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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Einleitung.
zwei geistliche Churfürsten abzusetzen, durch die Drohung,
sie würden zu seinem Gegner übergehn, diese Absetzung zu-
rückzunehmen.

Hätte man diesen Gang einmüthig und standhaft ver-
folgt, so würde die deutsche katholische Kirche, in so vie-
len großen Fürstenthümern und der reichsten Ausstattung
der Welt auf das großartigste begründet, eine wahrhaft
selbständige Stellung gewonnen haben: in der sie die spä-
tern doctrinellen Stürme so gut hätte überdauern können
wie die englische.

Es trafen verschiedne Umstände zusammen, um dieß
zu verhindern.

Einmal wirkten so viel ich sehe die Irrungen zwischen
Frankreich und Burgund auf diese Sache zurück. Frank-
reich war für die Ideen des Concils und bildete sie zu
der pragmatischen Sanction aus; Burgund war für den
Papst. Von den deutschen Fürsten standen einige mit dem
König, andre mit dem Herzog in engster Verbindung.

Sodann ward für den Papst viel geschickter unter-
handelt. Wenn man den Mann der deutschen Opposition,
Gregor von Heimburg, der sich seines Sieges schon ver-
sichert hielt, und als er nach Rom gesandt war, sich selbst
an dem Fuß des Vaticans in tausend Verwünschungen ge-
gen die Curie ergoß, -- man sah ihn dort mit ganz ver-
nachläßigtem Äußern, offenem Hals, seinen kahlen Kopf
entblößt, umhergehn, und der Curie Trotz bieten -- wenn
man diesen mit dem feinen, verschlagenen, still-ehrgeizigen,
glücklich emporstrebenden Äneas Sylvius verglich, der gar
manchem Herrn gedient, und immer in eines jeden Ver-

trauen

Einleitung.
zwei geiſtliche Churfürſten abzuſetzen, durch die Drohung,
ſie würden zu ſeinem Gegner übergehn, dieſe Abſetzung zu-
rückzunehmen.

Hätte man dieſen Gang einmüthig und ſtandhaft ver-
folgt, ſo würde die deutſche katholiſche Kirche, in ſo vie-
len großen Fürſtenthümern und der reichſten Ausſtattung
der Welt auf das großartigſte begründet, eine wahrhaft
ſelbſtändige Stellung gewonnen haben: in der ſie die ſpä-
tern doctrinellen Stürme ſo gut hätte überdauern können
wie die engliſche.

Es trafen verſchiedne Umſtände zuſammen, um dieß
zu verhindern.

Einmal wirkten ſo viel ich ſehe die Irrungen zwiſchen
Frankreich und Burgund auf dieſe Sache zurück. Frank-
reich war für die Ideen des Concils und bildete ſie zu
der pragmatiſchen Sanction aus; Burgund war für den
Papſt. Von den deutſchen Fürſten ſtanden einige mit dem
König, andre mit dem Herzog in engſter Verbindung.

Sodann ward für den Papſt viel geſchickter unter-
handelt. Wenn man den Mann der deutſchen Oppoſition,
Gregor von Heimburg, der ſich ſeines Sieges ſchon ver-
ſichert hielt, und als er nach Rom geſandt war, ſich ſelbſt
an dem Fuß des Vaticans in tauſend Verwünſchungen ge-
gen die Curie ergoß, — man ſah ihn dort mit ganz ver-
nachläßigtem Äußern, offenem Hals, ſeinen kahlen Kopf
entblößt, umhergehn, und der Curie Trotz bieten — wenn
man dieſen mit dem feinen, verſchlagenen, ſtill-ehrgeizigen,
glücklich emporſtrebenden Äneas Sylvius verglich, der gar
manchem Herrn gedient, und immer in eines jeden Ver-

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[48/0066] Einleitung. zwei geiſtliche Churfürſten abzuſetzen, durch die Drohung, ſie würden zu ſeinem Gegner übergehn, dieſe Abſetzung zu- rückzunehmen. Hätte man dieſen Gang einmüthig und ſtandhaft ver- folgt, ſo würde die deutſche katholiſche Kirche, in ſo vie- len großen Fürſtenthümern und der reichſten Ausſtattung der Welt auf das großartigſte begründet, eine wahrhaft ſelbſtändige Stellung gewonnen haben: in der ſie die ſpä- tern doctrinellen Stürme ſo gut hätte überdauern können wie die engliſche. Es trafen verſchiedne Umſtände zuſammen, um dieß zu verhindern. Einmal wirkten ſo viel ich ſehe die Irrungen zwiſchen Frankreich und Burgund auf dieſe Sache zurück. Frank- reich war für die Ideen des Concils und bildete ſie zu der pragmatiſchen Sanction aus; Burgund war für den Papſt. Von den deutſchen Fürſten ſtanden einige mit dem König, andre mit dem Herzog in engſter Verbindung. Sodann ward für den Papſt viel geſchickter unter- handelt. Wenn man den Mann der deutſchen Oppoſition, Gregor von Heimburg, der ſich ſeines Sieges ſchon ver- ſichert hielt, und als er nach Rom geſandt war, ſich ſelbſt an dem Fuß des Vaticans in tauſend Verwünſchungen ge- gen die Curie ergoß, — man ſah ihn dort mit ganz ver- nachläßigtem Äußern, offenem Hals, ſeinen kahlen Kopf entblößt, umhergehn, und der Curie Trotz bieten — wenn man dieſen mit dem feinen, verſchlagenen, ſtill-ehrgeizigen, glücklich emporſtrebenden Äneas Sylvius verglich, der gar manchem Herrn gedient, und immer in eines jeden Ver- trauen

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/66>, abgerufen am 21.11.2024.