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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Einleitung.
Christenheit, und schon dazu mußte es des Papstthums
mächtig seyn.

Denn bei diesem Übergewicht des siegreichen weltli-
chen und germanischen Prinzipes blieb es nun auch eine
lange Zeit. Otto II hat dem Abt von Clugny die Stelle
eines Papstes gradezu angeboten, Otto III hat erst einen
seiner Verwandten und dann seinen Lehrer Gerbert zum
päpstlichen Stuhle befördert; alle Factionen, welche dieses
Recht bedrohten, wurden niedergeschlagen: unter den Au-
spicien Heinrichs III trat ein deutscher Papst an die Stelle
der drei römischen Competenten. Als der römische Stuhl
im J. 1048 erledigt worden, begaben sich, wie ein gleich-
zeitiger Chronist sagt, Gesandte der Römer nach Sachsen,
fanden daselbst den Kaiser und baten ihn, ihnen einen
Papst zu geben. Er wählte den Bischof von Toul, Leo IX,
aus dem Hause Egisheim, von dem er mütterlicher Seits
selber abstammte. Was aber an dem Oberhaupt, geschah
nun nothwendig noch unzweifelhafter an der übrigen Geist-
lichkeit. Seitdem es Otto dem Großen gelungen war, in
den Irrungen seiner ersten Jahre, den Widerstand, wel-
chen ihm die Herzogthümer vermöge ihrer stammesartigen
Zusammensetzung leisteten, im Allgemeinen zu brechen, stand
die Besetzung der geistlichen Stellen ohne Widerrede in der
Hand des Kaisers.

Welch eine großartige Stellung nahm da die deutsche
Nation ein: repräsentirt in dem mächtigsten europäischen
Fürsten, und von ihm zusammengehalten: an der Spitze
der fortschreitenden Civilisation, der abendländischen Chri-
stenheit: in der Fülle jugendlich aufstrebender Kräfte.


Einleitung.
Chriſtenheit, und ſchon dazu mußte es des Papſtthums
mächtig ſeyn.

Denn bei dieſem Übergewicht des ſiegreichen weltli-
chen und germaniſchen Prinzipes blieb es nun auch eine
lange Zeit. Otto II hat dem Abt von Clugny die Stelle
eines Papſtes gradezu angeboten, Otto III hat erſt einen
ſeiner Verwandten und dann ſeinen Lehrer Gerbert zum
päpſtlichen Stuhle befördert; alle Factionen, welche dieſes
Recht bedrohten, wurden niedergeſchlagen: unter den Au-
ſpicien Heinrichs III trat ein deutſcher Papſt an die Stelle
der drei römiſchen Competenten. Als der römiſche Stuhl
im J. 1048 erledigt worden, begaben ſich, wie ein gleich-
zeitiger Chroniſt ſagt, Geſandte der Römer nach Sachſen,
fanden daſelbſt den Kaiſer und baten ihn, ihnen einen
Papſt zu geben. Er wählte den Biſchof von Toul, Leo IX,
aus dem Hauſe Egisheim, von dem er mütterlicher Seits
ſelber abſtammte. Was aber an dem Oberhaupt, geſchah
nun nothwendig noch unzweifelhafter an der übrigen Geiſt-
lichkeit. Seitdem es Otto dem Großen gelungen war, in
den Irrungen ſeiner erſten Jahre, den Widerſtand, wel-
chen ihm die Herzogthümer vermöge ihrer ſtammesartigen
Zuſammenſetzung leiſteten, im Allgemeinen zu brechen, ſtand
die Beſetzung der geiſtlichen Stellen ohne Widerrede in der
Hand des Kaiſers.

Welch eine großartige Stellung nahm da die deutſche
Nation ein: repräſentirt in dem mächtigſten europäiſchen
Fürſten, und von ihm zuſammengehalten: an der Spitze
der fortſchreitenden Civiliſation, der abendländiſchen Chri-
ſtenheit: in der Fülle jugendlich aufſtrebender Kräfte.


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[24/0042] Einleitung. Chriſtenheit, und ſchon dazu mußte es des Papſtthums mächtig ſeyn. Denn bei dieſem Übergewicht des ſiegreichen weltli- chen und germaniſchen Prinzipes blieb es nun auch eine lange Zeit. Otto II hat dem Abt von Clugny die Stelle eines Papſtes gradezu angeboten, Otto III hat erſt einen ſeiner Verwandten und dann ſeinen Lehrer Gerbert zum päpſtlichen Stuhle befördert; alle Factionen, welche dieſes Recht bedrohten, wurden niedergeſchlagen: unter den Au- ſpicien Heinrichs III trat ein deutſcher Papſt an die Stelle der drei römiſchen Competenten. Als der römiſche Stuhl im J. 1048 erledigt worden, begaben ſich, wie ein gleich- zeitiger Chroniſt ſagt, Geſandte der Römer nach Sachſen, fanden daſelbſt den Kaiſer und baten ihn, ihnen einen Papſt zu geben. Er wählte den Biſchof von Toul, Leo IX, aus dem Hauſe Egisheim, von dem er mütterlicher Seits ſelber abſtammte. Was aber an dem Oberhaupt, geſchah nun nothwendig noch unzweifelhafter an der übrigen Geiſt- lichkeit. Seitdem es Otto dem Großen gelungen war, in den Irrungen ſeiner erſten Jahre, den Widerſtand, wel- chen ihm die Herzogthümer vermöge ihrer ſtammesartigen Zuſammenſetzung leiſteten, im Allgemeinen zu brechen, ſtand die Beſetzung der geiſtlichen Stellen ohne Widerrede in der Hand des Kaiſers. Welch eine großartige Stellung nahm da die deutſche Nation ein: repräſentirt in dem mächtigſten europäiſchen Fürſten, und von ihm zuſammengehalten: an der Spitze der fortſchreitenden Civiliſation, der abendländiſchen Chri- ſtenheit: in der Fülle jugendlich aufſtrebender Kräfte.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/42>, abgerufen am 21.11.2024.