Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Reichstag von 1524.
klärten: der gemeine Mann sey voll Begierde nach dem
Worte Gottes, es ihm entreißen zu wollen, würde Auf-
ruhr, Blutvergießen und das allgemeine Verderben veran-
lassen: bei den Beschlüssen des vorigen Jahres müsse man
schlechterdings beharren. Mit einem Worte: in Sachen
der Religion behauptete sich die alte mit Rom unzufrie-
dene Majorität in den Reichsständen. Bald nach seiner
Ankunft erinnerte man den Legaten an die hundert Be-
schwerden der Nation, welche man seinem letzten Vorgän-
ger mitgegeben. Man hatte das in Rom erwartet, man
hatte dem Abgeordneten die Instruction ertheilt, sich an-
zustellen als sey die Beschwerdeschrift nicht wirklich im
Namen der Fürsten in Empfang genommen worden. 1
Demgemäß antwortete Campeggi mit sehr unumwölkter
Stirne, von jenen Beschwerden sey gar keine amtliche
Kunde nach Rom gelangt: in drei Exemplaren möge der
Druck nach Rom gekommen seyn, auch er habe eins ge-
sehen, sich jedoch nicht überreden können, daß eine "so
übermäßig ungeschickte Schrift" von dem Reichstag aus-
gegangen sey. Eine Erklärung die sich denn allerdings nicht
eignete, die weltlichen Stände zu befriedigen, die es mit
den so oft berathenen und so mühsam zu Stande gebrach-
ten Beschwerden sehr ernstlich gemeint hatten.

Auch das persönliche Betragen des Legaten, dem man
einen kleinlichen Geiz, empörende Übervortheilungen armer
deutscher Geistlichen Schuld gab, war seinen Unterhand-
lungen nicht förderlich. 2


1 Pallavicini I, 222: che dissimulasse che la scrittura si
fosse ricevulta per nome de' principi.
2 Ausführliche gleichzeitige Erzählung, wie der Legat durch das

Reichstag von 1524.
klärten: der gemeine Mann ſey voll Begierde nach dem
Worte Gottes, es ihm entreißen zu wollen, würde Auf-
ruhr, Blutvergießen und das allgemeine Verderben veran-
laſſen: bei den Beſchlüſſen des vorigen Jahres müſſe man
ſchlechterdings beharren. Mit einem Worte: in Sachen
der Religion behauptete ſich die alte mit Rom unzufrie-
dene Majorität in den Reichsſtänden. Bald nach ſeiner
Ankunft erinnerte man den Legaten an die hundert Be-
ſchwerden der Nation, welche man ſeinem letzten Vorgän-
ger mitgegeben. Man hatte das in Rom erwartet, man
hatte dem Abgeordneten die Inſtruction ertheilt, ſich an-
zuſtellen als ſey die Beſchwerdeſchrift nicht wirklich im
Namen der Fürſten in Empfang genommen worden. 1
Demgemäß antwortete Campeggi mit ſehr unumwölkter
Stirne, von jenen Beſchwerden ſey gar keine amtliche
Kunde nach Rom gelangt: in drei Exemplaren möge der
Druck nach Rom gekommen ſeyn, auch er habe eins ge-
ſehen, ſich jedoch nicht überreden können, daß eine „ſo
übermäßig ungeſchickte Schrift“ von dem Reichstag aus-
gegangen ſey. Eine Erklärung die ſich denn allerdings nicht
eignete, die weltlichen Stände zu befriedigen, die es mit
den ſo oft berathenen und ſo mühſam zu Stande gebrach-
ten Beſchwerden ſehr ernſtlich gemeint hatten.

Auch das perſönliche Betragen des Legaten, dem man
einen kleinlichen Geiz, empörende Übervortheilungen armer
deutſcher Geiſtlichen Schuld gab, war ſeinen Unterhand-
lungen nicht förderlich. 2


