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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Bauernkrieg.

Wir haben gesehen, wie es seit mehr als dreißig Jah-
ren in den Bauerschaften des Reiches gährte, wie man-
chen Versuch der Erhebung sie machten, welch ein mäch-
tiger Widerwille gegen alle constituirten Gewalten sich in
ihnen regte. Ihre politischen Tendenzen waren aber von
jeher, lange ehe man an die Reformationsbewegungen
dachte, von einem religiösen Element durchdrungen. Es
findet sich bei jenen Barfüßern in Eichstädt, dem Hans
Behaim im Würzburgischen, den Bauern in Untergrum-
bach. Joß Fritz, der 1513 den Bundschuh zu Lehen im
Breisgau erneuerte, ward durch den Pfarrer des Ortes in
seinem Vorhaben bestärkt, denn dadurch werde die Gerech-
tigkeit einen Fürgang gewinnen: Gott wolle den Bund-
schuh, wie man aus der Schrift beweisen könne, es sey
ein göttlich Ding darum. 1 Der arme Kunz in Wirten-
berg im J. 1514 erklärte, "daß er der Gerechtigkeit und
dem göttlichen Rechte einen Beistand thun wolle."

Es leuchtet ein, welche Nahrung Ideen dieser Art in
den reformatorischen Bewegungen, durch welche die Auto-
rität der Geistlichkeit so tief erschüttert ward, überhaupt fin-
den mußten: aber nicht minder klar ist es, wie die Pre-
digt, die an und für sich andre Gesichtspuncte verfolgte,
von diesen, schon vorher so mächtigen Regungen ergriffen
werden konnte; sie hat dieselben nicht erzeugt: sie ließ sich
vielmehr selber von ihnen hinreißen. Denn nicht Alle konn-
ten die Geister unterscheiden, wie Luther. Man lehrte wohl,
weil alle eines Vaters Kinder und alle gleich mit dem

1 Bekenntniß Hans Hummels bei Schneider: Bundschuh zu
Lehen p. 99.
Bauernkrieg.

Wir haben geſehen, wie es ſeit mehr als dreißig Jah-
ren in den Bauerſchaften des Reiches gährte, wie man-
chen Verſuch der Erhebung ſie machten, welch ein mäch-
tiger Widerwille gegen alle conſtituirten Gewalten ſich in
ihnen regte. Ihre politiſchen Tendenzen waren aber von
jeher, lange ehe man an die Reformationsbewegungen
dachte, von einem religiöſen Element durchdrungen. Es
findet ſich bei jenen Barfüßern in Eichſtädt, dem Hans
Behaim im Würzburgiſchen, den Bauern in Untergrum-
bach. Joß Fritz, der 1513 den Bundſchuh zu Lehen im
Breisgau erneuerte, ward durch den Pfarrer des Ortes in
ſeinem Vorhaben beſtärkt, denn dadurch werde die Gerech-
tigkeit einen Fürgang gewinnen: Gott wolle den Bund-
ſchuh, wie man aus der Schrift beweiſen könne, es ſey
ein göttlich Ding darum. 1 Der arme Kunz in Wirten-
berg im J. 1514 erklärte, „daß er der Gerechtigkeit und
dem göttlichen Rechte einen Beiſtand thun wolle.“

Es leuchtet ein, welche Nahrung Ideen dieſer Art in
den reformatoriſchen Bewegungen, durch welche die Auto-
rität der Geiſtlichkeit ſo tief erſchüttert ward, überhaupt fin-
den mußten: aber nicht minder klar iſt es, wie die Pre-
digt, die an und für ſich andre Geſichtspuncte verfolgte,
von dieſen, ſchon vorher ſo mächtigen Regungen ergriffen
werden konnte; ſie hat dieſelben nicht erzeugt: ſie ließ ſich
vielmehr ſelber von ihnen hinreißen. Denn nicht Alle konn-
ten die Geiſter unterſcheiden, wie Luther. Man lehrte wohl,
weil alle eines Vaters Kinder und alle gleich mit dem

1 Bekenntniß Hans Hummels bei Schneider: Bundſchuh zu
Lehen p. 99.
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[187/0197] Bauernkrieg. Wir haben geſehen, wie es ſeit mehr als dreißig Jah- ren in den Bauerſchaften des Reiches gährte, wie man- chen Verſuch der Erhebung ſie machten, welch ein mäch- tiger Widerwille gegen alle conſtituirten Gewalten ſich in ihnen regte. Ihre politiſchen Tendenzen waren aber von jeher, lange ehe man an die Reformationsbewegungen dachte, von einem religiöſen Element durchdrungen. Es findet ſich bei jenen Barfüßern in Eichſtädt, dem Hans Behaim im Würzburgiſchen, den Bauern in Untergrum- bach. Joß Fritz, der 1513 den Bundſchuh zu Lehen im Breisgau erneuerte, ward durch den Pfarrer des Ortes in ſeinem Vorhaben beſtärkt, denn dadurch werde die Gerech- tigkeit einen Fürgang gewinnen: Gott wolle den Bund- ſchuh, wie man aus der Schrift beweiſen könne, es ſey ein göttlich Ding darum. 1 Der arme Kunz in Wirten- berg im J. 1514 erklärte, „daß er der Gerechtigkeit und dem göttlichen Rechte einen Beiſtand thun wolle.“ Es leuchtet ein, welche Nahrung Ideen dieſer Art in den reformatoriſchen Bewegungen, durch welche die Auto- rität der Geiſtlichkeit ſo tief erſchüttert ward, überhaupt fin- den mußten: aber nicht minder klar iſt es, wie die Pre- digt, die an und für ſich andre Geſichtspuncte verfolgte, von dieſen, ſchon vorher ſo mächtigen Regungen ergriffen werden konnte; ſie hat dieſelben nicht erzeugt: ſie ließ ſich vielmehr ſelber von ihnen hinreißen. Denn nicht Alle konn- ten die Geiſter unterſcheiden, wie Luther. Man lehrte wohl, weil alle eines Vaters Kinder und alle gleich mit dem 1 Bekenntniß Hans Hummels bei Schneider: Bundſchuh zu Lehen p. 99.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/197>, abgerufen am 28.11.2024.