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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Bauernkrieg.
Orten sehen wir Verträge schließen, in welchen die Herr-
schaften von ihren früher erworbenen Rechten die drückend-
sten aufgaben: es ließe sich denken, daß man dieselben von
beiden Seiten beobachtet hätte und dadurch in ein rechtlich
bestimmtes Verhältniß zu einander getreten wäre.

Allein es liegt nun einmal nicht in der Natur des
Menschen sich mit einem beschränkten Gewinn zu begnü-
gen; und die siegreiche Menge wird niemals verstehn inne
zu halten. Es erwachte wohl hie und da eine verworrene
Erinnerung an alte Gerechtsame der Volksgemeinden: oder
man fühlte sich nicht minder wehrhaft als die Ritter --
wie denn der Aufruhr zugleich als ein Symptom des wie-
der emporkommenden Fußvolkes angesehen werden muß: --
hauptsächlich aber Haß und Rachsucht die sich lange ange-
sammelt fanden endlich Raum sich zu entladen. Indem ei-
nige Oberhäupter sich vermaaßen, in dem Reiche eine bes-
sere Ordnung zu stiften, fluthete die wilde Zerstörung von
Schloß zu Schloß von Kloster zu Kloster, und bedrohte be-
reits die Städte die sich nicht anschlossen: der Bauer meinte
wohl, er dürfe nicht ruhn, bis es in Deutschland nichts wei-
ter gebe als Bauernhäuser. 1 Und mit dieser Wuth traf nun

1 Nach Müllners Annalen erklärten die Bauern, verdrießlich
über eine abschlägliche Antwort, dem Rath zu Nürnberg: es sey wohl
möglich, daß der Rath eher die Hülfe der Bauern bedürfe als die
Bauern die Hülfe des Rathes: "darauf sind sie mit einem solchen
Trutz und Hochmuth abgescheiden, als wann die Welt ihr eigen wäre;
haben sich auch ingeheim gegen etliche vernehmen lassen, sie gedenken
kein Hauß im ganzen Land zu gedulden, das beßer sey denn ein
Bauernhaus." In der "Lanndsordnung, so Michel Geismair ge-
macht hat, im 1526 Jar" bei Bucholtz IX, 651 ist der fünfte
Artikel, daß "alle Rinkmauern an den Stetten, dergl. alle Ge-
schlösser und Bevestigung im Lannd niedergeprochen werden und
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Bauernkrieg.
Orten ſehen wir Verträge ſchließen, in welchen die Herr-
ſchaften von ihren früher erworbenen Rechten die drückend-
ſten aufgaben: es ließe ſich denken, daß man dieſelben von
beiden Seiten beobachtet hätte und dadurch in ein rechtlich
beſtimmtes Verhältniß zu einander getreten wäre.

Allein es liegt nun einmal nicht in der Natur des
Menſchen ſich mit einem beſchränkten Gewinn zu begnü-
gen; und die ſiegreiche Menge wird niemals verſtehn inne
zu halten. Es erwachte wohl hie und da eine verworrene
Erinnerung an alte Gerechtſame der Volksgemeinden: oder
man fühlte ſich nicht minder wehrhaft als die Ritter —
wie denn der Aufruhr zugleich als ein Symptom des wie-
der emporkommenden Fußvolkes angeſehen werden muß: —
hauptſächlich aber Haß und Rachſucht die ſich lange ange-
ſammelt fanden endlich Raum ſich zu entladen. Indem ei-
nige Oberhäupter ſich vermaaßen, in dem Reiche eine beſ-
ſere Ordnung zu ſtiften, fluthete die wilde Zerſtörung von
Schloß zu Schloß von Kloſter zu Kloſter, und bedrohte be-
reits die Städte die ſich nicht anſchloſſen: der Bauer meinte
wohl, er dürfe nicht ruhn, bis es in Deutſchland nichts wei-
ter gebe als Bauernhäuſer. 1 Und mit dieſer Wuth traf nun

1 Nach Muͤllners Annalen erklaͤrten die Bauern, verdrießlich
uͤber eine abſchlaͤgliche Antwort, dem Rath zu Nuͤrnberg: es ſey wohl
moͤglich, daß der Rath eher die Huͤlfe der Bauern beduͤrfe als die
Bauern die Huͤlfe des Rathes: „darauf ſind ſie mit einem ſolchen
Trutz und Hochmuth abgeſcheiden, als wann die Welt ihr eigen waͤre;
haben ſich auch ingeheim gegen etliche vernehmen laſſen, ſie gedenken
kein Hauß im ganzen Land zu gedulden, das beßer ſey denn ein
Bauernhaus.“ In der „Lanndſordnung, ſo Michel Geismair ge-
macht hat, im 1526 Jar“ bei Bucholtz IX, 651 iſt der fuͤnfte
Artikel, daß „alle Rinkmauern an den Stetten, dergl. alle Ge-
ſchloͤſſer und Beveſtigung im Lannd niedergeprochen werden und
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[211/0221] Bauernkrieg. Orten ſehen wir Verträge ſchließen, in welchen die Herr- ſchaften von ihren früher erworbenen Rechten die drückend- ſten aufgaben: es ließe ſich denken, daß man dieſelben von beiden Seiten beobachtet hätte und dadurch in ein rechtlich beſtimmtes Verhältniß zu einander getreten wäre. Allein es liegt nun einmal nicht in der Natur des Menſchen ſich mit einem beſchränkten Gewinn zu begnü- gen; und die ſiegreiche Menge wird niemals verſtehn inne zu halten. Es erwachte wohl hie und da eine verworrene Erinnerung an alte Gerechtſame der Volksgemeinden: oder man fühlte ſich nicht minder wehrhaft als die Ritter — wie denn der Aufruhr zugleich als ein Symptom des wie- der emporkommenden Fußvolkes angeſehen werden muß: — hauptſächlich aber Haß und Rachſucht die ſich lange ange- ſammelt fanden endlich Raum ſich zu entladen. Indem ei- nige Oberhäupter ſich vermaaßen, in dem Reiche eine beſ- ſere Ordnung zu ſtiften, fluthete die wilde Zerſtörung von Schloß zu Schloß von Kloſter zu Kloſter, und bedrohte be- reits die Städte die ſich nicht anſchloſſen: der Bauer meinte wohl, er dürfe nicht ruhn, bis es in Deutſchland nichts wei- ter gebe als Bauernhäuſer. 1 Und mit dieſer Wuth traf nun 1 Nach Muͤllners Annalen erklaͤrten die Bauern, verdrießlich uͤber eine abſchlaͤgliche Antwort, dem Rath zu Nuͤrnberg: es ſey wohl moͤglich, daß der Rath eher die Huͤlfe der Bauern beduͤrfe als die Bauern die Huͤlfe des Rathes: „darauf ſind ſie mit einem ſolchen Trutz und Hochmuth abgeſcheiden, als wann die Welt ihr eigen waͤre; haben ſich auch ingeheim gegen etliche vernehmen laſſen, ſie gedenken kein Hauß im ganzen Land zu gedulden, das beßer ſey denn ein Bauernhaus.“ In der „Lanndſordnung, ſo Michel Geismair ge- macht hat, im 1526 Jar“ bei Bucholtz IX, 651 iſt der fuͤnfte Artikel, daß „alle Rinkmauern an den Stetten, dergl. alle Ge- ſchloͤſſer und Beveſtigung im Lannd niedergeprochen werden und 14*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/221>, abgerufen am 30.11.2024.