Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Momente des Abfalls. lomonis und Danielis, "die in gleicher Jugend von Gotterleuchtet worden;" denn auch sie finden den Zustand der Dinge so arg, daß der jüngste Tag kommen müsse, wenn sie nicht eine ernstliche Reformation ändre. 1 Mit den kühnsten Vorschlägen aber kamen ihm die Anhänger der Neuerung ent- gegen. Er soll den Graumönch seinen Beichtvater entlas- sen, der sich rühme, daß er ihn und das Reich beherrsche; mit dem Rathe der weltlichen Churfürsten und Fürsten soll er regieren: nicht jene Schreiber und Finanzer, sondern den Adel, der jetzt seine Kinder studiren lasse, zu den Ge- schäften brauchen; Hutten und Erasmus in seinen Rath ziehn; und den Mißbräuchen des römischen Hofes, so wie der Bettelmönche in Deutschland ein Ende machen. Dann werde er die Stimme der Nation für sich haben, Papst und Cardinäle nicht mehr brauchen, ihnen vielmehr die Confirmation geben; "dann werden die starken Deutschen auf seyn mit Leib und Gut, und mit dir ziehen gen Rom, und ganz Italien dir unterthänig machen; dann wirst du ein gewaltiger König seyn. Wirst du erst Gottes Handel ausrichten, so wird Gott deinen Handel ausrichten." 2 "Tag und Nacht," ruft ihm Hutten zu, "will ich dir 1 Wörtlich Hieronym. Emser wid' das unchristenliche buch Martini Luters Augustiner Bog. IV. Er fügt hinzu, alle Stende seyen gebrechlich "zuvoran die Geistlichen von obersten bis auf den nie- dersten." Auch er wendet den Spruch, von der Ferse bis zum Schei- tel sey nichts gesundes, auf sie an. 2 Ein klägliche klag Bog. + + III.
Momente des Abfalls. lomonis und Danielis, „die in gleicher Jugend von Gotterleuchtet worden;“ denn auch ſie finden den Zuſtand der Dinge ſo arg, daß der jüngſte Tag kommen müſſe, wenn ſie nicht eine ernſtliche Reformation ändre. 1 Mit den kühnſten Vorſchlägen aber kamen ihm die Anhänger der Neuerung ent- gegen. Er ſoll den Graumönch ſeinen Beichtvater entlaſ- ſen, der ſich rühme, daß er ihn und das Reich beherrſche; mit dem Rathe der weltlichen Churfürſten und Fürſten ſoll er regieren: nicht jene Schreiber und Finanzer, ſondern den Adel, der jetzt ſeine Kinder ſtudiren laſſe, zu den Ge- ſchäften brauchen; Hutten und Erasmus in ſeinen Rath ziehn; und den Mißbräuchen des römiſchen Hofes, ſo wie der Bettelmönche in Deutſchland ein Ende machen. Dann werde er die Stimme der Nation für ſich haben, Papſt und Cardinäle nicht mehr brauchen, ihnen vielmehr die Confirmation geben; „dann werden die ſtarken Deutſchen auf ſeyn mit Leib und Gut, und mit dir ziehen gen Rom, und ganz Italien dir unterthänig machen; dann wirſt du ein gewaltiger König ſeyn. Wirſt du erſt Gottes Handel ausrichten, ſo wird Gott deinen Handel ausrichten.“ 2 „Tag und Nacht,“ ruft ihm Hutten zu, „will ich dir 1 Woͤrtlich Hieronym. Emſer wid’ das unchriſtenliche buch Martini Luters Auguſtiner Bog. IV. Er fuͤgt hinzu, alle Stende ſeyen gebrechlich „zuvoran die Geiſtlichen von oberſten bis auf den nie- derſten.“ Auch er wendet den Spruch, von der Ferſe bis zum Schei- tel ſey nichts geſundes, auf ſie an. 2 Ein klaͤgliche klag Bog. † † III.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0465" n="447"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Momente des Abfalls</hi>.</fw><lb/> lomonis und Danielis, „die in gleicher Jugend von Gott<lb/> erleuchtet worden;“ denn auch ſie finden den Zuſtand der<lb/> Dinge ſo arg, daß der jüngſte Tag kommen müſſe, wenn ſie<lb/> nicht eine ernſtliche Reformation ändre. <note place="foot" n="1">Woͤrtlich Hieronym. Emſer wid’ das unchriſtenliche buch<lb/> Martini Luters Auguſtiner Bog. