Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Unterhandlung mit Pescara.
sagt: nicht minder groß ist, daß ihr es mir sagt." Er gab
zu, daß er Ursache zum Mißvergnügen habe: "aber keine
Unzufriedenheit der Welt," fuhr er fort, "könnte mich ver-
mögen, wider die Gesetze der Ehre zu handeln. Sollte
ich mich vom Kaiser lossagen, so müßte es auf eine solche
Weise geschehen, daß der beste Ritter sich nicht besser zu
betragen vermöchte. Ich thäte es nur, um dem Kaiser
zu beweisen, daß an mir mehr gelegen ist als an gewissen
Leuten die er mir vorzieht." 1 Ausdrücke in denen Mo-
rone eine nur wenig verhüllte, gar nicht zu bezwei-
felnde Hinneigung zu erkennen glaubte. Zusammentreffend
mit den günstigen Nachrichten von Frankreich und Eng-
land beflügelte diese Meinung alle Entwürfe. "Ich sehe die
Welt sich umwandeln," ruft Giberti aus, "Italien wird
aus dem tiefsten Elend zum höchsten Glück aufsteigen." 2
Man ließ Schriften ausarbeiten, um die Scrupel Pesca-
ras vollends zu heben: Couriere brachen auf, um den ver-
bündeten Höfen Mittheilungen zu machen. Man wollte un-
verzüglich an das Werk gehn.

War aber die Sache wohl auch wirklich dazu ange-
than, um zum Ziele zu führen?

Die Unabhängigkeit einer Nation ist ein so großes
Gut, daß sie, wenn sie jemals verloren worden, nur durch
eine allgemeine Anstrengung aller Kräfte des innern und
des äußern Lebens wieder errungen werden kann. Hier

1 Eigne Erzählung Pescaras in einem Schreiben vom 30sten
Juli 1525 in Hormayrs Archiv Jahrg. 1810 p. 29, 30.
2 Lettera a Ghinucci. Lettere di principi I, 170. Wie
konnte doch Giovio (Vita Piscar. p. 408) behaupten, Giberti habe
den Papst gegen diese Dinge gewarnt.

Unterhandlung mit Pescara.
ſagt: nicht minder groß iſt, daß ihr es mir ſagt.“ Er gab
zu, daß er Urſache zum Mißvergnügen habe: „aber keine
Unzufriedenheit der Welt,“ fuhr er fort, „könnte mich ver-
mögen, wider die Geſetze der Ehre zu handeln. Sollte
ich mich vom Kaiſer losſagen, ſo müßte es auf eine ſolche
Weiſe geſchehen, daß der beſte Ritter ſich nicht beſſer zu
betragen vermöchte. Ich thäte es nur, um dem Kaiſer
zu beweiſen, daß an mir mehr gelegen iſt als an gewiſſen
Leuten die er mir vorzieht.“ 1 Ausdrücke in denen Mo-
rone eine nur wenig verhüllte, gar nicht zu bezwei-
felnde Hinneigung zu erkennen glaubte. Zuſammentreffend
mit den günſtigen Nachrichten von Frankreich und Eng-
land beflügelte dieſe Meinung alle Entwürfe. „Ich ſehe die
Welt ſich umwandeln,“ ruft Giberti aus, „Italien wird
aus dem tiefſten Elend zum höchſten Glück aufſteigen.“ 2
Man ließ Schriften ausarbeiten, um die Scrupel Pesca-
ras vollends zu heben: Couriere brachen auf, um den ver-
bündeten Höfen Mittheilungen zu machen. Man wollte un-
verzüglich an das Werk gehn.

War aber die Sache wohl auch wirklich dazu ange-
than, um zum Ziele zu führen?

Die Unabhängigkeit einer Nation iſt ein ſo großes
Gut, daß ſie, wenn ſie jemals verloren worden, nur durch
eine allgemeine Anſtrengung aller Kräfte des innern und
des äußern Lebens wieder errungen werden kann. Hier

