in Speier würden einander die mannichfaltigsten Modifi- cationen der Meinung entgegengetreten seyn, sich gegen einander versucht haben. Zu welchen Resultaten hätte es führen müssen, wenn man vermocht hätte, die Absicht durch- zuführen die man ausgesprochen hatte, sich gemäßigt und friedlich zu unterreden, das Gute und Böse von einander zu sondern.
Es ließ sich wohl nichts anders erwarten als aber- mals eine evangelische Majorität, wie denn der Vor- schlag von einer solchen herrührte; allein so war nun einmal die Lage der Dinge: wollte die Nation bestehen, so mußte sie sich der römischen Eingriffe erwehren: die religiöse Bewegung konnte nicht mehr erstickt, sie konnte nur noch geleitet werden. Eben dazu war die National- versammlung bestimmt. Und das wenigstens läßt sich nicht sagen, daß sie die Einheit der Nation gefährdet hätte. Vielmehr: wenn sie ihren Zweck erreichte, so mußte sie dieselbe noch viel fester begründen.
Fragen wir nun, wer in diesem entscheidenden Mo- mente sich von der Einheit der Nation losgerissen hat, so müssen wir untersuchen, wie es geschah daß die bereits so ernstlich vorbereitete Versammlung doch unterblieb.
Es ist sehr natürlich, daß sich ihr der römische Stuhl widersetzte. So bedeutend und Zukunfterfüllt die Aussicht war, welche sie der deutschen Nation darbot, eben so ge- fährlich und verderblich mußte sie in Rom erscheinen.
Wir haben Nachricht von einer Congregation die un- ter diesen Umständen vor Papst Clemens VII gehalten ward, worin man die Mittel in Berathung zog, die Bulle
Urſprung der Spaltung in der Nation.
in Speier würden einander die mannichfaltigſten Modifi- cationen der Meinung entgegengetreten ſeyn, ſich gegen einander verſucht haben. Zu welchen Reſultaten hätte es führen müſſen, wenn man vermocht hätte, die Abſicht durch- zuführen die man ausgeſprochen hatte, ſich gemäßigt und friedlich zu unterreden, das Gute und Böſe von einander zu ſondern.
Es ließ ſich wohl nichts anders erwarten als aber- mals eine evangeliſche Majorität, wie denn der Vor- ſchlag von einer ſolchen herrührte; allein ſo war nun einmal die Lage der Dinge: wollte die Nation beſtehen, ſo mußte ſie ſich der römiſchen Eingriffe erwehren: die religiöſe Bewegung konnte nicht mehr erſtickt, ſie konnte nur noch geleitet werden. Eben dazu war die National- verſammlung beſtimmt. Und das wenigſtens läßt ſich nicht ſagen, daß ſie die Einheit der Nation gefährdet hätte. Vielmehr: wenn ſie ihren Zweck erreichte, ſo mußte ſie dieſelbe noch viel feſter begründen.
Fragen wir nun, wer in dieſem entſcheidenden Mo- mente ſich von der Einheit der Nation losgeriſſen hat, ſo müſſen wir unterſuchen, wie es geſchah daß die bereits ſo ernſtlich vorbereitete Verſammlung doch unterblieb.
Es iſt ſehr natürlich, daß ſich ihr der römiſche Stuhl widerſetzte. So bedeutend und Zukunfterfüllt die Ausſicht war, welche ſie der deutſchen Nation darbot, eben ſo ge- fährlich und verderblich mußte ſie in Rom erſcheinen.
Wir haben Nachricht von einer Congregation die un- ter dieſen Umſtänden vor Papſt Clemens VII gehalten ward, worin man die Mittel in Berathung zog, die Bulle
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Urſprung der Spaltung in der Nation.
in Speier würden einander die mannichfaltigſten Modifi-
cationen der Meinung entgegengetreten ſeyn, ſich gegen
einander verſucht haben. Zu welchen Reſultaten hätte es
führen müſſen, wenn man vermocht hätte, die Abſicht durch-
zuführen die man ausgeſprochen hatte, ſich gemäßigt und
friedlich zu unterreden, das Gute und Böſe von einander
zu ſondern.
Es ließ ſich wohl nichts anders erwarten als aber-
mals eine evangeliſche Majorität, wie denn der Vor-
ſchlag von einer ſolchen herrührte; allein ſo war nun
einmal die Lage der Dinge: wollte die Nation beſtehen,
ſo mußte ſie ſich der römiſchen Eingriffe erwehren: die
religiöſe Bewegung konnte nicht mehr erſtickt, ſie konnte
nur noch geleitet werden. Eben dazu war die National-
verſammlung beſtimmt. Und das wenigſtens läßt ſich nicht
ſagen, daß ſie die Einheit der Nation gefährdet hätte.
Vielmehr: wenn ſie ihren Zweck erreichte, ſo mußte ſie
dieſelbe noch viel feſter begründen.
Fragen wir nun, wer in dieſem entſcheidenden Mo-
mente ſich von der Einheit der Nation losgeriſſen hat,
ſo müſſen wir unterſuchen, wie es geſchah daß die bereits
ſo ernſtlich vorbereitete Verſammlung doch unterblieb.
Es iſt ſehr natürlich, daß ſich ihr der römiſche Stuhl
widerſetzte. So bedeutend und Zukunfterfüllt die Ausſicht
war, welche ſie der deutſchen Nation darbot, eben ſo ge-
fährlich und verderblich mußte ſie in Rom erſcheinen.
Wir haben Nachricht von einer Congregation die un-
ter dieſen Umſtänden vor Papſt Clemens VII gehalten
ward, worin man die Mittel in Berathung zog, die Bulle
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/159>, abgerufen am 24.11.2024.
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