Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Sickingen.
Rückhalt verlieh, ihn insgeheim oder offen unterstützte.
Da ward er aus einem nicht sehr bedeutenden Ritter, dem
ein paar Burgen gehörten, in kurzer Zeit ein mächtiger
Condottiere, der ein kleines Kriegsheer auf eigene Hand
ins Feld stellen konnte. Je angesehener er aber wurde,
desto mehr fühlte er sich auch versucht und berechtigt, seine
eigne Politik zu befolgen. Zuerst in dem wirtenbergischen
Kriege riß er sich von dem Churfürsten los, dem diese Un-
ternehmung nicht eben sehr erwünscht kam. Doch auch
an den schwäbischen Bund schloß er sich darum nicht an:
sehr bald trat er vielmehr mit den fränkischen Rittern,
die dieser anfeindete, in das engste Verständniß. Eben
hierin liegt das Großartige seiner Haltung. Wir sahen
wie sich einige Jahre früher Wirtenberg, die Pfalz, Würz-
burg dem schwäbischen Bunde entgegensetzten und dabei
auch die Ritterschaft auf ihrer Seite hatten. Jetzt hatten
sich die Fürsten genöthigt gesehen in den Bund zu treten:
Wirtenberg war besiegt worden: Sickingen und die Ritter-
schaft hielten die Opposition allein aufrecht. Der Gedanke er-
hob sich in ihnen noch einmal die alten Grundlagen der Un-
abhängigkeit des Adels zu beleben, sich der Territorialherr-
schaft geistlicher und weltlicher Fürsten zu entledigen, der
neuen religiösen Überzeugung Bahn zu brechen. Es ist die
eigenste Combination: mitten in den Gewaltsamkeiten die man
begeht, hat man doch einen lebendig offenen Sinn für groß-
artige Ideen: eben in dieser Verbindung besteht das Wesen
des Adels jener Zeit. Indessen war man weder geistig so
kraftvoll, noch politisch so mächtig, um Gedanken dieser
Art durchzuführen. Wie Sickingen endlich das Fürsten-

Sickingen.
Rückhalt verlieh, ihn insgeheim oder offen unterſtützte.
Da ward er aus einem nicht ſehr bedeutenden Ritter, dem
ein paar Burgen gehörten, in kurzer Zeit ein mächtiger
Condottiere, der ein kleines Kriegsheer auf eigene Hand
ins Feld ſtellen konnte. Je angeſehener er aber wurde,
deſto mehr fühlte er ſich auch verſucht und berechtigt, ſeine
eigne Politik zu befolgen. Zuerſt in dem wirtenbergiſchen
Kriege riß er ſich von dem Churfürſten los, dem dieſe Un-
ternehmung nicht eben ſehr erwünſcht kam. Doch auch
an den ſchwäbiſchen Bund ſchloß er ſich darum nicht an:
ſehr bald trat er vielmehr mit den fränkiſchen Rittern,
die dieſer anfeindete, in das engſte Verſtändniß. Eben
hierin liegt das Großartige ſeiner Haltung. Wir ſahen
wie ſich einige Jahre früher Wirtenberg, die Pfalz, Würz-
burg dem ſchwäbiſchen Bunde entgegenſetzten und dabei
auch die Ritterſchaft auf ihrer Seite hatten. Jetzt hatten
ſich die Fürſten genöthigt geſehen in den Bund zu treten:
Wirtenberg war beſiegt worden: Sickingen und die Ritter-
ſchaft hielten die Oppoſition allein aufrecht. Der Gedanke er-
hob ſich in ihnen noch einmal die alten Grundlagen der Un-
abhängigkeit des Adels zu beleben, ſich der Territorialherr-
ſchaft geiſtlicher und weltlicher Fürſten zu entledigen, der
neuen religiöſen Überzeugung Bahn zu brechen. Es iſt die
eigenſte Combination: mitten in den Gewaltſamkeiten die man
begeht, hat man doch einen lebendig offenen Sinn für groß-
artige Ideen: eben in dieſer Verbindung beſteht das Weſen
des Adels jener Zeit. Indeſſen war man weder geiſtig ſo
kraftvoll, noch politiſch ſo mächtig, um Gedanken dieſer
Art durchzuführen. Wie Sickingen endlich das Fürſten-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0129" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sickingen</hi>.</fw><lb/>
Rückhalt verlieh, ihn insgeheim oder offen unter&#x017F;tützte.<lb/>
Da ward er aus einem nicht &#x017F;ehr bedeutenden Ritter, dem<lb/>
ein paar Burgen gehörten, in kurzer Zeit ein mächtiger<lb/>
Condottiere, der ein kleines Kriegsheer auf eigene Hand<lb/>