1 Eigne Erzaͤhlung Pescaras in einem Schreiben vom 30ſten
Juli 1525 in Hormayrs Archiv Jahrg. 1810 p. 29, 30.
2 Lettera a Ghinucci. Lettere di principi I, 170. Wie
konnte doch Giovio (Vita Piscar. p. 408) behaupten, Giberti habe
den Papſt gegen dieſe Dinge gewarnt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0341" n="331"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Unterhandlung mit Pescara</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;agt: nicht minder groß i&#x017F;t, daß ihr es mir &#x017F;agt.&#x201C; Er gab<lb/>
zu, daß er Ur&#x017F;ache zum Mißvergnügen habe: &#x201E;aber keine<lb/>
Unzufriedenheit der Welt,&#x201C; fuhr er fort, &#x201E;könnte mich ver-<lb/>
mögen, wider die Ge&#x017F;etze der Ehre zu handeln. Sollte<lb/>
ich mich vom Kai&#x017F;er los&#x017F;agen, &#x017F;o müßte es auf eine &#x017F;olche<lb/>
Wei&#x017F;e ge&#x017F;chehen, daß der be&#x017F;te Ritter &#x017F;ich nicht be&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
betragen vermöchte. Ich thäte es nur, um dem Kai&#x017F;er<lb/>
zu bewei&#x017F;en, daß an mir mehr gelegen i&#x017F;t als an gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Leuten die er mir vorzieht.&#x201C; <note place="foot" n="1">Eigne Erza&#x0364;hlung Pescaras in einem Schreiben vom 30&#x017F;ten<lb/>
Juli 1525 in Hormayrs Archiv Jahrg. 1810 <hi rendition="#aq">p.</hi> 29, 30.</note> Ausdrücke in denen Mo-<lb/>
rone eine nur wenig verhüllte, gar nicht zu bezwei-<lb/>
felnde Hinneigung zu erkennen glaubte. Zu&#x017F;ammentreffend<lb/>
mit den gün&#x017F;tigen Nachrichten von Frankreich und Eng-<lb/>
land beflügelte die&#x017F;e Meinung alle Entwürfe. &#x201E;Ich &#x017F;ehe die<lb/>
Welt &#x017F;ich umwandeln,&#x201C; ruft Giberti aus, &#x201E;Italien wird<lb/>
aus dem tief&#x017F;ten Elend zum höch&#x017F;ten Glück auf&#x017F;teigen.&#x201C; <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Lettera a Ghinucci. Lettere di principi I,</hi> 170. Wie<lb/>
konnte doch Giovio (<hi rendition="#aq">Vita Piscar. p.</hi> 408) behaupten, Giberti habe<lb/>
den Pap&#x017F;t gegen die&#x017F;e Dinge gewarnt.</note><lb/>
Man ließ Schriften ausarbeiten, um die Scrupel Pesca-<lb/>
ras vollends zu heben: Couriere brachen auf, um den ver-<lb/>
bündeten Höfen Mittheilungen zu machen. Man wollte un-<lb/>
verzüglich an das Werk gehn.</p><lb/>
            <p>War aber die Sache wohl auch wirklich dazu ange-<lb/>
than, um zum Ziele zu führen?</p><lb/>
            <p>Die Unabhängigkeit einer Nation i&#x017F;t ein &#x017F;o großes<lb/>
Gut, daß &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie jemals verloren worden, nur durch<lb/>
eine allgemeine An&#x017F;trengung aller Kräfte des innern und<lb/>
des äußern Lebens wieder errungen werden kann. Hier<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0341] Unterhandlung mit Pescara. ſagt: nicht minder groß iſt, daß ihr es mir ſagt.“ Er gab zu, daß er Urſache zum Mißvergnügen habe: „aber keine Unzufriedenheit der Welt,“ fuhr er fort, „könnte mich ver- mögen, wider die Geſetze der Ehre zu handeln. Sollte ich mich vom Kaiſer losſagen, ſo müßte es auf eine ſolche Weiſe geſchehen, daß der beſte Ritter ſich nicht beſſer zu betragen vermöchte. Ich thäte es nur, um dem Kaiſer zu beweiſen, daß an mir mehr gelegen iſt als an gewiſſen Leuten die er mir vorzieht.“ 1 Ausdrücke in denen Mo- rone eine nur wenig verhüllte, gar nicht zu bezwei- felnde Hinneigung zu erkennen glaubte. Zuſammentreffend mit den günſtigen Nachrichten von Frankreich und Eng- land beflügelte dieſe Meinung alle Entwürfe. „Ich ſehe die Welt ſich umwandeln,“ ruft Giberti aus, „Italien wird aus dem tiefſten Elend zum höchſten Glück aufſteigen.“ 2 Man ließ Schriften ausarbeiten, um die Scrupel Pesca- ras vollends zu heben: Couriere brachen auf, um den ver- bündeten Höfen Mittheilungen zu machen. Man wollte un- verzüglich an das Werk gehn. War aber die Sache wohl auch wirklich dazu ange- than, um zum Ziele zu führen? Die Unabhängigkeit einer Nation iſt ein ſo großes Gut, daß ſie, wenn ſie jemals verloren worden, nur durch eine allgemeine Anſtrengung aller Kräfte des innern und des äußern Lebens wieder errungen werden kann. Hier 1 Eigne Erzaͤhlung Pescaras in einem Schreiben vom 30ſten Juli 1525 in Hormayrs Archiv Jahrg. 1810 p. 29, 30. 2 Lettera a Ghinucci. Lettere di principi I, 170. Wie konnte doch Giovio (Vita Piscar. p. 408) behaupten, Giberti habe den Papſt gegen dieſe Dinge gewarnt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/341
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/341>, abgerufen am 27.11.2024.