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Er fuͤgt hinzu, alle Stende ſeyen<lb/> gebrechlich „zuvoran die Geiſtlichen von oberſten bis auf den nie-<lb/> derſten.“ Auch er wendet den Spruch, von der Ferſe bis zum Schei-<lb/> tel ſey nichts geſundes, auf ſie an.</note> Mit den kühnſten<lb/> Vorſchlägen aber kamen ihm die Anhänger der Neuerung ent-<lb/> gegen. Er ſoll den Graumönch ſeinen Beichtvater entlaſ-<lb/> ſen, der ſich rühme, daß er ihn und das Reich beherrſche;<lb/> mit dem Rathe der weltlichen Churfürſten und Fürſten ſoll<lb/> er regieren: nicht jene Schreiber und Finanzer, ſondern<lb/> den Adel, der jetzt ſeine Kinder ſtudiren laſſe, zu den Ge-<lb/> ſchäften brauchen; Hutten und Erasmus in ſeinen Rath<lb/> ziehn; und den Mißbräuchen des römiſchen Hofes, ſo wie<lb/> der Bettelmönche in Deutſchland ein Ende machen. Dann<lb/> werde er die Stimme der Nation für ſich haben, Papſt<lb/> und Cardinäle nicht mehr brauchen, ihnen vielmehr die<lb/> Confirmation geben; „dann werden die ſtarken Deutſchen<lb/> auf ſeyn mit Leib und Gut, und mit dir ziehen gen Rom,<lb/> und ganz Italien dir unterthänig machen; dann wirſt du<lb/> ein gewaltiger König ſeyn. Wirſt du erſt Gottes Handel<lb/> ausrichten, ſo wird Gott deinen Handel ausrichten.“ <note place="foot" n="2">Ein klaͤgliche klag Bog. † † <hi rendition="#aq">III.</hi></note></p><lb/> <p>„Tag und Nacht,“ ruft ihm Hutten zu, „will ich dir<lb/> dienen ohne Lohn; manchen ſtolzen Helden will ich dir<lb/> aufwecken, du ſollſt der Hauptmann ſeyn, Anfänger und<lb/> Vollender, es fehlt allein an deinem Gebot.“</p> </div> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [447/0465]
Momente des Abfalls.
lomonis und Danielis, „die in gleicher Jugend von Gott
erleuchtet worden;“ denn auch ſie finden den Zuſtand der
Dinge ſo arg, daß der jüngſte Tag kommen müſſe, wenn ſie
nicht eine ernſtliche Reformation ändre. 1 Mit den kühnſten
Vorſchlägen aber kamen ihm die Anhänger der Neuerung ent-
gegen. Er ſoll den Graumönch ſeinen Beichtvater entlaſ-
ſen, der ſich rühme, daß er ihn und das Reich beherrſche;
mit dem Rathe der weltlichen Churfürſten und Fürſten ſoll
er regieren: nicht jene Schreiber und Finanzer, ſondern
den Adel, der jetzt ſeine Kinder ſtudiren laſſe, zu den Ge-
ſchäften brauchen; Hutten und Erasmus in ſeinen Rath
ziehn; und den Mißbräuchen des römiſchen Hofes, ſo wie
der Bettelmönche in Deutſchland ein Ende machen. Dann
werde er die Stimme der Nation für ſich haben, Papſt
und Cardinäle nicht mehr brauchen, ihnen vielmehr die
Confirmation geben; „dann werden die ſtarken Deutſchen
auf ſeyn mit Leib und Gut, und mit dir ziehen gen Rom,
und ganz Italien dir unterthänig machen; dann wirſt du
ein gewaltiger König ſeyn. Wirſt du erſt Gottes Handel
ausrichten, ſo wird Gott deinen Handel ausrichten.“ 2
„Tag und Nacht,“ ruft ihm Hutten zu, „will ich dir
dienen ohne Lohn; manchen ſtolzen Helden will ich dir
aufwecken, du ſollſt der Hauptmann ſeyn, Anfänger und
Vollender, es fehlt allein an deinem Gebot.“
1 Woͤrtlich Hieronym. Emſer wid’ das unchriſtenliche buch
Martini Luters Auguſtiner Bog. IV. Er fuͤgt hinzu, alle Stende ſeyen
gebrechlich „zuvoran die Geiſtlichen von oberſten bis auf den nie-
derſten.“ Auch er wendet den Spruch, von der Ferſe bis zum Schei-
tel ſey nichts geſundes, auf ſie an.
2 Ein klaͤgliche klag Bog. † † III.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |