Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Annäherung der Kaiserlichen.
bensmittel die Fülle: er hielt es für vortheilhafter, ange-
griffen zu werden, wie schon einst bei Marignano, als an-
zugreifen, was den Seinen vor kurzem bei Bicocca so übel
ausgeschlagen war.

Dazu mußten sich nun auch endlich die Kaiserlichen
entschließen, aus Mangel so an Geld wie an Lebensmitteln: 1
sie urtheilten, es sey eben so schlimm wenn man sich im
Angesicht des Feinds auflöse, wie wenn man eine Nie-
derlage erleide. Gott gebe mir, sagte Pescara, hundert
Jahre Krieg und nicht Einen Schlachttag, aber heute ist
kein Ausweg. Er begab sich in die Mitte seiner Spanier,
und stellte ihnen vor, daß kein Fußbreit Landes ihnen an-
gehöre, kein Stück Brot da sey, um davon morgen zu le-
ben, "aber vor Euch," rief er, "ist das Lager, wo man
Brot vollauf hat, und Fleisch und Wein, und Karpfen vom
Gardasee. Wir müssen es haben, wir müssen den Feind
herausjagen. Wir wollen den Tag des h. Matthäus be-
rühmt machen." Schon hatte auch Georg Frundsberg auf
ähnliche Weise seine Deutschen angeredet. Mit erhobenen
Händen hatten sie ihm versprochen, es mit dem prächtigen
Feinde aufzunehmen ihre Brüder in Pavia zu erledigen.

Es war nicht eine jener glänzenden Feldschlachten zu
erwarten, in denen wohl sonst zwei Ritterschaften um den
Preis der Ehre schlugen: eine geldbedürftige, Mangel lei-

1 In einer anonymen Zeitungsnachricht Lettere di principi
I,
153, und daraus bei Sismondi Hist. de France XVI, 232,
heißt es zwar, zwei Tag vor der Schlacht seyen 150000 Sc. aus
Spanien im Lager angekommen: das muß aber eine falsche Nach-
richt seyn: in dem Schlachtbericht des Pescara heißt es ausdrücklich:
De ninguno canto nostra necessidad tenia rimedio; er habe ein-
gesehen: "que deshazer el exercito a lavio del enemigo era tan
mal como perdillo con batalla."

Annaͤherung der Kaiſerlichen.
bensmittel die Fülle: er hielt es für vortheilhafter, ange-
griffen zu werden, wie ſchon einſt bei Marignano, als an-
zugreifen, was den Seinen vor kurzem bei Bicocca ſo übel
ausgeſchlagen war.

Dazu mußten ſich nun auch endlich die Kaiſerlichen
entſchließen, aus Mangel ſo an Geld wie an Lebensmitteln: 1
ſie urtheilten, es ſey eben ſo ſchlimm wenn man ſich im
Angeſicht des Feinds auflöſe, wie wenn man eine Nie-
derlage erleide. Gott gebe mir, ſagte Pescara, hundert
Jahre Krieg und nicht Einen Schlachttag, aber heute iſt
kein Ausweg. Er begab ſich in die Mitte ſeiner Spanier,
und ſtellte ihnen vor, daß kein Fußbreit Landes ihnen an-
gehöre, kein Stück Brot da ſey, um davon morgen zu le-
ben, „aber vor Euch,“ rief er, „iſt das Lager, wo man
Brot vollauf hat, und Fleiſch und Wein, und Karpfen vom
Gardaſee. Wir müſſen es haben, wir müſſen den Feind
herausjagen. Wir wollen den Tag des h. Matthäus be-
rühmt machen.“ Schon hatte auch Georg Frundsberg auf
ähnliche Weiſe ſeine Deutſchen angeredet. Mit erhobenen
Händen hatten ſie ihm verſprochen, es mit dem prächtigen
Feinde aufzunehmen ihre Brüder in Pavia zu erledigen.

Es war nicht eine jener glänzenden Feldſchlachten zu
erwarten, in denen wohl ſonſt zwei Ritterſchaften um den
Preis der Ehre ſchlugen: eine geldbedürftige, Mangel lei-

