine ganz andre Richtung empfieng hiedurch diese Universität, als in der sich die übrigen zu bewegen fortfuhren. Die Theologie selbst, und zwar lediglich in Folge einer innern Entwicke- lung schloß sich an die Forderungen an, welche von der allgemeinen Literatur aus gemacht worden. Hier setzte man sich den Theologen von dem alten und von dem neuen Wege, den Nominalisten und den Realisten, hauptsächlich aber der herrschenden thomistisch-dominicanischen Lehre entgegen, und wandte sich an die Schrift und die Kirchenväter, eben wie Erasmus forderte, obwohl von einem bei weitem po- sitivern Prinzip aus: für Vorlesungen im alten Sinne fan- den sich in Kurzem keine Zuhörer mehr. So stand es in Wittenberg, als Verkündiger päpstli- Denn von keiner Seite her hätte man jetzt zu Rom An
Zweites Buch. Erſtes Capitel. Provinz, ſo vor allem die Mitglieder der Univerſität. EineZeitlang hielt Jodocus Trutvetter von Eiſenach die üb- lichen Vorſtellungen aufrecht; aber nach deſſen Abgang im Jahr 1513 war Luther der Geiſt der die Schule beherrſchte. Seine nächſten Collegen, Peter Lupinus und Andreas Carl- ſtadt, die ihm noch eine Weile Widerſtand geleiſtet, bekann- ten ſich endlich durch die Ausſprüche Auguſtins und die Lehren der Schrift, die auf ihn ſelbſt einen ſo großen Ein- druck gemacht, bezwungen und überzeugt; ſie wurden bei- nahe eifriger als Luther ſelbſt. Welch eine ganz andre Richtung empfieng hiedurch dieſe Univerſität, als in der ſich die übrigen zu bewegen fortfuhren. Die Theologie ſelbſt, und zwar lediglich in Folge einer innern Entwicke- lung ſchloß ſich an die Forderungen an, welche von der allgemeinen Literatur aus gemacht worden. Hier ſetzte man ſich den Theologen von dem alten und von dem neuen Wege, den Nominaliſten und den Realiſten, hauptſächlich aber der herrſchenden thomiſtiſch-dominicaniſchen Lehre entgegen, und wandte ſich an die Schrift und die Kirchenväter, eben wie Erasmus forderte, obwohl von einem bei weitem po- ſitivern Prinzip aus: für Vorleſungen im alten Sinne fan- den ſich in Kurzem keine Zuhörer mehr. So ſtand es in Wittenberg, als Verkündiger päpſtli- Denn von keiner Seite her hätte man jetzt zu Rom An
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0322" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> Provinz, ſo vor allem die Mitglieder der Univerſität. Eine<lb/> Zeitlang hielt Jodocus Trutvetter von Eiſenach die üb-<lb/> lichen Vorſtellungen aufrecht; aber nach deſſen Abgang im<lb/> Jahr 1513 war Luther der Geiſt der die Schule beherrſchte.<lb/> Seine nächſten Collegen, Peter Lupinus und Andreas Carl-<lb/> ſtadt, die ihm noch eine Weile Widerſtand geleiſtet, bekann-<lb/> ten ſich endlich durch die Ausſprüche Auguſtins und die<lb/> Lehren der Schrift, die auf ihn ſelbſt einen ſo großen Ein-<lb/> druck gemacht, bezwungen und überzeugt; ſie wurden bei-<lb/> nahe eifriger als Luther ſelbſt. Welch eine ganz andre<lb/> Richtung empfieng hiedurch dieſe Univerſität, als in der<lb/> ſich die übrigen zu bewegen fortfuhren. Die Theologie<lb/> ſelbſt, und zwar lediglich in Folge einer innern Entwicke-<lb/> lung ſchloß ſich an die Forderungen an, welche von der<lb/> allgemeinen Literatur aus gemacht worden. Hier ſetzte man<lb/> ſich den Theologen von dem alten und von dem neuen Wege,<lb/> den Nominaliſten und den Realiſten, hauptſächlich aber der<lb/> herrſchenden thomiſtiſch-dominicaniſchen Lehre entgegen, und<lb/> wandte ſich an die Schrift und die Kirchenväter, eben<lb/> wie Erasmus forderte, obwohl von einem bei weitem po-<lb/> ſitivern Prinzip aus: für Vorleſungen im alten Sinne fan-<lb/> den ſich in Kurzem keine Zuhörer mehr.</p><lb/> <p>So ſtand es in Wittenberg, als Verkündiger päpſtli-<lb/> cher Indulgenzen in den Elbgegenden erſchienen: mit Be-<lb/> fugniſſen, wie ſie nie erhört worden, die aber Papſt Leo <hi rendition="#aq">X</hi><lb/> in der Lage der Dinge in der er ſich befand, zu ertheilen<lb/> kein Bedenken getragen.</p><lb/> <p>Denn von keiner Seite her hätte man jetzt zu Rom<lb/> eine bedeutende kirchliche Oppoſition befürchtet.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">An</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [304/0322]
Zweites Buch. Erſtes Capitel.
Provinz, ſo vor allem die Mitglieder der Univerſität. Eine
Zeitlang hielt Jodocus Trutvetter von Eiſenach die üb-
lichen Vorſtellungen aufrecht; aber nach deſſen Abgang im
Jahr 1513 war Luther der Geiſt der die Schule beherrſchte.
Seine nächſten Collegen, Peter Lupinus und Andreas Carl-
ſtadt, die ihm noch eine Weile Widerſtand geleiſtet, bekann-
ten ſich endlich durch die Ausſprüche Auguſtins und die
Lehren der Schrift, die auf ihn ſelbſt einen ſo großen Ein-
druck gemacht, bezwungen und überzeugt; ſie wurden bei-
nahe eifriger als Luther ſelbſt. Welch eine ganz andre
Richtung empfieng hiedurch dieſe Univerſität, als in der
ſich die übrigen zu bewegen fortfuhren. Die Theologie
ſelbſt, und zwar lediglich in Folge einer innern Entwicke-
lung ſchloß ſich an die Forderungen an, welche von der
allgemeinen Literatur aus gemacht worden. Hier ſetzte man
ſich den Theologen von dem alten und von dem neuen Wege,
den Nominaliſten und den Realiſten, hauptſächlich aber der
herrſchenden thomiſtiſch-dominicaniſchen Lehre entgegen, und
wandte ſich an die Schrift und die Kirchenväter, eben
wie Erasmus forderte, obwohl von einem bei weitem po-
ſitivern Prinzip aus: für Vorleſungen im alten Sinne fan-
den ſich in Kurzem keine Zuhörer mehr.
So ſtand es in Wittenberg, als Verkündiger päpſtli-
cher Indulgenzen in den Elbgegenden erſchienen: mit Be-
fugniſſen, wie ſie nie erhört worden, die aber Papſt Leo X
in der Lage der Dinge in der er ſich befand, zu ertheilen
kein Bedenken getragen.
Denn von keiner Seite her hätte man jetzt zu Rom
eine bedeutende kirchliche Oppoſition befürchtet.
An
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |