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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Ursprung der Spaltung.
in Deutschland von allem weltlichen und geistlichen Gehor-
sam loszureißen denke. Welch ein unerträglicher Übermuth
liege darin, daß man dort eine Versammlung angesetzt habe,
wo man über Dinge des Glaubens und die Angelegenhei-
ten der allgemeinen Christenheit Beschlüsse fassen wolle.
Gleich als komme es den Deutschen zu, kaiserlicher Ma-
jestät und der ganzen Welt Gesetze vorzuschreiben. 1

Mit ähnlichen Gründen bestürmte man den Verbün-
deten Carls, Heinrich VIII, der sich in eine literarische
Fehde mit Luther eingelassen; man forderte ihn auf, mit
seinem Einfluß bei Carl V die päpstlichen Ermahnungen
zu unterstützen.

Überhaupt lagen die politischen Verhältnisse für eine
Einwirkung der päpstlichen Gewalt auf den Kaiser sehr
günstig. Der Krieg desselben gegen Franz I war erst im
Mai 1524 förmlich ausgerufen worden und in seinem hef-
tigsten Feuer. Der Kaiser griff den König von Italien
her in Frankreich selber an. Unmöglich konnte er den Papst,

1 Wir haben zwar das Schreiben des Papstes an den Kaiser
nicht selbst: aber eine hinreichende Notiz davon in der Depesche des
päpstlichen Datars an ben Nuntius in England, Marchionne Lango
Lettere di principi I, 124. N. Sre ha di cio scritto efficacemente
alla Mta Ces. accioche la confideri, che facendo quei popoli poco
conto di dio tanto meno ne faranno alla giornata della Mta S.
e degli altri signori temporali: - - - l'absenza della Mta Cesarea
ha accresciuta l'audacia loro tanto che ardiscono di ritrattar
quell'editto, cosa che Cesare proprio non faria.
Dagegen heißt es
in dem zu Regensburg ergangenen Edict: "Darumb so haben wir auf
des hochwürdigsten Herrn Lorenzen etc. Ersuchen uns vergleycht daß
wir und unser Principal obgemelt kaiserlich Edict zu Worms, auch die
Abschied auf beyden Reichstägen zu Nürnberg deshalb beschlossen --
vollziehen."

Urſprung der Spaltung.
in Deutſchland von allem weltlichen und geiſtlichen Gehor-
ſam loszureißen denke. Welch ein unerträglicher Übermuth
liege darin, daß man dort eine Verſammlung angeſetzt habe,
wo man über Dinge des Glaubens und die Angelegenhei-
ten der allgemeinen Chriſtenheit Beſchlüſſe faſſen wolle.
Gleich als komme es den Deutſchen zu, kaiſerlicher Ma-
jeſtät und der ganzen Welt Geſetze vorzuſchreiben. 1

Mit ähnlichen Gründen beſtürmte man den Verbün-
deten Carls, Heinrich VIII, der ſich in eine literariſche
Fehde mit Luther eingelaſſen; man forderte ihn auf, mit
ſeinem Einfluß bei Carl V die päpſtlichen Ermahnungen
zu unterſtützen.

Überhaupt lagen die politiſchen Verhältniſſe für eine
Einwirkung der päpſtlichen Gewalt auf den Kaiſer ſehr
günſtig. Der Krieg deſſelben gegen Franz I war erſt im
Mai 1524 förmlich ausgerufen worden und in ſeinem hef-
tigſten Feuer. Der Kaiſer griff den König von Italien
her in Frankreich ſelber an. Unmöglich konnte er den Papſt,

1 Wir haben zwar das Schreiben des Papſtes an den Kaiſer
nicht ſelbſt: aber eine hinreichende Notiz davon in der Depeſche des
paͤpſtlichen Datars an ben Nuntius in England, Marchionne Lango
Lettere di principi I, 124. N. Sre ha di ciò scritto efficacemente
alla M Ces. accioche la confideri, che facendo quei popoli poco
conto di dio tanto meno ne faranno alla giornata della M S.
e degli altri signori temporali: ‒ ‒ ‒ l’absenza della M Cesarea
ha accresciuta l’audacia loro tanto che ardiscono di ritrattar
quell’editto, cosa che Cesare proprio non faria.
Dagegen heißt es
in dem zu Regensburg ergangenen Edict: „Darumb ſo haben wir auf
des hochwuͤrdigſten Herrn Lorenzen ꝛc. Erſuchen uns vergleycht daß
wir und unſer Principal obgemelt kaiſerlich Edict zu Worms, auch die
Abſchied auf beyden Reichstaͤgen zu Nuͤrnberg deshalb beſchloſſen —
vollziehen.“
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[165/0175] Urſprung der Spaltung. in Deutſchland von allem weltlichen und geiſtlichen Gehor- ſam loszureißen denke. Welch ein unerträglicher Übermuth liege darin, daß man dort eine Verſammlung angeſetzt habe, wo man über Dinge des Glaubens und die Angelegenhei- ten der allgemeinen Chriſtenheit Beſchlüſſe faſſen wolle. Gleich als komme es den Deutſchen zu, kaiſerlicher Ma- jeſtät und der ganzen Welt Geſetze vorzuſchreiben. 1 Mit ähnlichen Gründen beſtürmte man den Verbün- deten Carls, Heinrich VIII, der ſich in eine literariſche Fehde mit Luther eingelaſſen; man forderte ihn auf, mit ſeinem Einfluß bei Carl V die päpſtlichen Ermahnungen zu unterſtützen. Überhaupt lagen die politiſchen Verhältniſſe für eine Einwirkung der päpſtlichen Gewalt auf den Kaiſer ſehr günſtig. Der Krieg deſſelben gegen Franz I war erſt im Mai 1524 förmlich ausgerufen worden und in ſeinem hef- tigſten Feuer. Der Kaiſer griff den König von Italien her in Frankreich ſelber an. Unmöglich konnte er den Papſt, 1 Wir haben zwar das Schreiben des Papſtes an den Kaiſer nicht ſelbſt: aber eine hinreichende Notiz davon in der Depeſche des paͤpſtlichen Datars an ben Nuntius in England, Marchionne Lango Lettere di principi I, 124. N. Sre ha di ciò scritto efficacemente alla Mtà Ces. accioche la confideri, che facendo quei popoli poco conto di dio tanto meno ne faranno alla giornata della Mtà S. e degli altri signori temporali: ‒ ‒ ‒ l’absenza della Mtà Cesarea ha accresciuta l’audacia loro tanto che ardiscono di ritrattar quell’editto, cosa che Cesare proprio non faria. Dagegen heißt es in dem zu Regensburg ergangenen Edict: „Darumb ſo haben wir auf des hochwuͤrdigſten Herrn Lorenzen ꝛc. Erſuchen uns vergleycht daß wir und unſer Principal obgemelt kaiſerlich Edict zu Worms, auch die Abſchied auf beyden Reichstaͤgen zu Nuͤrnberg deshalb beſchloſſen — vollziehen.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/175>, abgerufen am 26.11.2024.