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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Beginnende Opposition.
von Avignon, alle Eigenschaften eines verschwenderischen
und geldgierigen, die Gewalt um des Vortheils willen cen-
tralisirenden Hofes entwickelte.

Papst Johann XXII machte seine lucrativen Rechte
auf das gröbste geltend, erlaubte sich unerhörte Eingriffe
in die Besetzung deutscher Pfründen: über die Rechte der
Churfürsten drückte er sich sehr zweifelhaft aus: er dage-
gen nahm die Befugniß, den gewählten Kaiser zu prüfen
und nach Befinden zurückzuweisen, ja in dem Falle einer
streitigen Wahl, wie sie damals vorlag, selbst als Reichs-
verweser zu fungiren, sehr ernstlich in Anspruch; 1 endlich
leitete er gradezu Unterhandlungen ein, um einen franzö-
sischen Prinzen auf den kaiserlichen Thron zu befördern.

Da sahen doch endlich auch die deutschen Fürsten,
was sie von einem solchen Verfahren zu erwarten hatten.
Dießmal kamen sie ihrem Kaiser ernstlich zu Hülfe. Im
Jahre 1338 vereinten sie sich zu der berühmten Satzung,
daß Der, welchen die Mehrheit der Churfürsten dazu wähle,
auch wirklich als Kaiser betrachtet werden müsse. Als
Ludwig der Baier, müde von dem langen Kampfe, einen

1 Attendentes quod imperii romani regimen cura et ad-
ministratio
(ein ander Mal sagt er imperii romani jurisdictio re-
gimen et administratio) tempore quo illud vacare contingit, ad
nos pertineat, sicut dignoscitur pertinere. Literae Joannis
bei
Rainaldus 1319 und Olenschlager Geschichte des röm. Kaiserthums
etc. in der ersten Hälfte des 14ten Jahrhunderts p. 102. Im J.
1323 erklärt er, er habe Ludwig dem Baiern den Proceß gemacht,
super eo quod electione sua per quosdam qui vocem in
electione hujusmodi habere dicuntur
, per sedem aposto-
licam, ad quam electionis hujusmodi et personae electae exa-
minatio approbatio admissio ac etiam reprobatio et repulsio no-
scitur pertinere, non admissa etc.
Bei Olenschlager Urk. nr. 36.

Beginnende Oppoſition.
von Avignon, alle Eigenſchaften eines verſchwenderiſchen
und geldgierigen, die Gewalt um des Vortheils willen cen-
traliſirenden Hofes entwickelte.

Papſt Johann XXII machte ſeine lucrativen Rechte
auf das gröbſte geltend, erlaubte ſich unerhörte Eingriffe
in die Beſetzung deutſcher Pfründen: über die Rechte der
Churfürſten drückte er ſich ſehr zweifelhaft aus: er dage-
gen nahm die Befugniß, den gewählten Kaiſer zu prüfen
und nach Befinden zurückzuweiſen, ja in dem Falle einer
ſtreitigen Wahl, wie ſie damals vorlag, ſelbſt als Reichs-
verweſer zu fungiren, ſehr ernſtlich in Anſpruch; 1 endlich
leitete er gradezu Unterhandlungen ein, um einen franzö-
ſiſchen Prinzen auf den kaiſerlichen Thron zu befördern.

Da ſahen doch endlich auch die deutſchen Fürſten,
was ſie von einem ſolchen Verfahren zu erwarten hatten.
Dießmal kamen ſie ihrem Kaiſer ernſtlich zu Hülfe. Im
Jahre 1338 vereinten ſie ſich zu der berühmten Satzung,
daß Der, welchen die Mehrheit der Churfürſten dazu wähle,
auch wirklich als Kaiſer betrachtet werden müſſe. Als
Ludwig der Baier, müde von dem langen Kampfe, einen

1 Attendentes quod imperii romani regimen cura et ad-
ministratio
(ein ander Mal ſagt er imperii romani jurisdictio re-
gimen et administratio) tempore quo illud vacare contingit, ad
nos pertineat, sicut dignoscitur pertinere. Literae Joannis
bei
Rainaldus 1319 und Olenſchlager Geſchichte des roͤm. Kaiſerthums
ꝛc. in der erſten Haͤlfte des 14ten Jahrhunderts p. 102. Im J.
1323 erklaͤrt er, er habe Ludwig dem Baiern den Proceß gemacht,
super eo quod electione sua per quosdam qui vocem in
electione hujusmodi habere dicuntur
, per sedem aposto-
licam, ad quam electionis hujusmodi et personae electae exa-
minatio approbatio admissio ac etiam reprobatio et repulsio no-
scitur pertinere, non admissa etc.
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[45/0063] Beginnende Oppoſition. von Avignon, alle Eigenſchaften eines verſchwenderiſchen und geldgierigen, die Gewalt um des Vortheils willen cen- traliſirenden Hofes entwickelte. Papſt Johann XXII machte ſeine lucrativen Rechte auf das gröbſte geltend, erlaubte ſich unerhörte Eingriffe in die Beſetzung deutſcher Pfründen: über die Rechte der Churfürſten drückte er ſich ſehr zweifelhaft aus: er dage- gen nahm die Befugniß, den gewählten Kaiſer zu prüfen und nach Befinden zurückzuweiſen, ja in dem Falle einer ſtreitigen Wahl, wie ſie damals vorlag, ſelbſt als Reichs- verweſer zu fungiren, ſehr ernſtlich in Anſpruch; 1 endlich leitete er gradezu Unterhandlungen ein, um einen franzö- ſiſchen Prinzen auf den kaiſerlichen Thron zu befördern. Da ſahen doch endlich auch die deutſchen Fürſten, was ſie von einem ſolchen Verfahren zu erwarten hatten. Dießmal kamen ſie ihrem Kaiſer ernſtlich zu Hülfe. Im Jahre 1338 vereinten ſie ſich zu der berühmten Satzung, daß Der, welchen die Mehrheit der Churfürſten dazu wähle, auch wirklich als Kaiſer betrachtet werden müſſe. Als Ludwig der Baier, müde von dem langen Kampfe, einen 1 Attendentes quod imperii romani regimen cura et ad- ministratio (ein ander Mal ſagt er imperii romani jurisdictio re- gimen et administratio) tempore quo illud vacare contingit, ad nos pertineat, sicut dignoscitur pertinere. Literae Joannis bei Rainaldus 1319 und Olenſchlager Geſchichte des roͤm. Kaiſerthums ꝛc. in der erſten Haͤlfte des 14ten Jahrhunderts p. 102. Im J. 1323 erklaͤrt er, er habe Ludwig dem Baiern den Proceß gemacht, super eo quod electione sua per quosdam qui vocem in electione hujusmodi habere dicuntur, per sedem aposto- licam, ad quam electionis hujusmodi et personae electae exa- minatio approbatio admissio ac etiam reprobatio et repulsio no- scitur pertinere, non admissa etc. Bei Olenſchlager Urk. nr. 36.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/63>, abgerufen am 21.11.2024.