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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Pescara.
betteln wollen? es wäre eine Sünde, zu denken, daß in
einer so edlen Seele ein so niedriger Gedanke Platz fin-
den könnte." 1

Dennoch war eben dieß der Fall.

Pescara war in Italien geboren, aber er hatte die
Seele eines Spaniers. Alle seine Vorältern hatten dafür
gelebt, die aragonesisch-spanische Herrschaft in Italien zu
begründen. Sein Urgroßvater, Ruy Lopez de Avalos hatte
sich an Alfons V angeschlossen: dessen Sohn, Inigo war
der Vertraute dieses Königs gewesen: dessen Sohn, Alonso
war bei dem Angriff der Franzosen durch die Hand eines
Mauren umgekommen; 2 auf der Fortsetzung dieser Bestre-
bungen beruhte das Daseyn auch unsres Pescara. Er
lebte und webte in der Anführung der spanischen Fußvöl-
ker, die ihm anvertraut war: er kannte seine Leute alle
bei Namen: er nahm ihnen nichts übel, selbst nicht die
verbotene Plünderung, und schonte sie, so lange es irgend
möglich: genug wenn sie nur in der entscheidenden Stunde
tapfer aushielten, wie sie das thaten: er fühlte sich glück-
lich und ruhmvoll, wenn er vor ihnen herschritt, mit brei-
ten Schuhen, wie die Deutschen, weithinwehenden Federn
auf dem Hut, das bloße Schwerd mit beiden Händen vor
sich hin haltend. Die Italiener dagegen haßte er: er hielt
sie für feig und unzuverläßig: es kam wohl vor, daß er
bei der Eroberung einer Stadt alle italienischen Soldaten
niedermachen ließ. Warum, fragte man ihn, da es doch
seine Landsleute seyen. Eben darum, antwortete er, weil

1 An Domenico Sauli. Ib. p. 174.
2 Zurita Anales de Aragon V, 58 b.

Pescara.
betteln wollen? es wäre eine Sünde, zu denken, daß in
einer ſo edlen Seele ein ſo niedriger Gedanke Platz fin-
den könnte.“ 1

Dennoch war eben dieß der Fall.

Pescara war in Italien geboren, aber er hatte die
Seele eines Spaniers. Alle ſeine Vorältern hatten dafür
gelebt, die aragoneſiſch-ſpaniſche Herrſchaft in Italien zu
begründen. Sein Urgroßvater, Ruy Lopez de Avalos hatte
ſich an Alfons V angeſchloſſen: deſſen Sohn, Inigo war
der Vertraute dieſes Königs geweſen: deſſen Sohn, Alonſo
war bei dem Angriff der Franzoſen durch die Hand eines
Mauren umgekommen; 2 auf der Fortſetzung dieſer Beſtre-
bungen beruhte das Daſeyn auch unſres Pescara. Er
lebte und webte in der Anführung der ſpaniſchen Fußvöl-
ker, die ihm anvertraut war: er kannte ſeine Leute alle
bei Namen: er nahm ihnen nichts übel, ſelbſt nicht die
verbotene Plünderung, und ſchonte ſie, ſo lange es irgend
möglich: genug wenn ſie nur in der entſcheidenden Stunde
tapfer aushielten, wie ſie das thaten: er fühlte ſich glück-
lich und ruhmvoll, wenn er vor ihnen herſchritt, mit brei-
ten Schuhen, wie die Deutſchen, weithinwehenden Federn
auf dem Hut, das bloße Schwerd mit beiden Händen vor
ſich hin haltend. Die Italiener dagegen haßte er: er hielt
ſie für feig und unzuverläßig: es kam wohl vor, daß er
bei der Eroberung einer Stadt alle italieniſchen Soldaten
niedermachen ließ. Warum, fragte man ihn, da es doch
ſeine Landsleute ſeyen. Eben darum, antwortete er, weil

1 An Domenico Sauli. Ib. p. 174.
2 Zurita Anales de Aragon V, 58 b.
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[333/0343] Pescara. betteln wollen? es wäre eine Sünde, zu denken, daß in einer ſo edlen Seele ein ſo niedriger Gedanke Platz fin- den könnte.“ 1 Dennoch war eben dieß der Fall. Pescara war in Italien geboren, aber er hatte die Seele eines Spaniers. Alle ſeine Vorältern hatten dafür gelebt, die aragoneſiſch-ſpaniſche Herrſchaft in Italien zu begründen. Sein Urgroßvater, Ruy Lopez de Avalos hatte ſich an Alfons V angeſchloſſen: deſſen Sohn, Inigo war der Vertraute dieſes Königs geweſen: deſſen Sohn, Alonſo war bei dem Angriff der Franzoſen durch die Hand eines Mauren umgekommen; 2 auf der Fortſetzung dieſer Beſtre- bungen beruhte das Daſeyn auch unſres Pescara. Er lebte und webte in der Anführung der ſpaniſchen Fußvöl- ker, die ihm anvertraut war: er kannte ſeine Leute alle bei Namen: er nahm ihnen nichts übel, ſelbſt nicht die verbotene Plünderung, und ſchonte ſie, ſo lange es irgend möglich: genug wenn ſie nur in der entſcheidenden Stunde tapfer aushielten, wie ſie das thaten: er fühlte ſich glück- lich und ruhmvoll, wenn er vor ihnen herſchritt, mit brei- ten Schuhen, wie die Deutſchen, weithinwehenden Federn auf dem Hut, das bloße Schwerd mit beiden Händen vor ſich hin haltend. Die Italiener dagegen haßte er: er hielt ſie für feig und unzuverläßig: es kam wohl vor, daß er bei der Eroberung einer Stadt alle italieniſchen Soldaten niedermachen ließ. Warum, fragte man ihn, da es doch ſeine Landsleute ſeyen. Eben darum, antwortete er, weil 1 An Domenico Sauli. Ib. p. 174. 2 Zurita Anales de Aragon V, 58 b.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/343>, abgerufen am 27.11.2024.