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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Der päpstliche Hof.

An die Stelle jenes Pisanischen Conciliums war ein
andres an den Lateran berufen worden; in welchem nichts
als Devotion gegen den römischen Stuhl wahrgenommen
ward, die Lehre von der Omnipotenz desselben völlig die
Oberhand behielt.

Früher hatte das Cardinalcollegium öfter den Versuch
gemacht, das Papstthum einzuschränken, es zu behandeln
wie deutsche Capitel ihr Bisthum behandelten: man hatte
Leo gewählt, weil man hoffte er werde sich das gefal-
len lassen. Aber wie ganz anders kam das! Eben die
Beförderer seiner Wahl ließ Leo seine Gewalt am streng-
sten fühlen. Sie geriethen hierüber in eine unglaubliche
Wuth. Cardinal Alfonso Petrucci ist ein Paar mal mit
dem Dolch unter dem Purpur in dem Collegium erschie-
nen: er würde den Papst getödtet haben, wenn ihn nicht
die Betrachtung zurückgehalten hätte, was die Welt sagen
würde wenn ein Papst von einem Cardinal ermordet werde.
Indem er es aus dieser Standesrücksicht für rathsamer
hielt, einen andern, nicht so tumultuarischen Weg einzu-
schlagen, sich des Papstes mit Gift zu entledigen, hiezu
aber Freunde brauchte, Einverstandene unter den Cardinä-
len, Gehülfen im Pallast, so geschah ihm daß er verrathen
wurde. 1 Was waren das für stürmische Consistorien die
auf diese Entdeckung folgten! Von außen, sagt der Ceri-
monienmeister, hörte man lautes Geschrei, des Papstes ge-

1 Alle etwanigen Zweifel an der Realität dieser Verschwörung
werden gehoben, wenn man die Rede liest, welche Bandinelli bei sei-
ner Begnadigung hielt, worin er bekennt, qualiter ipse conspira-
rat cum Francisco Maria, -- -- et cum Alfonso Petrutio machina-
tus erat in mortem sanctitatis vestrae praeparando venena etc. etc.
Ranke d. Gesch. I. 20
Der paͤpſtliche Hof.

An die Stelle jenes Piſaniſchen Conciliums war ein
andres an den Lateran berufen worden; in welchem nichts
als Devotion gegen den römiſchen Stuhl wahrgenommen
ward, die Lehre von der Omnipotenz deſſelben völlig die
Oberhand behielt.

Früher hatte das Cardinalcollegium öfter den Verſuch
gemacht, das Papſtthum einzuſchränken, es zu behandeln
wie deutſche Capitel ihr Bisthum behandelten: man hatte
Leo gewählt, weil man hoffte er werde ſich das gefal-
len laſſen. Aber wie ganz anders kam das! Eben die
Beförderer ſeiner Wahl ließ Leo ſeine Gewalt am ſtreng-
ſten fühlen. Sie geriethen hierüber in eine unglaubliche
Wuth. Cardinal Alfonſo Petrucci iſt ein Paar mal mit
dem Dolch unter dem Purpur in dem Collegium erſchie-
nen: er würde den Papſt getödtet haben, wenn ihn nicht
die Betrachtung zurückgehalten hätte, was die Welt ſagen
würde wenn ein Papſt von einem Cardinal ermordet werde.
Indem er es aus dieſer Standesrückſicht für rathſamer
hielt, einen andern, nicht ſo tumultuariſchen Weg einzu-
ſchlagen, ſich des Papſtes mit Gift zu entledigen, hiezu
aber Freunde brauchte, Einverſtandene unter den Cardinä-
len, Gehülfen im Pallaſt, ſo geſchah ihm daß er verrathen
wurde. 1 Was waren das für ſtürmiſche Conſiſtorien die
auf dieſe Entdeckung folgten! Von außen, ſagt der Ceri-
monienmeiſter, hörte man lautes Geſchrei, des Papſtes ge-

1 Alle etwanigen Zweifel an der Realitaͤt dieſer Verſchwoͤrung
werden gehoben, wenn man die Rede lieſt, welche Bandinelli bei ſei-
ner Begnadigung hielt, worin er bekennt, qualiter ipse conspira-
rat cum Francisco Maria, — — et cum Alfonso Petrutio machina-
tus erat in mortem sanctitatis vestrae praeparando venena etc. etc.
Ranke d. Geſch. I. 20
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[305/0323] Der paͤpſtliche Hof. An die Stelle jenes Piſaniſchen Conciliums war ein andres an den Lateran berufen worden; in welchem nichts als Devotion gegen den römiſchen Stuhl wahrgenommen ward, die Lehre von der Omnipotenz deſſelben völlig die Oberhand behielt. Früher hatte das Cardinalcollegium öfter den Verſuch gemacht, das Papſtthum einzuſchränken, es zu behandeln wie deutſche Capitel ihr Bisthum behandelten: man hatte Leo gewählt, weil man hoffte er werde ſich das gefal- len laſſen. Aber wie ganz anders kam das! Eben die Beförderer ſeiner Wahl ließ Leo ſeine Gewalt am ſtreng- ſten fühlen. Sie geriethen hierüber in eine unglaubliche Wuth. Cardinal Alfonſo Petrucci iſt ein Paar mal mit dem Dolch unter dem Purpur in dem Collegium erſchie- nen: er würde den Papſt getödtet haben, wenn ihn nicht die Betrachtung zurückgehalten hätte, was die Welt ſagen würde wenn ein Papſt von einem Cardinal ermordet werde. Indem er es aus dieſer Standesrückſicht für rathſamer hielt, einen andern, nicht ſo tumultuariſchen Weg einzu- ſchlagen, ſich des Papſtes mit Gift zu entledigen, hiezu aber Freunde brauchte, Einverſtandene unter den Cardinä- len, Gehülfen im Pallaſt, ſo geſchah ihm daß er verrathen wurde. 1 Was waren das für ſtürmiſche Conſiſtorien die auf dieſe Entdeckung folgten! Von außen, ſagt der Ceri- monienmeiſter, hörte man lautes Geſchrei, des Papſtes ge- 1 Alle etwanigen Zweifel an der Realitaͤt dieſer Verſchwoͤrung werden gehoben, wenn man die Rede lieſt, welche Bandinelli bei ſei- ner Begnadigung hielt, worin er bekennt, qualiter ipse conspira- rat cum Francisco Maria, — — et cum Alfonso Petrutio machina- tus erat in mortem sanctitatis vestrae praeparando venena etc. etc. Ranke d. Geſch. I. 20

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/323>, abgerufen am 22.11.2024.