Augenblick schwankte, hielten sie ihn fest; auf dem Reichs- tag des Jahres 1344 machten sie ihm einen Vorwurf daraus, daß er sich zu erniedrigenden Bedingungen habe bequemen wollen. Natürlich! jetzt hatte der Papst nicht allein den Kaiser, er hatte auch ihre herkömmlichen Rechte, die Rechte der ganzen Nation hatte er angegriffen.
Und nicht allein die Fürsten waren dieser Gesinnung. In dem vierzehnten Jahrhundert trat wie in Europa über- haupt so auch in Deutschland den bisher alleinherrschen- den aristokratischen Geschlechtern ein plebejisches Element zur Seite, indem nicht allein die Städte zu den Reichs- versammlungen gezogen wurden, sondern in einem großen Theile derselben die Zünfte in das Regiment gedrungen wa- ren. Noch feuriger als die meisten Fürsten nahmen diese Plebejer an der Sache ihres Kaisers Antheil. Wie oft sind die Priester, welche die Excommunication des Kaisers für gültig erklärten, aus den Städten vertrieben worden! Auch über sie ward dann der Bann ausgesprochen: sie wollten niemals anerkennen, daß derselbe gültig sey: sie weigerten sich wohl die Absolution anzunehmen selbst wenn man sie ihnen anbot. 1
So geschah es, daß der Papst mit seinem Gegenkönig Carl von Luxenburg dieß Mal nicht durchdringen konnte; Hohe und Gemeine hielten mit beinahe allgemeiner Ueber- einstimmung an Ludwig von Baiern fest; erst nach dessen Tode, und auch dann nur nach wiederholter Wahl und Krönung fand Carl IV allmählige Anerkennung.
Was er denn auch dem Papst versprochen haben
1 z. B. Basel. Albertus Argentinensis bei Urstisius 142.
Einleitung.
Augenblick ſchwankte, hielten ſie ihn feſt; auf dem Reichs- tag des Jahres 1344 machten ſie ihm einen Vorwurf daraus, daß er ſich zu erniedrigenden Bedingungen habe bequemen wollen. Natürlich! jetzt hatte der Papſt nicht allein den Kaiſer, er hatte auch ihre herkömmlichen Rechte, die Rechte der ganzen Nation hatte er angegriffen.
Und nicht allein die Fürſten waren dieſer Geſinnung. In dem vierzehnten Jahrhundert trat wie in Europa über- haupt ſo auch in Deutſchland den bisher alleinherrſchen- den ariſtokratiſchen Geſchlechtern ein plebejiſches Element zur Seite, indem nicht allein die Städte zu den Reichs- verſammlungen gezogen wurden, ſondern in einem großen Theile derſelben die Zünfte in das Regiment gedrungen wa- ren. Noch feuriger als die meiſten Fürſten nahmen dieſe Plebejer an der Sache ihres Kaiſers Antheil. Wie oft ſind die Prieſter, welche die Excommunication des Kaiſers für gültig erklärten, aus den Städten vertrieben worden! Auch über ſie ward dann der Bann ausgeſprochen: ſie wollten niemals anerkennen, daß derſelbe gültig ſey: ſie weigerten ſich wohl die Abſolution anzunehmen ſelbſt wenn man ſie ihnen anbot. 1
So geſchah es, daß der Papſt mit ſeinem Gegenkönig Carl von Luxenburg dieß Mal nicht durchdringen konnte; Hohe und Gemeine hielten mit beinahe allgemeiner Ueber- einſtimmung an Ludwig von Baiern feſt; erſt nach deſſen Tode, und auch dann nur nach wiederholter Wahl und Krönung fand Carl IV allmählige Anerkennung.
