Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Drittes Buch. Erstes Capitel. versität reisten trafen in Jena, in dem Gasthof zum schwar-zen Bären, auf einen Reitersmann, der am Tisch saß, seine rechte Hand auf dem Knopf des Schwertes, vor sich den hebräischen Psalter. Es war, wie sie später inne wurden, Luther, und man muß in den Aufzeichnungen des einen von ihnen lesen, wie er sie zu sich an Tisch lud, wie mild und groß er in alle seinem Bezeigen war. 1 Freitag am 7ten März langte er in Wittenberg an. Den Sonnabend fan- den ihn jene Schweizer im Kreise seiner Freunde wie er sich näher über alles unterrichtete, was in seiner Abwesen- heit geschehen. Am Sonntag fieng er an zu predigen. Er mußte versuchen, ob man ihm anhängen, ob er noch eine Wirksamkeit haben, ob es ihm gelingen werde die Bewe- gung zu beruhigen. Wie enge und unscheinbar auch der Schauplatz war, auf den er zurückkehrte, so hatte doch sein Unternehmen die Bedeutung einer Weltbegebenheit. Es mußte sich zeigen, ob die Lehre, die sich ihm ohne Willkühr, mit innerer Nothwendigkeit gebildet, und die einen so großen Mo- ment für die künftige Entwickelung des menschlichen Ge- schlechts in sich enthielt, auch fähig seyn werde die Elemente der Zerstörung zu besiegen, die nicht minder in den Gei- stern arbeiteten, allenthalben den Boden des öffentlichen Le- bens unterwühlt hatten und erzittern machten, und hier ihren ersten Ausdruck gefunden. Die Frage war, ob es möglich seyn werde, zu verbessern ohne zu zerstören, einer neuen Entwickelung des Geistes Bahn zu machen ohne die Re- sultate aller frühern zu vernichten. Luther faßte die Sache aus dem Gesichtspunct eines Seelsorgers und Predigers. 1 Aus der Chronik von Keßler in Bernet Leben Keßlers p. 27.
Drittes Buch. Erſtes Capitel. verſität reiſten trafen in Jena, in dem Gaſthof zum ſchwar-zen Bären, auf einen Reitersmann, der am Tiſch ſaß, ſeine rechte Hand auf dem Knopf des Schwertes, vor ſich den hebräiſchen Pſalter. Es war, wie ſie ſpäter inne wurden, Luther, und man muß in den Aufzeichnungen des einen von ihnen leſen, wie er ſie zu ſich an Tiſch lud, wie mild und groß er in alle ſeinem Bezeigen war. 1 Freitag am 7ten März langte er in Wittenberg an. Den Sonnabend fan- den ihn jene Schweizer im Kreiſe ſeiner Freunde wie er ſich näher über alles unterrichtete, was in ſeiner Abweſen- heit geſchehen. Am Sonntag fieng er an zu predigen. Er mußte verſuchen, ob man ihm anhängen, ob er noch eine Wirkſamkeit haben, ob es ihm gelingen werde die Bewe- gung zu beruhigen. Wie enge und unſcheinbar auch der Schauplatz war, auf den er zurückkehrte, ſo hatte doch ſein Unternehmen die Bedeutung einer Weltbegebenheit. Es mußte ſich zeigen, ob die Lehre, die ſich ihm ohne Willkühr, mit innerer Nothwendigkeit gebildet, und die einen ſo großen Mo- ment für die künftige Entwickelung des menſchlichen Ge- ſchlechts in ſich enthielt, auch fähig ſeyn werde die Elemente der Zerſtörung zu beſiegen, die nicht minder in den Gei- ſtern arbeiteten, allenthalben den Boden des öffentlichen Le- bens unterwühlt hatten und erzittern machten, und hier ihren erſten Ausdruck gefunden. Die Frage war, ob es möglich ſeyn werde, zu verbeſſern ohne zu zerſtören, einer neuen Entwickelung des Geiſtes Bahn zu machen ohne die Re- ſultate aller frühern zu vernichten. Luther faßte die Sache aus dem Geſichtspunct eines Seelſorgers und Predigers. 1 Aus der Chronik von Keßler in Bernet Leben Keßlers p. 27.
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Drittes Buch. Erſtes Capitel.
verſität reiſten trafen in Jena, in dem Gaſthof zum ſchwar-
zen Bären, auf einen Reitersmann, der am Tiſch ſaß, ſeine
rechte Hand auf dem Knopf des Schwertes, vor ſich den
hebräiſchen Pſalter. Es war, wie ſie ſpäter inne wurden,
Luther, und man muß in den Aufzeichnungen des einen von
ihnen leſen, wie er ſie zu ſich an Tiſch lud, wie mild und
groß er in alle ſeinem Bezeigen war. 1 Freitag am 7ten
März langte er in Wittenberg an. Den Sonnabend fan-
den ihn jene Schweizer im Kreiſe ſeiner Freunde wie er
ſich näher über alles unterrichtete, was in ſeiner Abweſen-
heit geſchehen. Am Sonntag fieng er an zu predigen. Er
mußte verſuchen, ob man ihm anhängen, ob er noch eine
Wirkſamkeit haben, ob es ihm gelingen werde die Bewe-
gung zu beruhigen. Wie enge und unſcheinbar auch der
Schauplatz war, auf den er zurückkehrte, ſo hatte doch ſein
Unternehmen die Bedeutung einer Weltbegebenheit. Es mußte
ſich zeigen, ob die Lehre, die ſich ihm ohne Willkühr, mit
innerer Nothwendigkeit gebildet, und die einen ſo großen Mo-
ment für die künftige Entwickelung des menſchlichen Ge-
ſchlechts in ſich enthielt, auch fähig ſeyn werde die Elemente
der Zerſtörung zu beſiegen, die nicht minder in den Gei-
ſtern arbeiteten, allenthalben den Boden des öffentlichen Le-
bens unterwühlt hatten und erzittern machten, und hier ihren
erſten Ausdruck gefunden. Die Frage war, ob es möglich
ſeyn werde, zu verbeſſern ohne zu zerſtören, einer neuen
Entwickelung des Geiſtes Bahn zu machen ohne die Re-
ſultate aller frühern zu vernichten. Luther faßte die Sache
aus dem Geſichtspunct eines Seelſorgers und Predigers.
1 Aus der Chronik von Keßler in Bernet Leben Keßlers p. 27.
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