Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Viertes Capitel. vollkommen genügt worden wäre. Die Bestimmungen dieman traf, gereichten hauptsächlich zum Vortheil des Für- stenthums: die vorläufigen Anordnungen über die Execu- tion der kammergerichtlichen Urtel z. B., die ihm größten- theils anheimgestellt wurde, waren offenbar zu seinen Gun- sten: gleich in der Capitulation hatte der Kaiser vor, Bündnisse des Adels und der Unterthanen zu verbieten; und dieß mochte dienen, compactere locale Gewalten zu begründen. Dagegen für den gemeinen Mann, der in so großer Gährung war, geschah eigentlich gar nichts, so oft man auch früher davon geredet; der Adel war und blieb von aller Theilnahme an den Reichsgeschäften ausgeschlos- sen; Grafen, Herrn und Edelleute waren über die rechtli- chen Austräge gegen Fürsten und Churfürsten, die sie schleu- niger und gleichmäßiger verlangten, in steter Aufregung, und es wurden hierüber auch an dem Reichstag ziemlich scharfe Schriften gewechselt. Die Städte hatten vergebens die Zulassung ihrer Abgeordneten bei dem Kammergericht gefordert: die große Reichshülfe war berathen und beschlos- sen worden, ohne sie zuzuziehen; bei den Anschlägen fühl- ten sich Viele von ihnen aufs neue beschwert, und über- dieß drohte man ihnen mit einem Reichszoll, von dem sie eine allgemeine Störung in ihren Geschäften fürchteten. Sie klagten unaufhörlich und nahmen die Entwürfe zuletzt nur deshalb an, weil sie wie sie sagten nicht die einzigen seyn wollten, welche widersprächen: sie wollten nicht, daß es ihnen zugeschrieben würde, wenn Friede und Recht nicht zu Stande kämen. 1 Bei 1 Hans Bock und Dr Peutinger, die in dem Ausschuß geses-
Zweites Buch. Viertes Capitel. vollkommen genügt worden wäre. Die Beſtimmungen dieman traf, gereichten hauptſächlich zum Vortheil des Für- ſtenthums: die vorläufigen Anordnungen über die Execu- tion der kammergerichtlichen Urtel z. B., die ihm größten- theils anheimgeſtellt wurde, waren offenbar zu ſeinen Gun- ſten: gleich in der Capitulation hatte der Kaiſer vor, Bündniſſe des Adels und der Unterthanen zu verbieten; und dieß mochte dienen, compactere locale Gewalten zu begründen. Dagegen für den gemeinen Mann, der in ſo großer Gährung war, geſchah eigentlich gar nichts, ſo oft man auch früher davon geredet; der Adel war und blieb von aller Theilnahme an den Reichsgeſchäften ausgeſchloſ- ſen; Grafen, Herrn und Edelleute waren über die rechtli- chen Austräge gegen Fürſten und Churfürſten, die ſie ſchleu- niger und gleichmäßiger verlangten, in ſteter Aufregung, und es wurden hierüber auch an dem Reichstag ziemlich ſcharfe Schriften gewechſelt. Die Städte hatten vergebens die Zulaſſung ihrer Abgeordneten bei dem Kammergericht gefordert: die große Reichshülfe war berathen und beſchloſ- ſen worden, ohne ſie zuzuziehen; bei den Anſchlägen fühl- ten ſich Viele von ihnen aufs neue beſchwert, und über- dieß drohte man ihnen mit einem Reichszoll, von dem ſie eine allgemeine Störung in ihren Geſchäften fürchteten. Sie klagten unaufhörlich und nahmen die Entwürfe zuletzt nur deshalb an, weil ſie wie ſie ſagten nicht die einzigen ſeyn wollten, welche widerſprächen: ſie wollten nicht, daß es ihnen zugeſchrieben würde, wenn Friede und Recht nicht zu Stande kämen. 1 Bei 1 Hans Bock und Dr Peutinger, die in dem Ausſchuß geſeſ-
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Zweites Buch. Viertes Capitel.
vollkommen genügt worden wäre. Die Beſtimmungen die
man traf, gereichten hauptſächlich zum Vortheil des Für-
ſtenthums: die vorläufigen Anordnungen über die Execu-
tion der kammergerichtlichen Urtel z. B., die ihm größten-
theils anheimgeſtellt wurde, waren offenbar zu ſeinen Gun-
ſten: gleich in der Capitulation hatte der Kaiſer vor,
Bündniſſe des Adels und der Unterthanen zu verbieten;
und dieß mochte dienen, compactere locale Gewalten zu
begründen. Dagegen für den gemeinen Mann, der in ſo
großer Gährung war, geſchah eigentlich gar nichts, ſo oft
man auch früher davon geredet; der Adel war und blieb
von aller Theilnahme an den Reichsgeſchäften ausgeſchloſ-
ſen; Grafen, Herrn und Edelleute waren über die rechtli-
chen Austräge gegen Fürſten und Churfürſten, die ſie ſchleu-
niger und gleichmäßiger verlangten, in ſteter Aufregung,
und es wurden hierüber auch an dem Reichstag ziemlich
ſcharfe Schriften gewechſelt. Die Städte hatten vergebens
die Zulaſſung ihrer Abgeordneten bei dem Kammergericht
gefordert: die große Reichshülfe war berathen und beſchloſ-
ſen worden, ohne ſie zuzuziehen; bei den Anſchlägen fühl-
ten ſich Viele von ihnen aufs neue beſchwert, und über-
dieß drohte man ihnen mit einem Reichszoll, von dem ſie
eine allgemeine Störung in ihren Geſchäften fürchteten.
Sie klagten unaufhörlich und nahmen die Entwürfe zuletzt
nur deshalb an, weil ſie wie ſie ſagten nicht die einzigen
ſeyn wollten, welche widerſprächen: ſie wollten nicht, daß
es ihnen zugeſchrieben würde, wenn Friede und Recht nicht
zu Stande kämen. 1
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1 Hans Bock und Dr Peutinger, die in dem Ausſchuß geſeſ-
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