Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Reichstag zu Speier 1526. von ihnen den vorwaltenden Einfluß hatte, ob vielleichtdie bekannte gemäßigte Gesinnung des Bischofs von Frei- singen, oder der feurige Ernst des jungen Landgrafen den Ausschlag gab: genug in den Sitzungen dieses Ausschusses behielt man die ursprüngliche Idee, eine für beide Theile verbindliche gleichmäßige Norm aufzustellen, im Auge, und kam in der That mit einem dahin zielenden Vorschlag zu Stande. Noch war, bei allem Widerstreit zwischen den herr- schenden Gewalten, in der Nation selbst kein eigentlicher Zwiespalt. Die Stämme standen auf ziemlich gleicher Bil- dungsstufe: alle, ohne Ausnahme, wir sahen es noch zu- letzt an Tirol, nördliche und südliche, hatten eine Tendenz zur Reform, wiewohl ihre Ideen hierüber abweichen moch- ten. Allein eben, da dieselben noch nicht fixirt waren, konn- ten sie sich noch in mehr als Einer Form ausprägen. Es ließ sich denken, daß ein glücklich getroffenes nationales Ver- ständniß die Anfänge der Zwietracht und auseinandergehen- den Bildung, die in dem Regensburger Bündniß und des- sen Folgen vorlagen, vielleicht doch wieder beseitigen würde. Eben in diesem vermittelnden Sinne waren jene Vorschläge abgefaßt. Vor allem erklärte man darin die Priesterehe und den Laienkelch für empfehlenswerth. Man wollte es frei lassen, das Abendmahl unter Einer oder beiden Gestal- ten zu empfangen: man wollte dem Kaiser vorstellen, daß es für die Priester besser wäre, in ehelichem Stand zu sitzen, als mit übelberüchtigten Personen Haus zu halten. 1 Man stag nach Udalrici (5 Juli) in den Reichstagsacten des Weimarischen Archivs, die übrigens bei diesem Jahre in großer Verwirrung und wenig ergiebig sind. 1 Zuzulassen, daß die Empfahung des hochwürdigen Sacra-
Reichstag zu Speier 1526. von ihnen den vorwaltenden Einfluß hatte, ob vielleichtdie bekannte gemäßigte Geſinnung des Biſchofs von Frei- ſingen, oder der feurige Ernſt des jungen Landgrafen den Ausſchlag gab: genug in den Sitzungen dieſes Ausſchuſſes behielt man die urſprüngliche Idee, eine für beide Theile verbindliche gleichmäßige Norm aufzuſtellen, im Auge, und kam in der That mit einem dahin zielenden Vorſchlag zu Stande. Noch war, bei allem Widerſtreit zwiſchen den herr- ſchenden Gewalten, in der Nation ſelbſt kein eigentlicher Zwieſpalt. Die Stämme ſtanden auf ziemlich gleicher Bil- dungsſtufe: alle, ohne Ausnahme, wir ſahen es noch zu- letzt an Tirol, nördliche und ſüdliche, hatten eine Tendenz zur Reform, wiewohl ihre Ideen hierüber abweichen moch- ten. Allein eben, da dieſelben noch nicht fixirt waren, konn- ten ſie ſich noch in mehr als Einer Form ausprägen. Es ließ ſich denken, daß ein glücklich getroffenes nationales Ver- ſtändniß die Anfänge der Zwietracht und auseinandergehen- den Bildung, die in dem Regensburger Bündniß und deſ- ſen Folgen vorlagen, vielleicht doch wieder beſeitigen würde. Eben in dieſem vermittelnden Sinne waren jene Vorſchläge abgefaßt. Vor allem erklärte man darin die Prieſterehe und den Laienkelch für empfehlenswerth. Man wollte es frei laſſen, das Abendmahl unter Einer oder beiden Geſtal- ten zu empfangen: man wollte dem Kaiſer vorſtellen, daß es für die Prieſter beſſer wäre, in ehelichem Stand zu ſitzen, als mit übelberüchtigten Perſonen Haus zu halten. 1 Man ſtag nach Udalrici (5 Juli) in den Reichstagsacten des Weimariſchen Archivs, die uͤbrigens bei dieſem Jahre in großer Verwirrung und wenig ergiebig ſind. 1 Zuzulaſſen, daß die Empfahung des hochwuͤrdigen Sacra-
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Reichstag zu Speier 1526.
von ihnen den vorwaltenden Einfluß hatte, ob vielleicht
die bekannte gemäßigte Geſinnung des Biſchofs von Frei-
ſingen, oder der feurige Ernſt des jungen Landgrafen den
Ausſchlag gab: genug in den Sitzungen dieſes Ausſchuſſes
behielt man die urſprüngliche Idee, eine für beide Theile
verbindliche gleichmäßige Norm aufzuſtellen, im Auge, und
kam in der That mit einem dahin zielenden Vorſchlag zu
Stande. Noch war, bei allem Widerſtreit zwiſchen den herr-
ſchenden Gewalten, in der Nation ſelbſt kein eigentlicher
Zwieſpalt. Die Stämme ſtanden auf ziemlich gleicher Bil-
dungsſtufe: alle, ohne Ausnahme, wir ſahen es noch zu-
letzt an Tirol, nördliche und ſüdliche, hatten eine Tendenz
zur Reform, wiewohl ihre Ideen hierüber abweichen moch-
ten. Allein eben, da dieſelben noch nicht fixirt waren, konn-
ten ſie ſich noch in mehr als Einer Form ausprägen. Es
ließ ſich denken, daß ein glücklich getroffenes nationales Ver-
ſtändniß die Anfänge der Zwietracht und auseinandergehen-
den Bildung, die in dem Regensburger Bündniß und deſ-
ſen Folgen vorlagen, vielleicht doch wieder beſeitigen würde.
Eben in dieſem vermittelnden Sinne waren jene Vorſchläge
abgefaßt. Vor allem erklärte man darin die Prieſterehe
und den Laienkelch für empfehlenswerth. Man wollte es
frei laſſen, das Abendmahl unter Einer oder beiden Geſtal-
ten zu empfangen: man wollte dem Kaiſer vorſtellen, daß
es für die Prieſter beſſer wäre, in ehelichem Stand zu ſitzen,
als mit übelberüchtigten Perſonen Haus zu halten. 1 Man
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1 Zuzulaſſen, daß die Empfahung des hochwuͤrdigen Sacra-
3 ſtag nach Udalrici (5 Juli) in den Reichstagsacten des Weimariſchen
Archivs, die uͤbrigens bei dieſem Jahre in großer Verwirrung und
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