1 Pallavicini I, 222: che dissimulasse che la scrittura si
fosse ricevulta per nome de’ principi.
2 Ausfuͤhrliche gleichzeitige Erzaͤhlung, wie der Legat durch das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0151" n="141"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reichstag von</hi> 1524.</fw><lb/>
klärten: der gemeine Mann &#x017F;ey voll Begierde nach dem<lb/>
Worte Gottes, es ihm entreißen zu wollen, würde Auf-<lb/>
ruhr, Blutvergießen und das allgemeine Verderben veran-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en: bei den Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en des vorigen Jahres mü&#x017F;&#x017F;e man<lb/>
&#x017F;chlechterdings beharren. Mit einem Worte: in Sachen<lb/>
der Religion behauptete &#x017F;ich die alte mit Rom unzufrie-<lb/>
dene Majorität in den Reichs&#x017F;tänden. Bald nach &#x017F;einer<lb/>
Ankunft erinnerte man den Legaten an die hundert Be-<lb/>
&#x017F;chwerden der Nation, welche man &#x017F;einem letzten Vorgän-<lb/>
ger mitgegeben. Man hatte das in Rom erwartet, man<lb/>
hatte dem Abgeordneten die In&#x017F;truction ertheilt, &#x017F;ich an-<lb/>
zu&#x017F;tellen als &#x017F;ey die Be&#x017F;chwerde&#x017F;chrift nicht wirklich im<lb/>
Namen der Für&#x017F;ten in Empfang genommen worden. <note place="foot" n="1">Pallavicini <hi rendition="#aq">I, 222: che dissimulasse che la scrittura si<lb/>
fosse ricevulta per nome de&#x2019; principi.</hi></note><lb/>
Demgemäß antwortete Campeggi mit &#x017F;ehr unumwölkter<lb/>
Stirne, von jenen Be&#x017F;chwerden &#x017F;ey gar keine amtliche<lb/>
Kunde nach Rom gelangt: in drei Exemplaren möge der<lb/>
Druck nach Rom gekommen &#x017F;eyn, auch er habe eins ge-<lb/>
&#x017F;ehen, &#x017F;ich jedoch nicht überreden können, daß eine &#x201E;&#x017F;o<lb/>
übermäßig unge&#x017F;chickte Schrift&#x201C; von dem Reichstag aus-<lb/>
gegangen &#x017F;ey. Eine Erklärung die &#x017F;ich denn allerdings nicht<lb/>
eignete, die weltlichen Stände zu befriedigen, die es mit<lb/>
den &#x017F;o oft berathenen und &#x017F;o müh&#x017F;am zu Stande gebrach-<lb/>
ten Be&#x017F;chwerden &#x017F;ehr ern&#x017F;tlich gemeint hatten.</p><lb/>
            <p>Auch das per&#x017F;önliche Betragen des Legaten, dem man<lb/>
einen kleinlichen Geiz, empörende Übervortheilungen armer<lb/>
deut&#x017F;cher Gei&#x017F;tlichen Schuld gab, war &#x017F;einen Unterhand-<lb/>
lungen nicht förderlich. <note xml:id="seg2pn_13_1" next="#seg2pn_13_2" place="foot" n="2">Ausfu&#x0364;hrliche gleichzeitige Erza&#x0364;hlung, wie der Legat durch das</note></p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0151] Reichstag von 1524. klärten: der gemeine Mann ſey voll Begierde nach dem Worte Gottes, es ihm entreißen zu wollen, würde Auf- ruhr, Blutvergießen und das allgemeine Verderben veran- laſſen: bei den Beſchlüſſen des vorigen Jahres müſſe man ſchlechterdings beharren. Mit einem Worte: in Sachen der Religion behauptete ſich die alte mit Rom unzufrie- dene Majorität in den Reichsſtänden. Bald nach ſeiner Ankunft erinnerte man den Legaten an die hundert Be- ſchwerden der Nation, welche man ſeinem letzten Vorgän- ger mitgegeben. Man hatte das in Rom erwartet, man hatte dem Abgeordneten die Inſtruction ertheilt, ſich an- zuſtellen als ſey die Beſchwerdeſchrift nicht wirklich im Namen der Fürſten in Empfang genommen worden. 1 Demgemäß antwortete Campeggi mit ſehr unumwölkter Stirne, von jenen Beſchwerden ſey gar keine amtliche Kunde nach Rom gelangt: in drei Exemplaren möge der Druck nach Rom gekommen ſeyn, auch er habe eins ge- ſehen, ſich jedoch nicht überreden können, daß eine „ſo übermäßig ungeſchickte Schrift“ von dem Reichstag aus- gegangen ſey. Eine Erklärung die ſich denn allerdings nicht eignete, die weltlichen Stände zu befriedigen, die es mit den ſo oft berathenen und ſo mühſam zu Stande gebrach- ten Beſchwerden ſehr ernſtlich gemeint hatten. Auch das perſönliche Betragen des Legaten, dem man einen kleinlichen Geiz, empörende Übervortheilungen armer deutſcher Geiſtlichen Schuld gab, war ſeinen Unterhand- lungen nicht förderlich. 2 1 Pallavicini I, 222: che dissimulasse che la scrittura si fosse ricevulta per nome de’ principi. 2 Ausfuͤhrliche gleichzeitige Erzaͤhlung, wie der Legat durch das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/151
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/151>, abgerufen am 23.11.2024.