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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Anfang der neuen Regierung.
die Wahl als einen Sieg der östreichischen Partei und such-
ten ihn zum Vortheil derselben zu benutzen.

Das war nun nicht die Meinung der Churfürsten ge-
wesen, am wenigsten Friedrichs von Sachsen; sie hatten
vielmehr sogleich daran gedacht, eine gleichmäßige vorzugs-
weise ständische Verwaltung einzuführen: einen Reichstag
auszuschreiben, ein Regiment zu ernennen. Am Hofe in
Spanien schien man dieß von ganzem Herzen zu billi-
gen: es lief ein Schreiben ein, worin Churfürst Friedrich
zum Statthalter des Regiments ernannt ward; er ward
auch außerdem um seinen guten Rath in den Geschäften
ersucht. Allein die Commissarien hielten es nicht für gut,
einen Reichstag zu berufen, geschweige denn ein Regiment
zu ernennen. Sie hüteten sich wohl, den Churfürsten um
Rath zu fragen: das Diplom jener Ernennung behielten
sie an sich. Sie wollten keine ständischen Einwirkungen,
so wenig jetzt wie unter Maximilian, sie wollten die Summe
der Geschäfte in ihrer Hand behalten.

Man dürfte sich darüber nicht verwundern. Sie hiel-
ten die Gesichtspuncte fest, die unter Maximilian gäng und
gebe geworden: sie sahen die neue Regierung als eine Fort-
setzung der alten an.

Da mußte man nun doppelt gespannt seyn, wie der
junge Fürst, wenn er in Deutschland erschiene, und dessen
nähere Umgebung die Sachen auffassen und angreifen wür-
den. Nach seiner Weltlage ließ sich wohl eine großarti-
gere Ansicht erwarten: alle seine Briefe gaben das zu er-
kennen. Namentlich dem Churfürsten Friedrich schrieb er,
er solle spüren daß er seine Stimme dem allerdankbarsten

Anfang der neuen Regierung.
die Wahl als einen Sieg der öſtreichiſchen Partei und ſuch-
ten ihn zum Vortheil derſelben zu benutzen.

Das war nun nicht die Meinung der Churfürſten ge-
weſen, am wenigſten Friedrichs von Sachſen; ſie hatten
vielmehr ſogleich daran gedacht, eine gleichmäßige vorzugs-
weiſe ſtändiſche Verwaltung einzuführen: einen Reichstag
auszuſchreiben, ein Regiment zu ernennen. Am Hofe in
Spanien ſchien man dieß von ganzem Herzen zu billi-
gen: es lief ein Schreiben ein, worin Churfürſt Friedrich
zum Statthalter des Regiments ernannt ward; er ward
auch außerdem um ſeinen guten Rath in den Geſchäften
erſucht. Allein die Commiſſarien hielten es nicht für gut,
einen Reichstag zu berufen, geſchweige denn ein Regiment
zu ernennen. Sie hüteten ſich wohl, den Churfürſten um
Rath zu fragen: das Diplom jener Ernennung behielten
ſie an ſich. Sie wollten keine ſtändiſchen Einwirkungen,
ſo wenig jetzt wie unter Maximilian, ſie wollten die Summe
der Geſchäfte in ihrer Hand behalten.

Man dürfte ſich darüber nicht verwundern. Sie hiel-
ten die Geſichtspuncte feſt, die unter Maximilian gäng und
gebe geworden: ſie ſahen die neue Regierung als eine Fort-
ſetzung der alten an.

Da mußte man nun doppelt geſpannt ſeyn, wie der
junge Fürſt, wenn er in Deutſchland erſchiene, und deſſen
nähere Umgebung die Sachen auffaſſen und angreifen wür-
den. Nach ſeiner Weltlage ließ ſich wohl eine großarti-
gere Anſicht erwarten: alle ſeine Briefe gaben das zu er-
kennen. Namentlich dem Churfürſten Friedrich ſchrieb er,
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[381/0399] Anfang der neuen Regierung. die Wahl als einen Sieg der öſtreichiſchen Partei und ſuch- ten ihn zum Vortheil derſelben zu benutzen. Das war nun nicht die Meinung der Churfürſten ge- weſen, am wenigſten Friedrichs von Sachſen; ſie hatten vielmehr ſogleich daran gedacht, eine gleichmäßige vorzugs- weiſe ſtändiſche Verwaltung einzuführen: einen Reichstag auszuſchreiben, ein Regiment zu ernennen. Am Hofe in Spanien ſchien man dieß von ganzem Herzen zu billi- gen: es lief ein Schreiben ein, worin Churfürſt Friedrich zum Statthalter des Regiments ernannt ward; er ward auch außerdem um ſeinen guten Rath in den Geſchäften erſucht. Allein die Commiſſarien hielten es nicht für gut, einen Reichstag zu berufen, geſchweige denn ein Regiment zu ernennen. Sie hüteten ſich wohl, den Churfürſten um Rath zu fragen: das Diplom jener Ernennung behielten ſie an ſich. Sie wollten keine ſtändiſchen Einwirkungen, ſo wenig jetzt wie unter Maximilian, ſie wollten die Summe der Geſchäfte in ihrer Hand behalten. Man dürfte ſich darüber nicht verwundern. Sie hiel- ten die Geſichtspuncte feſt, die unter Maximilian gäng und gebe geworden: ſie ſahen die neue Regierung als eine Fort- ſetzung der alten an. Da mußte man nun doppelt geſpannt ſeyn, wie der junge Fürſt, wenn er in Deutſchland erſchiene, und deſſen nähere Umgebung die Sachen auffaſſen und angreifen wür- den. Nach ſeiner Weltlage ließ ſich wohl eine großarti- gere Anſicht erwarten: alle ſeine Briefe gaben das zu er- kennen. Namentlich dem Churfürſten Friedrich ſchrieb er, er ſolle ſpüren daß er ſeine Stimme dem allerdankbarſten

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/399>, abgerufen am 22.11.2024.