Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Einleitung.
Lage der Dinge um die Mitte des funfzehnten
Jahrhunderts.

Wir sehen, welch einen überaus großartigen Einfluß
die deutschen Fürsten von jeher ausgeübt haben.

Zuerst war das Kaiserthum aus ihrer Mitte mit ihrer
Hülfe zu seiner Gewalt aufgestiegen; dann hatten sie die
Emancipation des Papstthums, die zugleich ihre eigene
war, unterstützt; jetzt standen sie beiden gegenüber. So
sehr sie auch noch an der Idee von Kaiserthum und Papst-
thum festhielten, davon durchdrungen waren, so war doch
dabei ihr Sinn, die Eingriffe so gut des einen wie des
andern abzuwehren; ihre Macht war bereits so selbständig,
daß sich Kaiser und Papst gegen sie zu verbünden für nö-
thig hielten.

Fragen wir nun aber, wer sie waren, diese Großen,
worauf ihre Macht beruhte, so zeigt sich, daß, nach lan-
gem Keimen und Wachsen, in dem funfzehnten Jahrhun-
dert das weltliche Erb-Fürstenthum mächtig emporkam
und wenn wir so sagen dürfen, nachdem es seine Wurzeln
lange in die Tiefe gesenkt, jetzt seine Wipfel über alle nie-
drigeren Gewächse frei in die Lüfte zu erheben begann.

Alle die mächtigen Häuser, die seitdem die Gewalt
gehabt, nahmen damals ihre Stellung ein.

In dem östlichen Norddeutschland traten die Hohen-
zollern auf: in einem ganz zerrütteten Lande; aber mit ei-
ner so besonnenen Kraft und entschlossenen Umsicht, daß
es ihnen in Kurzem gelang, die Nachbarn in ihre alten

Einleitung.
Lage der Dinge um die Mitte des funfzehnten
Jahrhunderts.

Wir ſehen, welch einen überaus großartigen Einfluß
die deutſchen Fürſten von jeher ausgeübt haben.

Zuerſt war das Kaiſerthum aus ihrer Mitte mit ihrer
Hülfe zu ſeiner Gewalt aufgeſtiegen; dann hatten ſie die
Emancipation des Papſtthums, die zugleich ihre eigene
war, unterſtützt; jetzt ſtanden ſie beiden gegenüber. So
ſehr ſie auch noch an der Idee von Kaiſerthum und Papſt-
thum feſthielten, davon durchdrungen waren, ſo war doch
dabei ihr Sinn, die Eingriffe ſo gut des einen wie des
andern abzuwehren; ihre Macht war bereits ſo ſelbſtändig,
daß ſich Kaiſer und Papſt gegen ſie zu verbünden für nö-
thig hielten.

Fragen wir nun aber, wer ſie waren, dieſe Großen,
worauf ihre Macht beruhte, ſo zeigt ſich, daß, nach lan-
gem Keimen und Wachſen, in dem funfzehnten Jahrhun-
dert das weltliche Erb-Fürſtenthum mächtig emporkam
und wenn wir ſo ſagen dürfen, nachdem es ſeine Wurzeln
lange in die Tiefe geſenkt, jetzt ſeine Wipfel über alle nie-
drigeren Gewächſe frei in die Lüfte zu erheben begann.

Alle die mächtigen Häuſer, die ſeitdem die Gewalt
gehabt, nahmen damals ihre Stellung ein.