ins Feld &#x017F;tellen konnte. Je ange&#x017F;ehener er aber wurde,<lb/>
de&#x017F;to mehr fühlte er &#x017F;ich auch ver&#x017F;ucht und berechtigt, &#x017F;eine<lb/>
eigne Politik zu befolgen. Zuer&#x017F;t in dem wirtenbergi&#x017F;chen<lb/>
Kriege riß er &#x017F;ich von dem Churfür&#x017F;ten los, dem die&#x017F;e Un-<lb/>
ternehmung nicht eben &#x017F;ehr erwün&#x017F;cht kam. Doch auch<lb/>
an den &#x017F;chwäbi&#x017F;chen Bund &#x017F;chloß er &#x017F;ich darum nicht an:<lb/>
&#x017F;ehr bald trat er vielmehr mit den fränki&#x017F;chen Rittern,<lb/>
die die&#x017F;er anfeindete, in das eng&#x017F;te Ver&#x017F;tändniß. Eben<lb/>
hierin liegt das Großartige &#x017F;einer Haltung. Wir &#x017F;ahen<lb/>
wie &#x017F;ich einige Jahre früher Wirtenberg, die Pfalz, Würz-<lb/>
burg dem &#x017F;chwäbi&#x017F;chen Bunde entgegen&#x017F;etzten und dabei<lb/>
auch die Ritter&#x017F;chaft auf ihrer Seite hatten. Jetzt hatten<lb/>
&#x017F;ich die Für&#x017F;ten genöthigt ge&#x017F;ehen in den Bund zu treten:<lb/>
Wirtenberg war be&#x017F;iegt worden: Sickingen und die Ritter-<lb/>
&#x017F;chaft hielten die Oppo&#x017F;ition allein aufrecht. Der Gedanke er-<lb/>
hob &#x017F;ich in ihnen noch einmal die alten Grundlagen der Un-<lb/>
abhängigkeit des Adels zu beleben, &#x017F;ich der Territorialherr-<lb/>
&#x017F;chaft gei&#x017F;tlicher und weltlicher Für&#x017F;ten zu entledigen, der<lb/>
neuen religiö&#x017F;en Überzeugung Bahn zu brechen. Es i&#x017F;t die<lb/>
eigen&#x017F;te Combination: mitten in den Gewalt&#x017F;amkeiten die man<lb/>
begeht, hat man doch einen lebendig offenen Sinn für groß-<lb/>
artige Ideen: eben in die&#x017F;er Verbindung be&#x017F;teht das We&#x017F;en<lb/>
des Adels jener Zeit. Inde&#x017F;&#x017F;en war man weder gei&#x017F;tig &#x017F;o<lb/>
kraftvoll, noch politi&#x017F;ch &#x017F;o mächtig, um Gedanken die&#x017F;er<lb/>
Art durchzuführen. Wie Sickingen endlich das Für&#x017F;ten-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0129] Sickingen. Rückhalt verlieh, ihn insgeheim oder offen unterſtützte. Da ward er aus einem nicht ſehr bedeutenden Ritter, dem ein paar Burgen gehörten, in kurzer Zeit ein mächtiger Condottiere, der ein kleines Kriegsheer auf eigene Hand ins Feld ſtellen konnte. Je angeſehener er aber wurde, deſto mehr fühlte er ſich auch verſucht und berechtigt, ſeine eigne Politik zu befolgen. Zuerſt in dem wirtenbergiſchen Kriege riß er ſich von dem Churfürſten los, dem dieſe Un- ternehmung nicht eben ſehr erwünſcht kam. Doch auch an den ſchwäbiſchen Bund ſchloß er ſich darum nicht an: ſehr bald trat er vielmehr mit den fränkiſchen Rittern, die dieſer anfeindete, in das engſte Verſtändniß. Eben hierin liegt das Großartige ſeiner Haltung. Wir ſahen wie ſich einige Jahre früher Wirtenberg, die Pfalz, Würz- burg dem ſchwäbiſchen Bunde entgegenſetzten und dabei auch die Ritterſchaft auf ihrer Seite hatten. Jetzt hatten ſich die Fürſten genöthigt geſehen in den Bund zu treten: Wirtenberg war beſiegt worden: Sickingen und die Ritter- ſchaft hielten die Oppoſition allein aufrecht. Der Gedanke er- hob ſich in ihnen noch einmal die alten Grundlagen der Un- abhängigkeit des Adels zu beleben, ſich der Territorialherr- ſchaft geiſtlicher und weltlicher Fürſten zu entledigen, der neuen religiöſen Überzeugung Bahn zu brechen. Es iſt die eigenſte Combination: mitten in den Gewaltſamkeiten die man begeht, hat man doch einen lebendig offenen Sinn für groß- artige Ideen: eben in dieſer Verbindung beſteht das Weſen des Adels jener Zeit. Indeſſen war man weder geiſtig ſo kraftvoll, noch politiſch ſo mächtig, um Gedanken dieſer Art durchzuführen. Wie Sickingen endlich das Fürſten-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/129
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/129>, abgerufen am 27.11.2024.