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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Kaiserwahl von 1519.

Wohl hatte der König von Böhmen anfangs daran
gedacht, jene Verschreibungen Maximilians geltend zu ma-
chen, und deshalb seine Gesandten nach Italien geschickt.
Allein er sah nur zu bald, wie wenig er zu erwarten habe.
Hierauf entschloß er sich, das Haus Östreich zu begünsti-
gen, mit welchem er in so enge verwandtschaftliche Bande
treten sollte. Vielleicht trug dazu bei, daß ein Bruder des
Markgrafen Georg von Brandenburg, der an diesem Hofe
viel vermochte, Johann, mit der Witwe Ferdinands des
Katholischen vermählt und zum Vicekönig von Valencia
ernannt ward. 1 So blieben nur noch Trier Brandenburg
und Sachsen übrig, und die östreichischen Bevollmächtigten
ließen es an Eifer nicht fehlen, auch diese herbeizuziehn.

Bei Trier war alles vergeblich; auch Joachim I ließ
sich nicht viel abgewinnen: er hieng der großen Hofnung
nach, die in ihm erweckt worden war.

Um so mehr kam auf Dessen Stimme an, den Öst-
reich zuletzt so mannichfaltig verletzt, den auch die Räthe
bis jetzt für ihren größten Gegner gehalten hatten, auf
Friedrich von Sachsen. 2 Da man die böhmische Stimme
im Reiche nicht hoch anschlug, wie denn z. B. noch die
letzte Wahl ohne Böhmen vollzogen worden, so war die
Stimme von Sachsen schon zur Bildung einer allgemein
anerkannten Majorität nothwendig. Die Weigerung des
Churfürsten, an den Verträgen zu Augsburg Theil zu neh-
men, die als sie bekannt wurden viel Mißbilligung in der

1 Schreiben Carls an Casimir hierüber 6 März 1519 bei
Spieß: Brandenburgische Münzbelustigungen I, p. 389.
2 Marnix, an Marg. 16 März, leitet die ungünstige Stimmung
von Böhmen unter andern auch von Sachsen her: Mone p. 131.
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Kaiſerwahl von 1519.

Wohl hatte der König von Böhmen anfangs daran
gedacht, jene Verſchreibungen Maximilians geltend zu ma-
chen, und deshalb ſeine Geſandten nach Italien geſchickt.
Allein er ſah nur zu bald, wie wenig er zu erwarten habe.
Hierauf entſchloß er ſich, das Haus Öſtreich zu begünſti-
gen, mit welchem er in ſo enge verwandtſchaftliche Bande
treten ſollte. Vielleicht trug dazu bei, daß ein Bruder des
Markgrafen Georg von Brandenburg, der an dieſem Hofe
viel vermochte, Johann, mit der Witwe Ferdinands des
Katholiſchen vermählt und zum Vicekönig von Valencia
ernannt ward. 1 So blieben nur noch Trier Brandenburg
und Sachſen übrig, und die öſtreichiſchen Bevollmächtigten
ließen es an Eifer nicht fehlen, auch dieſe herbeizuziehn.

Bei Trier war alles vergeblich; auch Joachim I ließ
ſich nicht viel abgewinnen: er hieng der großen Hofnung
nach, die in ihm erweckt worden war.

Um ſo mehr kam auf Deſſen Stimme an, den Öſt-
reich zuletzt ſo mannichfaltig verletzt, den auch die Räthe
bis jetzt für ihren größten Gegner gehalten hatten, auf
Friedrich von Sachſen. 2 Da man die böhmiſche Stimme
im Reiche nicht hoch anſchlug, wie denn z. B. noch die
letzte Wahl ohne Böhmen vollzogen worden, ſo war die
Stimme von Sachſen ſchon zur Bildung einer allgemein
anerkannten Majorität nothwendig. Die Weigerung des
Churfürſten, an den Verträgen zu Augsburg Theil zu neh-
men, die als ſie bekannt wurden viel Mißbilligung in der

1 Schreiben Carls an Caſimir hieruͤber 6 Maͤrz 1519 bei
Spieß: Brandenburgiſche Muͤnzbeluſtigungen I, p. 389.
2 Marnix, an Marg. 16 Maͤrz, leitet die unguͤnſtige Stimmung
von Boͤhmen unter andern auch von Sachſen her: Mone p. 131.
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[371/0389] Kaiſerwahl von 1519. Wohl hatte der König von Böhmen anfangs daran gedacht, jene Verſchreibungen Maximilians geltend zu ma- chen, und deshalb ſeine Geſandten nach Italien geſchickt. Allein er ſah nur zu bald, wie wenig er zu erwarten habe. Hierauf entſchloß er ſich, das Haus Öſtreich zu begünſti- gen, mit welchem er in ſo enge verwandtſchaftliche Bande treten ſollte. Vielleicht trug dazu bei, daß ein Bruder des Markgrafen Georg von Brandenburg, der an dieſem Hofe viel vermochte, Johann, mit der Witwe Ferdinands des Katholiſchen vermählt und zum Vicekönig von Valencia ernannt ward. 1 So blieben nur noch Trier Brandenburg und Sachſen übrig, und die öſtreichiſchen Bevollmächtigten ließen es an Eifer nicht fehlen, auch dieſe herbeizuziehn. Bei Trier war alles vergeblich; auch Joachim I ließ ſich nicht viel abgewinnen: er hieng der großen Hofnung nach, die in ihm erweckt worden war. Um ſo mehr kam auf Deſſen Stimme an, den Öſt- reich zuletzt ſo mannichfaltig verletzt, den auch die Räthe bis jetzt für ihren größten Gegner gehalten hatten, auf Friedrich von Sachſen. 2 Da man die böhmiſche Stimme im Reiche nicht hoch anſchlug, wie denn z. B. noch die letzte Wahl ohne Böhmen vollzogen worden, ſo war die Stimme von Sachſen ſchon zur Bildung einer allgemein anerkannten Majorität nothwendig. Die Weigerung des Churfürſten, an den Verträgen zu Augsburg Theil zu neh- men, die als ſie bekannt wurden viel Mißbilligung in der 1 Schreiben Carls an Caſimir hieruͤber 6 Maͤrz 1519 bei Spieß: Brandenburgiſche Muͤnzbeluſtigungen I, p. 389. 2 Marnix, an Marg. 16 Maͤrz, leitet die unguͤnſtige Stimmung von Boͤhmen unter andern auch von Sachſen her: Mone p. 131. 24*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/389>, abgerufen am 22.11.2024.