In dem öſtlichen Norddeutſchland traten die Hohen-
zollern auf: in einem ganz zerrütteten Lande; aber mit ei-
ner ſo beſonnenen Kraft und entſchloſſenen Umſicht, daß
es ihnen in Kurzem gelang, die Nachbarn in ihre alten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0080" n="62"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Lage der Dinge um die Mitte des funfzehnten<lb/>
Jahrhunderts.</head><lb/>
          <p>Wir &#x017F;ehen, welch einen überaus großartigen Einfluß<lb/>
die deut&#x017F;chen Für&#x017F;ten von jeher ausgeübt haben.</p><lb/>
          <p>Zuer&#x017F;t war das Kai&#x017F;erthum aus ihrer Mitte mit ihrer<lb/>
Hülfe zu &#x017F;einer Gewalt aufge&#x017F;tiegen; dann hatten &#x017F;ie die<lb/>
Emancipation des Pap&#x017F;tthums, die zugleich ihre eigene<lb/>
war, unter&#x017F;tützt; jetzt &#x017F;tanden &#x017F;ie beiden gegenüber. So<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;ie auch noch an der Idee von Kai&#x017F;erthum und Pap&#x017F;t-<lb/>
thum fe&#x017F;thielten, davon durchdrungen waren, &#x017F;o war doch<lb/>
dabei ihr Sinn, die Eingriffe &#x017F;o gut des einen wie des<lb/>
andern abzuwehren; ihre Macht war bereits &#x017F;o &#x017F;elb&#x017F;tändig,<lb/>
daß &#x017F;ich Kai&#x017F;er und Pap&#x017F;t gegen &#x017F;ie zu verbünden für nö-<lb/>
thig hielten.</p><lb/>
          <p>Fragen wir nun aber, wer &#x017F;ie waren, die&#x017F;e Großen,<lb/>
worauf ihre Macht beruhte, &#x017F;o zeigt &#x017F;ich, daß, nach lan-<lb/>
gem Keimen und Wach&#x017F;en, in dem funfzehnten Jahrhun-<lb/>
dert das weltliche Erb-Für&#x017F;tenthum mächtig emporkam<lb/>
und wenn wir &#x017F;o &#x017F;agen dürfen, nachdem es &#x017F;eine Wurzeln<lb/>
lange in die Tiefe ge&#x017F;enkt, jetzt &#x017F;eine Wipfel über alle nie-<lb/>
drigeren Gewäch&#x017F;e frei in die Lüfte zu erheben begann.</p><lb/>
          <p>Alle die mächtigen Häu&#x017F;er, die &#x017F;eitdem die Gewalt<lb/>
gehabt, nahmen damals ihre Stellung ein.</p><lb/>
          <p>In dem ö&#x017F;tlichen Norddeut&#x017F;chland traten die Hohen-<lb/>
zollern auf: in einem ganz zerrütteten Lande; aber mit ei-<lb/>
ner &#x017F;o be&#x017F;onnenen Kraft und ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Um&#x017F;icht, daß<lb/>
es ihnen in Kurzem gelang, die Nachbarn in ihre alten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0080] Einleitung. Lage der Dinge um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts. Wir ſehen, welch einen überaus großartigen Einfluß die deutſchen Fürſten von jeher ausgeübt haben. Zuerſt war das Kaiſerthum aus ihrer Mitte mit ihrer Hülfe zu ſeiner Gewalt aufgeſtiegen; dann hatten ſie die Emancipation des Papſtthums, die zugleich ihre eigene war, unterſtützt; jetzt ſtanden ſie beiden gegenüber. So ſehr ſie auch noch an der Idee von Kaiſerthum und Papſt- thum feſthielten, davon durchdrungen waren, ſo war doch dabei ihr Sinn, die Eingriffe ſo gut des einen wie des andern abzuwehren; ihre Macht war bereits ſo ſelbſtändig, daß ſich Kaiſer und Papſt gegen ſie zu verbünden für nö- thig hielten. Fragen wir nun aber, wer ſie waren, dieſe Großen, worauf ihre Macht beruhte, ſo zeigt ſich, daß, nach lan- gem Keimen und Wachſen, in dem funfzehnten Jahrhun- dert das weltliche Erb-Fürſtenthum mächtig emporkam und wenn wir ſo ſagen dürfen, nachdem es ſeine Wurzeln lange in die Tiefe geſenkt, jetzt ſeine Wipfel über alle nie- drigeren Gewächſe frei in die Lüfte zu erheben begann. Alle die mächtigen Häuſer, die ſeitdem die Gewalt gehabt, nahmen damals ihre Stellung ein. In dem öſtlichen Norddeutſchland traten die Hohen- zollern auf: in einem ganz zerrütteten Lande; aber mit ei- ner ſo beſonnenen Kraft und entſchloſſenen Umſicht, daß es ihnen in Kurzem gelang, die Nachbarn in ihre alten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/80
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/80>, abgerufen am 21.11.2024.