Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Bauernkrieg. achtete, wie wir wissen, das "gedichtete Evangelium," dasLuther predigte, seinen "honigsüßen Christus," seine Lehre daß der Widerchrist zerstört werden müsse durch das Wort allein, ohne Gewalt: er behauptete, das Unkraut müsse ausgerauft werden zur Zeit der Ernte, so habe Josua die Völker des gelobten Landes mit der Schärfe des Schwer- tes getroffen. 1 Auch mit den Verträgen, welche die Bauern in Schwaben und Franken schlossen, war er unzufrieden. Viel weiter giengen seine Gedanken. Er fand es unmög- lich den Leuten die Wahrheit zu sagen, so lange sie von den Fürsten regiert würden. Er erklärte es für unerträg- lich, daß alle Creatur zum Eigenthum gemacht worden sey, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden: -- auch die Creatur müsse frei werden, wenn das reine Wort Gottes aufgehen solle. Alle Begriffe, auf denen der Staat beruht, stößt er um: nur die Offenbarung 1 Auslegung des andern unterschyds Danielis deß propheten
gepredigt aufm Schloß zu Alstedt vor den tetigen thewren Herzo- gen und Vorstehern zu Sachsen durch Thomas Müntzer. 1524. Wohl eine seiner merkwürdigsten Schriften. Er windet sich sehr, um einen Unterschied zwischen der ächten Offenbarung und den falschen Gesich- ten aufzustellen, z. B. sie komme hernieder "in eyner frohen Ver- wunderung," der Mensch müsse "abgeschieden sein von allem zeitli- chen Trost seines Fleisches," das Werk der Gesichte müsse "nit rausser quellen durch menschliche anschlege, sondern einfaltig herfließen nach Gottes unvorrucklichen Willen;" aber es leuchtet ein, daß er mit dem allen noch lange nicht so weit kommt wie Ignatius Loyola. Zu- gleich bekämpft er die gemäßigte Theorie Luthers, die er einer "ge- tichten Güte" zuschreibt. Er sagt ganz offen, der Gottlose habe kein Recht zu leben. "Ich sage mit Christo etc., das man die gotlosen regenten, sunderlich pfaffen und mönche tödten sol." Die Fürsten sol- len die Gottlosen vertilgen, wo nicht so wird ihnen Gott ihr Schwerd nehmen. "Ah lieben Herren, wie hubsch wirt der Herr unter die alten Topf schmeißen mit einer eysern stangen." Bauernkrieg. achtete, wie wir wiſſen, das „gedichtete Evangelium,“ dasLuther predigte, ſeinen „honigſüßen Chriſtus,“ ſeine Lehre daß der Widerchriſt zerſtört werden müſſe durch das Wort allein, ohne Gewalt: er behauptete, das Unkraut müſſe ausgerauft werden zur Zeit der Ernte, ſo habe Joſua die Völker des gelobten Landes mit der Schärfe des Schwer- tes getroffen. 1 Auch mit den Verträgen, welche die Bauern in Schwaben und Franken ſchloſſen, war er unzufrieden. Viel weiter giengen ſeine Gedanken. Er fand es unmög- lich den Leuten die Wahrheit zu ſagen, ſo lange ſie von den Fürſten regiert würden. Er erklärte es für unerträg- lich, daß alle Creatur zum Eigenthum gemacht worden ſey, die Fiſche im Waſſer, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden: — auch die Creatur müſſe frei werden, wenn das reine Wort Gottes aufgehen ſolle. Alle Begriffe, auf denen der Staat beruht, ſtößt er um: nur die Offenbarung 1 Auslegung des andern unterſchyds Danielis deß propheten
gepredigt aufm Schloß zu Alſtedt vor den tetigen thewren Herzo- gen und Vorſtehern zu Sachſen durch Thomas Muͤntzer. 1524. Wohl eine ſeiner merkwuͤrdigſten Schriften. Er windet ſich ſehr, um einen Unterſchied zwiſchen der aͤchten Offenbarung und den falſchen Geſich- ten aufzuſtellen, z. B. ſie komme hernieder „in eyner frohen Ver- wunderung,“ der Menſch muͤſſe „abgeſchieden ſein von allem zeitli- chen Troſt ſeines Fleiſches,“ das Werk der Geſichte muͤſſe „nit rauſſer quellen durch menſchliche anſchlege, ſondern einfaltig herfließen nach Gottes unvorrucklichen Willen;“ aber es leuchtet ein, daß er mit dem allen noch lange nicht ſo weit kommt wie Ignatius Loyola. Zu- gleich bekaͤmpft er die gemaͤßigte Theorie Luthers, die er einer „ge- tichten Guͤte“ zuſchreibt. Er ſagt ganz offen, der Gottloſe habe kein Recht zu leben. „Ich ſage mit Chriſto ꝛc., das man die gotloſen regenten, ſunderlich pfaffen und moͤnche toͤdten ſol.“ Die Fuͤrſten ſol- len die Gottloſen vertilgen, wo nicht ſo wird ihnen Gott ihr Schwerd nehmen. „Ah lieben Herren, wie hubſch wirt der Herr unter die alten Topf ſchmeißen mit einer eyſern ſtangen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0217" n="207"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Bauernkrieg</hi>.