Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Viertes Capitel. heimischen Sache wurden die alten ergebnen Freunde vonCalenberg und Wolfenbüttel ohne Rückhalt begünstigt; miß- muthig entfernten sich die Lüneburger von dem Reichstag: sie sahen wohl, sie würden jetzt jene ihre Hinneigung zu Frankreich zu büßen haben; nach einiger Zeit erfolgte ein höchst ungnädiges Decret. 1 Nicht minder wurden die Handlungen des schwäbischen Bundes genehm gehalten. Dem verjagten Herzog von Wirtenberg, der es verabsäumt hatte sich in den Niederlanden einzufinden, was er an- fangs versprochen, dagegen aber sich bereit erklärte, auf dem Reichstage zu erscheinen, ward die Antwort gegeben, Kaiserlicher Majestät sey es nunmehr auch nicht gelegen, den Herzog zu hören, und keine Fürsprache vermochte die- sen Bescheid zu ändern. Es ward ein Proceß gegen ihn eröffnet, der eine eben so ungünstige Wendung nahm wie der lüneburgische. In beiden kam es nach einiger Zeit zur Achtserklärung. 2 Die wirtenbergische Sache hatte um so größere Bedeutung, da das Land zu der Masse geschla- gen ward, auf die das neue Östreich sich gründete. Der Bruder des Kaisers Erzherzog Ferdinand, in Spanien er- zogen, von hier aber, wo er hätte gefährlich werden kön- nen, glücklich entfernt, 3 empfieng die fünf östreichischen Herzogthümer, die schon Maximilian einst zu seinen Gun- sten zum Königreich hatte erheben wollen, als die ihm ge- bührende Erbportion aus den deutschen Landen. Einer der denkwürdigsten Tage für die deutsche Geschichte ist der, 1 Bei Delius Stiftsfehde p. 175. 2 Sattler Herzöge II, p. 75. 3 Corner. Credo non si hanno fidato di lassarlo in Spagna
ne al governo di Spagnoli dubitando di qualche novita. Zweites Buch. Viertes Capitel. heimiſchen Sache wurden die alten ergebnen Freunde vonCalenberg und Wolfenbüttel ohne Rückhalt begünſtigt; miß- muthig entfernten ſich die Lüneburger von dem Reichstag: ſie ſahen wohl, ſie würden jetzt jene ihre Hinneigung zu Frankreich zu büßen haben; nach einiger Zeit erfolgte ein höchſt ungnädiges Decret. 1 Nicht minder wurden die Handlungen des ſchwäbiſchen Bundes genehm gehalten. Dem verjagten Herzog von Wirtenberg, der es verabſäumt hatte ſich in den Niederlanden einzufinden, was er an- fangs verſprochen, dagegen aber ſich bereit erklärte, auf dem Reichstage zu erſcheinen, ward die Antwort gegeben, Kaiſerlicher Majeſtät ſey es nunmehr auch nicht gelegen, den Herzog zu hören, und keine Fürſprache vermochte die- ſen Beſcheid zu ändern. Es ward ein Proceß gegen ihn eröffnet, der eine eben ſo ungünſtige Wendung nahm wie der lüneburgiſche. In beiden kam es nach einiger Zeit zur Achtserklärung. 2 Die wirtenbergiſche Sache hatte um ſo größere Bedeutung, da das Land zu der Maſſe geſchla- gen ward, auf die das neue Öſtreich ſich gründete. Der Bruder des Kaiſers Erzherzog Ferdinand, in Spanien er- zogen, von hier aber, wo er hätte gefährlich werden kön- nen, glücklich entfernt, 3 empfieng die fünf öſtreichiſchen Herzogthümer, die ſchon Maximilian einſt zu ſeinen Gun- ſten zum Königreich hatte erheben wollen, als die ihm ge- bührende Erbportion aus den deutſchen Landen. Einer der denkwürdigſten Tage für die deutſche Geſchichte iſt der, 1 Bei Delius Stiftsfehde p. 175. 2 Sattler Herzoͤge II, p. 75. 3 Corner. Credo non si hanno fidato di lassarlo in Spagna