Was er denn auch dem Papſt verſprochen haben
1 z. B. Baſel. Albertus Argentinensis bei Urſtiſius 142.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0064"n="46"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
Augenblick ſchwankte, hielten ſie ihn feſt; auf dem Reichs-<lb/>
tag des Jahres 1344 machten ſie ihm einen Vorwurf<lb/>
daraus, daß er ſich zu erniedrigenden Bedingungen habe<lb/>
bequemen wollen. Natürlich! jetzt hatte der Papſt nicht<lb/>
allein den Kaiſer, er hatte auch ihre herkömmlichen Rechte,<lb/>
die Rechte der ganzen Nation hatte er angegriffen.</p><lb/><p>Und nicht allein die Fürſten waren dieſer Geſinnung.<lb/>
In dem vierzehnten Jahrhundert trat wie in Europa über-<lb/>
haupt ſo auch in Deutſchland den bisher alleinherrſchen-<lb/>
den ariſtokratiſchen Geſchlechtern ein plebejiſches Element<lb/>
zur Seite, indem nicht allein die Städte zu den Reichs-<lb/>
verſammlungen gezogen wurden, ſondern in einem großen<lb/>
Theile derſelben die Zünfte in das Regiment gedrungen wa-<lb/>
ren. Noch feuriger als die meiſten Fürſten nahmen dieſe<lb/>
Plebejer an der Sache ihres Kaiſers Antheil. Wie oft<lb/>ſind die Prieſter, welche die Excommunication des Kaiſers<lb/>
für gültig erklärten, aus den Städten vertrieben worden!<lb/>
Auch über ſie ward dann der Bann ausgeſprochen: ſie<lb/>
wollten niemals anerkennen, daß derſelbe gültig ſey: ſie<lb/>
weigerten ſich wohl die Abſolution anzunehmen ſelbſt wenn<lb/>
man ſie ihnen anbot. <noteplace="foot"n="1">z. B. Baſel. <hirendition="#aq">Albertus Argentinensis</hi> bei Urſtiſius 142.</note></p><lb/><p>So geſchah es, daß der Papſt mit ſeinem Gegenkönig<lb/>
Carl von Luxenburg dieß Mal nicht durchdringen konnte;<lb/>
Hohe und Gemeine hielten mit beinahe allgemeiner Ueber-<lb/>
einſtimmung an Ludwig von Baiern feſt; erſt nach deſſen<lb/>
Tode, und auch dann nur nach wiederholter Wahl und<lb/>
Krönung fand Carl <hirendition="#aq">IV</hi> allmählige Anerkennung.</p><lb/><p>Was er denn auch dem Papſt verſprochen haben<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0064]
Einleitung.
Augenblick ſchwankte, hielten ſie ihn feſt; auf dem Reichs-
tag des Jahres 1344 machten ſie ihm einen Vorwurf
daraus, daß er ſich zu erniedrigenden Bedingungen habe
bequemen wollen. Natürlich! jetzt hatte der Papſt nicht
allein den Kaiſer, er hatte auch ihre herkömmlichen Rechte,
die Rechte der ganzen Nation hatte er angegriffen.
Und nicht allein die Fürſten waren dieſer Geſinnung.
In dem vierzehnten Jahrhundert trat wie in Europa über-
haupt ſo auch in Deutſchland den bisher alleinherrſchen-
den ariſtokratiſchen Geſchlechtern ein plebejiſches Element
zur Seite, indem nicht allein die Städte zu den Reichs-
verſammlungen gezogen wurden, ſondern in einem großen
Theile derſelben die Zünfte in das Regiment gedrungen wa-
ren. Noch feuriger als die meiſten Fürſten nahmen dieſe
Plebejer an der Sache ihres Kaiſers Antheil. Wie oft
ſind die Prieſter, welche die Excommunication des Kaiſers
für gültig erklärten, aus den Städten vertrieben worden!
Auch über ſie ward dann der Bann ausgeſprochen: ſie
wollten niemals anerkennen, daß derſelbe gültig ſey: ſie
weigerten ſich wohl die Abſolution anzunehmen ſelbſt wenn
man ſie ihnen anbot. 1
So geſchah es, daß der Papſt mit ſeinem Gegenkönig
Carl von Luxenburg dieß Mal nicht durchdringen konnte;
Hohe und Gemeine hielten mit beinahe allgemeiner Ueber-
einſtimmung an Ludwig von Baiern feſt; erſt nach deſſen
Tode, und auch dann nur nach wiederholter Wahl und
Krönung fand Carl IV allmählige Anerkennung.
Was er denn auch dem Papſt verſprochen haben
1 z. B. Baſel. Albertus Argentinensis bei Urſtiſius 142.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/64>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.