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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Viertes Capitel.

Als es nun zu den entscheidenden Berathungen über
die religiöse Angelegenheit kam, so bewirkte wohl die Con-
sequenz des Geschäftsganges, die Anwesenheit des kaiserli-
chen Commissars so viel, daß die Stände nicht in Abrede
stellten, zur Ausführung des Wormser Edictes verpflichtet
zu seyn: allein sie fügten diesem Eingeständniß eine Clau-
sel hinzu, die doch wieder das Gegentheil enthielt: die Er-
klärung: es ausführen zu wollen, so viel als möglich:
eine Modification von so weitem Umfang, daß doch einem
Jeden überlassen blieb was er thun wolle. Schon hatten
die Städte weitläuftig vorgestellt, es sey nicht möglich!
Zugleich ward die Forderung eines Conciliums erneuert,
welches der Papst mit kaiserlicher Bewilligung in deut-
scher Nation ausschreiben solle, und der Legat übernahm
das bei S. Heiligkeit treulich zu fördern.

Konnte man sich jedoch hiebei wirklich beruhigen?
bei der allgemeinen Gährung der Geister das Zusammen-
treten einer in so weiter Ferne liegenden Kirchenversamm-
lung und ihre Beschlüsse erwarten? Konnte die deutsche
Nation die Einheit ihrer antirömischen Tendenzen, die so
tiefe Wurzeln geschlagen, so weit aufgeben, um es auf die
Resultate einer Versammlung aus allen Nationen ankom-
men zu lassen?

Eben in dem Augenblicke, als die Vertreter der re-
formatorischen Absichten, die im Regiment saßen, gestürzt

Versprechen einer Pfründe den geschickten armen Schoner dahin ge-
bracht, ihm seine mathematischen Instrumente zu verehren, und ihm
dann weder die Pfründe verschafft, noch die Instrumente vergütet
habe, bei Strobel: Nachricht vom Aufenthalt Melanchthons in Nürn-
berg p. 18.
Drittes Buch. Viertes Capitel.

Als es nun zu den entſcheidenden Berathungen über
die religiöſe Angelegenheit kam, ſo bewirkte wohl die Con-
ſequenz des Geſchäftsganges, die Anweſenheit des kaiſerli-
chen Commiſſars ſo viel, daß die Stände nicht in Abrede
ſtellten, zur Ausführung des Wormſer Edictes verpflichtet
zu ſeyn: allein ſie fügten dieſem Eingeſtändniß eine Clau-
ſel hinzu, die doch wieder das Gegentheil enthielt: die Er-
klärung: es ausführen zu wollen, ſo viel als möglich:
eine Modification von ſo weitem Umfang, daß doch einem
Jeden überlaſſen blieb was er thun wolle. Schon hatten
die Städte weitläuftig vorgeſtellt, es ſey nicht möglich!
Zugleich ward die Forderung eines Conciliums erneuert,
welches der Papſt mit kaiſerlicher Bewilligung in deut-
ſcher Nation ausſchreiben ſolle, und der Legat übernahm
das bei S. Heiligkeit treulich zu fördern.

Konnte man ſich jedoch hiebei wirklich beruhigen?
bei der allgemeinen Gährung der Geiſter das Zuſammen-
treten einer in ſo weiter Ferne liegenden Kirchenverſamm-
lung und ihre Beſchlüſſe erwarten? Konnte die deutſche
Nation die Einheit ihrer antirömiſchen Tendenzen, die ſo
tiefe Wurzeln geſchlagen, ſo weit aufgeben, um es auf die
Reſultate einer Verſammlung aus allen Nationen ankom-
men zu laſſen?

Eben in dem Augenblicke, als die Vertreter der re-
formatoriſchen Abſichten, die im Regiment ſaßen, geſtürzt

Verſprechen einer Pfruͤnde den geſchickten armen Schoner dahin ge-
bracht, ihm ſeine mathematiſchen Inſtrumente zu verehren, und ihm
dann weder die Pfruͤnde verſchafft, noch die Inſtrumente verguͤtet
habe, bei Strobel: Nachricht vom Aufenthalt Melanchthons in Nuͤrn-
berg p. 18.
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[142/0152] Drittes Buch. Viertes Capitel. Als es nun zu den entſcheidenden Berathungen über die religiöſe Angelegenheit kam, ſo bewirkte wohl die Con- ſequenz des Geſchäftsganges, die Anweſenheit des kaiſerli- chen Commiſſars ſo viel, daß die Stände nicht in Abrede ſtellten, zur Ausführung des Wormſer Edictes verpflichtet zu ſeyn: allein ſie fügten dieſem Eingeſtändniß eine Clau- ſel hinzu, die doch wieder das Gegentheil enthielt: die Er- klärung: es ausführen zu wollen, ſo viel als möglich: eine Modification von ſo weitem Umfang, daß doch einem Jeden überlaſſen blieb was er thun wolle. Schon hatten die Städte weitläuftig vorgeſtellt, es ſey nicht möglich! Zugleich ward die Forderung eines Conciliums erneuert, welches der Papſt mit kaiſerlicher Bewilligung in deut- ſcher Nation ausſchreiben ſolle, und der Legat übernahm das bei S. Heiligkeit treulich zu fördern. Konnte man ſich jedoch hiebei wirklich beruhigen? bei der allgemeinen Gährung der Geiſter das Zuſammen- treten einer in ſo weiter Ferne liegenden Kirchenverſamm- lung und ihre Beſchlüſſe erwarten? Konnte die deutſche Nation die Einheit ihrer antirömiſchen Tendenzen, die ſo tiefe Wurzeln geſchlagen, ſo weit aufgeben, um es auf die Reſultate einer Verſammlung aus allen Nationen ankom- men zu laſſen? Eben in dem Augenblicke, als die Vertreter der re- formatoriſchen Abſichten, die im Regiment ſaßen, geſtürzt 2 2 Verſprechen einer Pfruͤnde den geſchickten armen Schoner dahin ge- bracht, ihm ſeine mathematiſchen Inſtrumente zu verehren, und ihm dann weder die Pfruͤnde verſchafft, noch die Inſtrumente verguͤtet habe, bei Strobel: Nachricht vom Aufenthalt Melanchthons in Nuͤrn- berg p. 18.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/152>, abgerufen am 23.11.2024.