nè al governo di Spagnoli dubitando di qualche novità. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0470" n="452"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/> heimiſchen Sache wurden die alten ergebnen Freunde von<lb/> Calenberg und Wolfenbüttel ohne Rückhalt begünſtigt; miß-<lb/> muthig entfernten ſich die Lüneburger von dem Reichstag:<lb/> ſie ſahen wohl, ſie würden jetzt jene ihre Hinneigung zu<lb/> Frankreich zu büßen haben; nach einiger Zeit erfolgte ein<lb/> höchſt ungnädiges Decret. <note place="foot" n="1">Bei Delius Stiftsfehde <hi rendition="#aq">p.</hi> 175.</note> Nicht minder wurden die<lb/> Handlungen des ſchwäbiſchen Bundes genehm gehalten.<lb/> Dem verjagten Herzog von Wirtenberg, der es verabſäumt<lb/> hatte ſich in den Niederlanden einzufinden, was er an-<lb/> fangs verſprochen, dagegen aber ſich bereit erklärte, auf<lb/> dem Reichstage zu erſcheinen, ward die Antwort gegeben,<lb/> Kaiſerlicher Majeſtät ſey es nunmehr auch nicht gelegen,<lb/> den Herzog zu hören, und keine Fürſprache vermochte die-<lb/> ſen Beſcheid zu ändern. Es ward ein Proceß gegen ihn<lb/> eröffnet, der eine eben ſo ungünſtige Wendung nahm wie<lb/> der lüneburgiſche. In beiden kam es nach einiger Zeit<lb/> zur Achtserklärung. <note place="foot" n="2">Sattler Herzoͤge <hi rendition="#aq">II, p.</hi> 75.</note> Die wirtenbergiſche Sache hatte um<lb/> ſo größere Bedeutung, da das Land zu der Maſſe geſchla-<lb/> gen ward, auf die das neue Öſtreich ſich gründete. Der<lb/> Bruder des Kaiſers Erzherzog Ferdinand, in Spanien er-<lb/> zogen, von hier aber, wo er hätte gefährlich werden kön-<lb/> nen, glücklich entfernt, <note place="foot" n="3"><hi rendition="#aq">Corner. Credo non si hanno fidato di lassarlo in Spagna<lb/> nè al governo di Spagnoli dubitando di qualche novità.</hi></note> empfieng die fünf öſtreichiſchen<lb/> Herzogthümer, die ſchon Maximilian einſt zu ſeinen Gun-<lb/> ſten zum Königreich hatte erheben wollen, als die ihm ge-<lb/> bührende Erbportion aus den deutſchen Landen. Einer<lb/> der denkwürdigſten Tage für die deutſche Geſchichte iſt der,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [452/0470]
Zweites Buch. Viertes Capitel.
heimiſchen Sache wurden die alten ergebnen Freunde von
Calenberg und Wolfenbüttel ohne Rückhalt begünſtigt; miß-
muthig entfernten ſich die Lüneburger von dem Reichstag:
ſie ſahen wohl, ſie würden jetzt jene ihre Hinneigung zu
Frankreich zu büßen haben; nach einiger Zeit erfolgte ein
höchſt ungnädiges Decret. 1 Nicht minder wurden die
Handlungen des ſchwäbiſchen Bundes genehm gehalten.
Dem verjagten Herzog von Wirtenberg, der es verabſäumt
hatte ſich in den Niederlanden einzufinden, was er an-
fangs verſprochen, dagegen aber ſich bereit erklärte, auf
dem Reichstage zu erſcheinen, ward die Antwort gegeben,
Kaiſerlicher Majeſtät ſey es nunmehr auch nicht gelegen,
den Herzog zu hören, und keine Fürſprache vermochte die-
ſen Beſcheid zu ändern. Es ward ein Proceß gegen ihn
eröffnet, der eine eben ſo ungünſtige Wendung nahm wie
der lüneburgiſche. In beiden kam es nach einiger Zeit
zur Achtserklärung. 2 Die wirtenbergiſche Sache hatte um
ſo größere Bedeutung, da das Land zu der Maſſe geſchla-
gen ward, auf die das neue Öſtreich ſich gründete. Der
Bruder des Kaiſers Erzherzog Ferdinand, in Spanien er-
zogen, von hier aber, wo er hätte gefährlich werden kön-
nen, glücklich entfernt, 3 empfieng die fünf öſtreichiſchen
Herzogthümer, die ſchon Maximilian einſt zu ſeinen Gun-
ſten zum Königreich hatte erheben wollen, als die ihm ge-
bührende Erbportion aus den deutſchen Landen. Einer
der denkwürdigſten Tage für die deutſche Geſchichte iſt der,
1 Bei Delius Stiftsfehde p. 175.
2 Sattler Herzoͤge II, p. 75.
3 Corner. Credo non si hanno fidato di lassarlo in Spagna
nè al governo di Spagnoli dubitando di qualche novità.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |