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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Drittes Capitel.
nen Schmeichlern sie aus dem Himmel stoßen? Man sieht,
wie sehr die Alleingültigkeit der Formen der lateinischen
Kirche, die Identität mit der Idee des Christenthums,
die sie in Anspruch nahm, durch die Thatsache erschüttert
ward, daß außer ihren Kreisen die alte, von ihr selber an-
erkannte griechische Kirche mit so vielen großen Lehrern be-
standen. Eck gerieth nun seinerseits ins Gedränge: er wie-
derholte nur immer, es habe doch in der griechischen Kirche
viele Ketzer gegeben: die meine er, nicht die Väter; eine
ärmliche Ausflucht, welche die Stärke des feindlichen Be-
weises gar nicht berührte. Auch eilte Eck sofort wieder
in das Bereich der lateinischen Kirche zurück. Er stützte
sich darauf, daß Luthers Meinung, der römische Primat
sey eine menschliche Einrichtung, nicht von göttlichem Rechte,
ein Irrthum der Armen von Lyon, Wiklefs und Hussens
sey, aber von den Päpsten, und besonders von den allge-
meinen Concilien, denen der Geist Gottes beiwohne, zu-
letzt noch von dem Costnitzer verdammt. Diese neuere
Thatsache war so unleugbar, wie jene ältere; Eck ließ sich
nicht damit befriedigen, daß Luther betheuerte, er habe
nichts mit den Böhmen zu schaffen, ja er verdamme ihr
Schisma: auch wolle er nicht aus den Collectaneen der
Ketzermeister widerlegt seyn, sondern aus der Schrift. Die
Frage kam in ihren prägnantesten Augenblick. Erkannte
Luther das unmittelbare Walten des göttlichen Geistes in
der lateinischen Kirche, die bindende Kraft der Beschlüsse
ihrer Concilien noch an oder nicht? Hielt er sich noch
innerlich zu ihr oder nicht? Wir müssen uns erinnern,
daß wir hier nicht weit von den böhmischen Grenzen

Zweites Buch. Drittes Capitel.
nen Schmeichlern ſie aus dem Himmel ſtoßen? Man ſieht,
wie ſehr die Alleingültigkeit der Formen der lateiniſchen
Kirche, die Identität mit der Idee des Chriſtenthums,
die ſie in Anſpruch nahm, durch die Thatſache erſchüttert
ward, daß außer ihren Kreiſen die alte, von ihr ſelber an-
erkannte griechiſche Kirche mit ſo vielen großen Lehrern be-
ſtanden. Eck gerieth nun ſeinerſeits ins Gedränge: er wie-
derholte nur immer, es habe doch in der griechiſchen Kirche
viele Ketzer gegeben: die meine er, nicht die Väter; eine
ärmliche Ausflucht, welche die Stärke des feindlichen Be-
weiſes gar nicht berührte. Auch eilte Eck ſofort wieder
in das Bereich der lateiniſchen Kirche zurück. Er ſtützte
ſich darauf, daß Luthers Meinung, der römiſche Primat
ſey eine menſchliche Einrichtung, nicht von göttlichem Rechte,
ein Irrthum der Armen von Lyon, Wiklefs und Huſſens
ſey, aber von den Päpſten, und beſonders von den allge-
meinen Concilien, denen der Geiſt Gottes beiwohne, zu-
letzt noch von dem Coſtnitzer verdammt. Dieſe neuere
Thatſache war ſo unleugbar, wie jene ältere; Eck ließ ſich
nicht damit befriedigen, daß Luther betheuerte, er habe
nichts mit den Böhmen zu ſchaffen, ja er verdamme ihr
Schisma: auch wolle er nicht aus den Collectaneen der
Ketzermeiſter widerlegt ſeyn, ſondern aus der Schrift. Die
Frage kam in ihren prägnanteſten Augenblick. Erkannte
Luther das unmittelbare Walten des göttlichen Geiſtes in
der lateiniſchen Kirche, die bindende Kraft der Beſchlüſſe
ihrer Concilien noch an oder nicht? Hielt er ſich noch
innerlich zu ihr oder nicht? Wir müſſen uns erinnern,
daß wir hier nicht weit von den böhmiſchen Grenzen

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[406/0424] Zweites Buch. Drittes Capitel. nen Schmeichlern ſie aus dem Himmel ſtoßen? Man ſieht, wie ſehr die Alleingültigkeit der Formen der lateiniſchen Kirche, die Identität mit der Idee des Chriſtenthums, die ſie in Anſpruch nahm, durch die Thatſache erſchüttert ward, daß außer ihren Kreiſen die alte, von ihr ſelber an- erkannte griechiſche Kirche mit ſo vielen großen Lehrern be- ſtanden. Eck gerieth nun ſeinerſeits ins Gedränge: er wie- derholte nur immer, es habe doch in der griechiſchen Kirche viele Ketzer gegeben: die meine er, nicht die Väter; eine ärmliche Ausflucht, welche die Stärke des feindlichen Be- weiſes gar nicht berührte. Auch eilte Eck ſofort wieder in das Bereich der lateiniſchen Kirche zurück. Er ſtützte ſich darauf, daß Luthers Meinung, der römiſche Primat ſey eine menſchliche Einrichtung, nicht von göttlichem Rechte, ein Irrthum der Armen von Lyon, Wiklefs und Huſſens ſey, aber von den Päpſten, und beſonders von den allge- meinen Concilien, denen der Geiſt Gottes beiwohne, zu- letzt noch von dem Coſtnitzer verdammt. Dieſe neuere Thatſache war ſo unleugbar, wie jene ältere; Eck ließ ſich nicht damit befriedigen, daß Luther betheuerte, er habe nichts mit den Böhmen zu ſchaffen, ja er verdamme ihr Schisma: auch wolle er nicht aus den Collectaneen der Ketzermeiſter widerlegt ſeyn, ſondern aus der Schrift. Die Frage kam in ihren prägnanteſten Augenblick. Erkannte Luther das unmittelbare Walten des göttlichen Geiſtes in der lateiniſchen Kirche, die bindende Kraft der Beſchlüſſe ihrer Concilien noch an oder nicht? Hielt er ſich noch innerlich zu ihr oder nicht? Wir müſſen uns erinnern, daß wir hier nicht weit von den böhmiſchen Grenzen

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/424>, abgerufen am 22.11.2024.