1 In einer anonymen Zeitungsnachricht Lettere di principi
I,
153, und daraus bei Sismondi Hist. de France XVI, 232,
heißt es zwar, zwei Tag vor der Schlacht ſeyen 150000 Sc. aus
Spanien im Lager angekommen: das muß aber eine falſche Nach-
richt ſeyn: in dem Schlachtbericht des Pescara heißt es ausdruͤcklich:
De ninguno canto nostra necessidad tenia rimedio; er habe ein-
geſehen: „que deshazer el exercito a lavio del enemigo era tan
mal como perdillo con batalla.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0319" n="309"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Anna&#x0364;herung der Kai&#x017F;erlichen</hi>.</fw><lb/>
bensmittel die Fülle: er hielt es für vortheilhafter, ange-<lb/>
griffen zu werden, wie &#x017F;chon ein&#x017F;t bei Marignano, als an-<lb/>
zugreifen, was den Seinen vor kurzem bei Bicocca &#x017F;o übel<lb/>
ausge&#x017F;chlagen war.</p><lb/>
            <p>Dazu mußten &#x017F;ich nun auch endlich die Kai&#x017F;erlichen<lb/>
ent&#x017F;chließen, aus Mangel &#x017F;o an Geld wie an Lebensmitteln: <note place="foot" n="1">In einer anonymen Zeitungsnachricht <hi rendition="#aq">Lettere di principi<lb/>
I,</hi> 153, und daraus bei Sismondi <hi rendition="#aq">Hist. de France XVI, 232,</hi><lb/>
heißt es zwar, zwei Tag vor der Schlacht &#x017F;eyen 150000 Sc. aus<lb/>
Spanien im Lager angekommen: das muß aber eine fal&#x017F;che Nach-<lb/>
richt &#x017F;eyn: in dem Schlachtbericht des Pescara heißt es ausdru&#x0364;cklich:<lb/><hi rendition="#aq">De ninguno canto nostra necessidad tenia rimedio;</hi> er habe ein-<lb/>
ge&#x017F;ehen: <hi rendition="#aq">&#x201E;que deshazer el exercito a lavio del enemigo era tan<lb/>
mal como perdillo con batalla.&#x201C;</hi></note><lb/>
&#x017F;ie urtheilten, es &#x017F;ey eben &#x017F;o &#x017F;chlimm wenn man &#x017F;ich im<lb/>
Ange&#x017F;icht des Feinds auflö&#x017F;e, wie wenn man eine Nie-<lb/>
derlage erleide. Gott gebe mir, &#x017F;agte Pescara, hundert<lb/>
Jahre Krieg und nicht Einen Schlachttag, aber heute i&#x017F;t<lb/>
kein Ausweg. Er begab &#x017F;ich in die Mitte &#x017F;einer Spanier,<lb/>
und &#x017F;tellte ihnen vor, daß kein Fußbreit Landes ihnen an-<lb/>
gehöre, kein Stück Brot da &#x017F;ey, um davon morgen zu le-<lb/>
ben, &#x201E;aber vor Euch,&#x201C; rief er, &#x201E;i&#x017F;t das Lager, wo man<lb/>
Brot vollauf hat, und Flei&#x017F;ch und Wein, und Karpfen vom<lb/>
Garda&#x017F;ee. Wir mü&#x017F;&#x017F;en es haben, wir mü&#x017F;&#x017F;en den Feind<lb/>
herausjagen. Wir wollen den Tag des h. Matthäus be-<lb/>
rühmt machen.&#x201C; Schon hatte auch Georg Frundsberg auf<lb/>
ähnliche Wei&#x017F;e &#x017F;eine Deut&#x017F;chen angeredet. Mit erhobenen<lb/>
Händen hatten &#x017F;ie ihm ver&#x017F;prochen, es mit dem prächtigen<lb/>
Feinde aufzunehmen ihre Brüder in Pavia zu erledigen.</p><lb/>
            <p>Es war nicht eine jener glänzenden Feld&#x017F;chlachten zu<lb/>
erwarten, in denen wohl &#x017F;on&#x017F;t zwei Ritter&#x017F;chaften um den<lb/>
Preis der Ehre &#x017F;chlugen: eine geldbedürftige, Mangel lei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0319] Annaͤherung der Kaiſerlichen. bensmittel die Fülle: er hielt es für vortheilhafter, ange- griffen zu werden, wie ſchon einſt bei Marignano, als an- zugreifen, was den Seinen vor kurzem bei Bicocca ſo übel ausgeſchlagen war. Dazu mußten ſich nun auch endlich die Kaiſerlichen entſchließen, aus Mangel ſo an Geld wie an Lebensmitteln: 1 ſie urtheilten, es ſey eben ſo ſchlimm wenn man ſich im Angeſicht des Feinds auflöſe, wie wenn man eine Nie- derlage erleide. Gott gebe mir, ſagte Pescara, hundert Jahre Krieg und nicht Einen Schlachttag, aber heute iſt kein Ausweg. Er begab ſich in die Mitte ſeiner Spanier, und ſtellte ihnen vor, daß kein Fußbreit Landes ihnen an- gehöre, kein Stück Brot da ſey, um davon morgen zu le- ben, „aber vor Euch,“ rief er, „iſt das Lager, wo man Brot vollauf hat, und Fleiſch und Wein, und Karpfen vom Gardaſee. Wir müſſen es haben, wir müſſen den Feind herausjagen. Wir wollen den Tag des h. Matthäus be- rühmt machen.“ Schon hatte auch Georg Frundsberg auf ähnliche Weiſe ſeine Deutſchen angeredet. Mit erhobenen Händen hatten ſie ihm verſprochen, es mit dem prächtigen Feinde aufzunehmen ihre Brüder in Pavia zu erledigen. Es war nicht eine jener glänzenden Feldſchlachten zu erwarten, in denen wohl ſonſt zwei Ritterſchaften um den Preis der Ehre ſchlugen: eine geldbedürftige, Mangel lei- 1 In einer anonymen Zeitungsnachricht Lettere di principi I, 153, und daraus bei Sismondi Hist. de France XVI, 232, heißt es zwar, zwei Tag vor der Schlacht ſeyen 150000 Sc. aus Spanien im Lager angekommen: das muß aber eine falſche Nach- richt ſeyn: in dem Schlachtbericht des Pescara heißt es ausdruͤcklich: De ninguno canto nostra necessidad tenia rimedio; er habe ein- geſehen: „que deshazer el exercito a lavio del enemigo era tan mal como perdillo con batalla.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/319
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/319>, abgerufen am 20.05.2024.