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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Drittes Capitel.
bittere persönliche Feindschaft gegen den Papst zur Schau
getragen, vereinte sich hiezu mit Don Ugo, wie einst Sciarra
Colonna mit Nogaret. Am 19ten September erschienen
die colonnesischen Schaaren vor den Mauern von Rom
und drangen ohne Widerstand ein. Die Stadt war ganz
wehrlos: das Volk rührte sich nicht: es war neugierig zu
sehen, ob Colonna, was er zu wollen behauptete, wirklich den
Vatican im Namen des römischen Kaisers besetzen würde. 1
An der Besetzung wenigstens konnte ihn Niemand hindern,
und wollte der Papst, der nach der Engelsburg geflüchtet,
seinen Pallast wiederhaben, so mußte er sich zu einem Waf-
fenstillstand verstehen, nicht allein für Neapel und die Co-
lonnas, sondern zugleich für Mailand und Genua, für alle
seine Truppen zu Land und zu See. 2 Nur um diesen
Preis verließen die Colonnesen die Stadt: sie hatten über-
dieß eine Beute von 300000 Duc. gemacht.

Wohl hätte nun Clemens die Gebrechlichkeit seiner
Macht, die Gefahr erkennen mögen: die Stimme hatte sich
hören lassen, die im Schneegefild der Alpen die nahende
Lawine verkündigt. Allein noch einmal behielten Entrüstung
und Rachsucht in ihm die Oberhand. Wie sein Bevoll-
mächtigter Guicciardini ihm schrieb, die Verpflichtungen
welche man beim Abschluß der Liga so feierlich und öffent-
lich übernommen, seyen um vieles heiliger als diese auf-
gezwungenen Bedingungen, 3 so war auch er nicht der Mei-

1 Gleichzeitiger Bericht bei Buder Sammlung ungedruckter
Schriften p. 563. Negri an Micheli 24 Sett. Lettere di prin-
cipi I,
234. (Das Datum im Druck ist falsch.)
2 Conventione di Clemente VII con Vgo di Moncada bei
Molini I, 229.
3 Guicciardini al Datario 24 Spt. Lettere di principi II,

Viertes Buch. Drittes Capitel.
bittere perſönliche Feindſchaft gegen den Papſt zur Schau
getragen, vereinte ſich hiezu mit Don Ugo, wie einſt Sciarra
Colonna mit Nogaret. Am 19ten September erſchienen
die colonneſiſchen Schaaren vor den Mauern von Rom
und drangen ohne Widerſtand ein. Die Stadt war ganz
wehrlos: das Volk rührte ſich nicht: es war neugierig zu
ſehen, ob Colonna, was er zu wollen behauptete, wirklich den
Vatican im Namen des römiſchen Kaiſers beſetzen würde. 1
An der Beſetzung wenigſtens konnte ihn Niemand hindern,
und wollte der Papſt, der nach der Engelsburg geflüchtet,
ſeinen Pallaſt wiederhaben, ſo mußte er ſich zu einem Waf-
fenſtillſtand verſtehen, nicht allein für Neapel und die Co-
lonnas, ſondern zugleich für Mailand und Genua, für alle
ſeine Truppen zu Land und zu See. 2 Nur um dieſen
Preis verließen die Colonneſen die Stadt: ſie hatten über-
dieß eine Beute von 300000 Duc. gemacht.

Wohl hätte nun Clemens die Gebrechlichkeit ſeiner
Macht, die Gefahr erkennen mögen: die Stimme hatte ſich
hören laſſen, die im Schneegefild der Alpen die nahende
Lawine verkündigt. Allein noch einmal behielten Entrüſtung
und Rachſucht in ihm die Oberhand. Wie ſein Bevoll-
mächtigter Guicciardini ihm ſchrieb, die Verpflichtungen
welche man beim Abſchluß der Liga ſo feierlich und öffent-
lich übernommen, ſeyen um vieles heiliger als dieſe auf-
gezwungenen Bedingungen, 3 ſo war auch er nicht der Mei-

1 Gleichzeitiger Bericht bei Buder Sammlung ungedruckter
Schriften p. 563. Negri an Micheli 24 Sett. Lettere di prin-
cipi I,
234. (Das Datum im Druck iſt falſch.)
2 Conventione di Clemente VII con Vgo di Moncada bei
Molini I, 229.
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[374/0384] Viertes Buch. Drittes Capitel. bittere perſönliche Feindſchaft gegen den Papſt zur Schau getragen, vereinte ſich hiezu mit Don Ugo, wie einſt Sciarra Colonna mit Nogaret. Am 19ten September erſchienen die colonneſiſchen Schaaren vor den Mauern von Rom und drangen ohne Widerſtand ein. Die Stadt war ganz wehrlos: das Volk rührte ſich nicht: es war neugierig zu ſehen, ob Colonna, was er zu wollen behauptete, wirklich den Vatican im Namen des römiſchen Kaiſers beſetzen würde. 1 An der Beſetzung wenigſtens konnte ihn Niemand hindern, und wollte der Papſt, der nach der Engelsburg geflüchtet, ſeinen Pallaſt wiederhaben, ſo mußte er ſich zu einem Waf- fenſtillſtand verſtehen, nicht allein für Neapel und die Co- lonnas, ſondern zugleich für Mailand und Genua, für alle ſeine Truppen zu Land und zu See. 2 Nur um dieſen Preis verließen die Colonneſen die Stadt: ſie hatten über- dieß eine Beute von 300000 Duc. gemacht. Wohl hätte nun Clemens die Gebrechlichkeit ſeiner Macht, die Gefahr erkennen mögen: die Stimme hatte ſich hören laſſen, die im Schneegefild der Alpen die nahende Lawine verkündigt. Allein noch einmal behielten Entrüſtung und Rachſucht in ihm die Oberhand. Wie ſein Bevoll- mächtigter Guicciardini ihm ſchrieb, die Verpflichtungen welche man beim Abſchluß der Liga ſo feierlich und öffent- lich übernommen, ſeyen um vieles heiliger als dieſe auf- gezwungenen Bedingungen, 3 ſo war auch er nicht der Mei- 1 Gleichzeitiger Bericht bei Buder Sammlung ungedruckter Schriften p. 563. Negri an Micheli 24 Sett. Lettere di prin- cipi I, 234. (Das Datum im Druck iſt falſch.) 2 Conventione di Clemente VII con Vgo di Moncada bei Molini I, 229. 3 Guicciardini al Datario 24 Spt. Lettere di principi II,

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/384>, abgerufen am 27.11.2024.