len plündernd in das Lüneburgische Gebiet. Auf ihrem Weg sah man auf einmal funfzig Dörfer brennen, sie schon- ten keine Kirche: an ihres Vetters Schloß zerstörten sie das eigne welfische Wappen: reiche Beute führten sie mit sich fort. "Sie waren von stolzem Muthe," sagt ein gleich- zeitiges Lied, "sie hatten Silber und rothes Gold: giengen in Sammt mit goldnen Ketten: sie führten zweitausend Wagen mit sich." Höhnisch forderten sie den Herzog von Lüneburg zur Schlacht heraus; der wartete noch immer auf ihm von Geldern zugesagte Hülfe.
Hatten die Franzosen durch die Begünstigung des in- nern Krieges ihre Zwecke zu befördern gedacht, so sahen sie sich vollkommen getäuscht. Diese Fehden nahmen, und zwar in den entscheidenden Momenten, eine Wendung zu Gunsten Östreichs.
Denn eben unter diesen Eindrücken erneuerten nun die Bevollmächtigten ihre Unterhandlungen mit den Churfür- sten auf das eifrigste.
Gegen Ende April war ein spanischer Geschäftsträger eingetroffen, der dem Erzbischof von Mainz die Gewährung aller Forderungen überbrachte, die er aufgestellt hatte. Sehr merkwürdige Zugeständnisse wurden ihm gemacht: volle Gewalt über die Reichscanzlei; der kaiserliche Schutz in den Streitsachen des Stiftes mit Sachsen über Erfurt, mit Hessen über einen neuen Zoll; Fürsprache bei dem Papst, daß er auch noch ein viertes Bisthum in Deutsch- land annehmen dürfen, ja sogar Legat des apostolischen Stuhles im Reiche werden solle. Überdieß wurden die ihm zugesagten Jahrgelder durch besondre Verschreibun-
Ranke d. Gesch. I. 24
Kaiſerwahl von 1519.
len plündernd in das Lüneburgiſche Gebiet. Auf ihrem Weg ſah man auf einmal funfzig Dörfer brennen, ſie ſchon- ten keine Kirche: an ihres Vetters Schloß zerſtörten ſie das eigne welfiſche Wappen: reiche Beute führten ſie mit ſich fort. „Sie waren von ſtolzem Muthe,“ ſagt ein gleich- zeitiges Lied, „ſie hatten Silber und rothes Gold: giengen in Sammt mit goldnen Ketten: ſie führten zweitauſend Wagen mit ſich.“ Höhniſch forderten ſie den Herzog von Lüneburg zur Schlacht heraus; der wartete noch immer auf ihm von Geldern zugeſagte Hülfe.
Hatten die Franzoſen durch die Begünſtigung des in- nern Krieges ihre Zwecke zu befördern gedacht, ſo ſahen ſie ſich vollkommen getäuſcht. Dieſe Fehden nahmen, und zwar in den entſcheidenden Momenten, eine Wendung zu Gunſten Öſtreichs.
Denn eben unter dieſen Eindrücken erneuerten nun die Bevollmächtigten ihre Unterhandlungen mit den Churfür- ſten auf das eifrigſte.
Gegen Ende April war ein ſpaniſcher Geſchäftsträger eingetroffen, der dem Erzbiſchof von Mainz die Gewährung aller Forderungen überbrachte, die er aufgeſtellt hatte. Sehr merkwürdige Zugeſtändniſſe wurden ihm gemacht: volle Gewalt über die Reichscanzlei; der kaiſerliche Schutz in den Streitſachen des Stiftes mit Sachſen über Erfurt, mit Heſſen über einen neuen Zoll; Fürſprache bei dem Papſt, daß er auch noch ein viertes Bisthum in Deutſch- land annehmen dürfen, ja ſogar Legat des apoſtoliſchen Stuhles im Reiche werden ſolle. Überdieß wurden die ihm zugeſagten Jahrgelder durch beſondre Verſchreibun-
Ranke d. Geſch. I. 24
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Kaiſerwahl von 1519.
len plündernd in das Lüneburgiſche Gebiet. Auf ihrem
Weg ſah man auf einmal funfzig Dörfer brennen, ſie ſchon-
ten keine Kirche: an ihres Vetters Schloß zerſtörten ſie
das eigne welfiſche Wappen: reiche Beute führten ſie mit
ſich fort. „Sie waren von ſtolzem Muthe,“ ſagt ein gleich-
zeitiges Lied, „ſie hatten Silber und rothes Gold: giengen
in Sammt mit goldnen Ketten: ſie führten zweitauſend
Wagen mit ſich.“ Höhniſch forderten ſie den Herzog von
Lüneburg zur Schlacht heraus; der wartete noch immer
auf ihm von Geldern zugeſagte Hülfe.
Hatten die Franzoſen durch die Begünſtigung des in-
nern Krieges ihre Zwecke zu befördern gedacht, ſo ſahen
ſie ſich vollkommen getäuſcht. Dieſe Fehden nahmen, und
zwar in den entſcheidenden Momenten, eine Wendung zu
Gunſten Öſtreichs.
Denn eben unter dieſen Eindrücken erneuerten nun die
Bevollmächtigten ihre Unterhandlungen mit den Churfür-
ſten auf das eifrigſte.
Gegen Ende April war ein ſpaniſcher Geſchäftsträger
eingetroffen, der dem Erzbiſchof von Mainz die Gewährung
aller Forderungen überbrachte, die er aufgeſtellt hatte. Sehr
merkwürdige Zugeſtändniſſe wurden ihm gemacht: volle
Gewalt über die Reichscanzlei; der kaiſerliche Schutz in
den Streitſachen des Stiftes mit Sachſen über Erfurt,
mit Heſſen über einen neuen Zoll; Fürſprache bei dem
Papſt, daß er auch noch ein viertes Bisthum in Deutſch-
land annehmen dürfen, ja ſogar Legat des apoſtoliſchen
Stuhles im Reiche werden ſolle. Überdieß wurden die
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/387>, abgerufen am 25.06.2024.
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