</fw><lb/> achtete, wie wir wiſſen, das „gedichtete Evangelium,“ das<lb/> Luther predigte, ſeinen „honigſüßen Chriſtus,“ ſeine Lehre<lb/> daß der Widerchriſt zerſtört werden müſſe durch das Wort<lb/> allein, ohne Gewalt: er behauptete, das Unkraut müſſe<lb/> ausgerauft werden zur Zeit der Ernte, ſo habe Joſua die<lb/> Völker des gelobten Landes mit der Schärfe des Schwer-<lb/> tes getroffen. <note place="foot" n="1">Auslegung des andern unterſchyds Danielis deß propheten<lb/> gepredigt aufm Schloß zu Alſtedt vor den tetigen thewren Herzo-<lb/> gen und Vorſtehern zu Sachſen durch Thomas Muͤntzer. 1524. Wohl<lb/> eine ſeiner merkwuͤrdigſten Schriften. Er windet ſich ſehr, um einen<lb/> Unterſchied zwiſchen der aͤchten Offenbarung und den falſchen Geſich-<lb/> ten aufzuſtellen, z. B. ſie komme hernieder „in eyner frohen Ver-<lb/> wunderung,“ der Menſch muͤſſe „abgeſchieden ſein von allem zeitli-<lb/> chen Troſt ſeines Fleiſches,“ das Werk der Geſichte muͤſſe „nit rauſſer<lb/> quellen durch menſchliche anſchlege, ſondern einfaltig herfließen nach<lb/> Gottes unvorrucklichen Willen;“ aber es leuchtet ein, daß er mit dem<lb/> allen noch lange nicht ſo weit kommt wie Ignatius Loyola. Zu-<lb/> gleich bekaͤmpft er die gemaͤßigte Theorie Luthers, die er einer „ge-<lb/> tichten Guͤte“ zuſchreibt. Er ſagt ganz offen, der Gottloſe habe kein<lb/> Recht zu leben. „Ich ſage mit Chriſto ꝛc., das man die gotloſen<lb/> regenten, ſunderlich pfaffen und moͤnche toͤdten ſol.“ Die Fuͤrſten ſol-<lb/> len die Gottloſen vertilgen, wo nicht ſo wird ihnen Gott ihr Schwerd<lb/> nehmen. „Ah lieben Herren, wie hubſch wirt der Herr unter die<lb/> alten Topf ſchmeißen mit einer eyſern ſtangen.“</note> Auch mit den Verträgen, welche die Bauern<lb/> in Schwaben und Franken ſchloſſen, war er unzufrieden.<lb/> Viel weiter giengen ſeine Gedanken. Er fand es unmög-<lb/> lich den Leuten die Wahrheit zu ſagen, ſo lange ſie von<lb/> den Fürſten regiert würden. Er erklärte es für unerträg-<lb/> lich, daß alle Creatur zum Eigenthum gemacht worden ſey,<lb/> die Fiſche im Waſſer, die Vögel in der Luft, das Gewächs<lb/> auf Erden: — auch die Creatur müſſe frei werden, wenn<lb/> das reine Wort Gottes aufgehen ſolle. Alle Begriffe, auf<lb/> denen der Staat beruht, ſtößt er um: nur die Offenbarung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0217]
Bauernkrieg.
achtete, wie wir wiſſen, das „gedichtete Evangelium,“ das
Luther predigte, ſeinen „honigſüßen Chriſtus,“ ſeine Lehre
daß der Widerchriſt zerſtört werden müſſe durch das Wort
allein, ohne Gewalt: er behauptete, das Unkraut müſſe
ausgerauft werden zur Zeit der Ernte, ſo habe Joſua die
Völker des gelobten Landes mit der Schärfe des Schwer-
tes getroffen. 1 Auch mit den Verträgen, welche die Bauern
in Schwaben und Franken ſchloſſen, war er unzufrieden.
Viel weiter giengen ſeine Gedanken. Er fand es unmög-
lich den Leuten die Wahrheit zu ſagen, ſo lange ſie von
den Fürſten regiert würden. Er erklärte es für unerträg-
lich, daß alle Creatur zum Eigenthum gemacht worden ſey,
die Fiſche im Waſſer, die Vögel in der Luft, das Gewächs
auf Erden: — auch die Creatur müſſe frei werden, wenn
das reine Wort Gottes aufgehen ſolle. Alle Begriffe, auf
denen der Staat beruht, ſtößt er um: nur die Offenbarung
1 Auslegung des andern unterſchyds Danielis deß propheten
gepredigt aufm Schloß zu Alſtedt vor den tetigen thewren Herzo-
gen und Vorſtehern zu Sachſen durch Thomas Muͤntzer. 1524. Wohl
eine ſeiner merkwuͤrdigſten Schriften. Er windet ſich ſehr, um einen
Unterſchied zwiſchen der aͤchten Offenbarung und den falſchen Geſich-
ten aufzuſtellen, z. B. ſie komme hernieder „in eyner frohen Ver-
wunderung,“ der Menſch muͤſſe „abgeſchieden ſein von allem zeitli-
chen Troſt ſeines Fleiſches,“ das Werk der Geſichte muͤſſe „nit rauſſer
quellen durch menſchliche anſchlege, ſondern einfaltig herfließen nach
Gottes unvorrucklichen Willen;“ aber es leuchtet ein, daß er mit dem
allen noch lange nicht ſo weit kommt wie Ignatius Loyola. Zu-
gleich bekaͤmpft er die gemaͤßigte Theorie Luthers, die er einer „ge-
tichten Guͤte“ zuſchreibt. Er ſagt ganz offen, der Gottloſe habe kein
Recht zu leben. „Ich ſage mit Chriſto ꝛc., das man die gotloſen
regenten, ſunderlich pfaffen und moͤnche toͤdten ſol.“ Die Fuͤrſten ſol-
len die Gottloſen vertilgen, wo nicht ſo wird ihnen Gott ihr Schwerd
nehmen. „Ah lieben Herren, wie hubſch wirt der Herr unter die
alten Topf ſchmeißen mit einer eyſern ſtangen.“
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