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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Verfall von Ungern.
von Ungern. Es bildete sich eine jagellonische Consolida-
tion in dem östlichen Europa, die sich auf der einen Seite
den vordringenden Osmanen opponirte, auf der andern
allen deutschen Einfluß ausschloß, und sich, obwohl nach
mancherlei Wechsel der Weltschicksale, im Anfang des 16ten
Jahrhunderts doch noch immer erhielt: Sigismund I be-
herrschte Polen und Litthauen, Wladislaw II Böhmen und
Ungern.

Schon hatte sie jedoch keine wahrhafte innere Stärke
mehr. Wladislaw II war kein Mann, um den stürmischen
Adel in Ungern in Zaum zu halten. 1 Er hätte nur zum
einfachsten Privatleben getaugt. Man bemerkte, er spreche
von den Dingen des täglichen Lebens mit einer gewissen
Einsicht, jedoch nicht mehr, wenn die Rede auf Staats-
sachen komme; er wollte nicht daran glauben wenn man
ihm von Jemand etwas Böses sagte, und war nur schwer
dahin zu bringen ein Todesurtheil zu unterschreiben. 2 So
machte denn ein Jeder was er wollte. Unter König Mat-
thias hatten die Staatseinkünfte über 800000 Duc. be-
tragen: unter Wladislaw fielen sie allmählig auf 200000;
in dem königlichen Pallast konnte man bald nach seinem

1 Auch Matthias hätten sie gern verjagt. Die Relatio Nun-
cii Apostolici
von 1480 bei Engel II, 14 sagt ausdrücklich: Li
Baroni cercano di cacciarlo del reame.
2 Relatione di Sebastian Zustignan venuto orator di Hon-
garia
bei Sanuto IV 1503. Il re e homo grande di persona e
di degnissima genealogia: devoto e religioso, e si dice: nunquam
habuit concubitum cum muliere, e mai si adira, mai dice mal
di niun, e se niun dice mal di qualcuno, dicit rex: forsan non
est verum. -- Dice assa oration, alde tre messe al zorno, ma
in reliquis e come una statua. -- -- Est piu presto homo rectus
quam rex.
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Verfall von Ungern.
von Ungern. Es bildete ſich eine jagelloniſche Conſolida-
tion in dem öſtlichen Europa, die ſich auf der einen Seite
den vordringenden Osmanen opponirte, auf der andern
allen deutſchen Einfluß ausſchloß, und ſich, obwohl nach
mancherlei Wechſel der Weltſchickſale, im Anfang des 16ten
Jahrhunderts doch noch immer erhielt: Sigismund I be-
herrſchte Polen und Litthauen, Wladislaw II Böhmen und
Ungern.

Schon hatte ſie jedoch keine wahrhafte innere Stärke
mehr. Wladislaw II war kein Mann, um den ſtürmiſchen
Adel in Ungern in Zaum zu halten. 1 Er hätte nur zum
einfachſten Privatleben getaugt. Man bemerkte, er ſpreche
von den Dingen des täglichen Lebens mit einer gewiſſen
Einſicht, jedoch nicht mehr, wenn die Rede auf Staats-
ſachen komme; er wollte nicht daran glauben wenn man
ihm von Jemand etwas Böſes ſagte, und war nur ſchwer
dahin zu bringen ein Todesurtheil zu unterſchreiben. 2 So
machte denn ein Jeder was er wollte. Unter König Mat-
thias hatten die Staatseinkünfte über 800000 Duc. be-
tragen: unter Wladislaw fielen ſie allmählig auf 200000;
in dem königlichen Pallaſt konnte man bald nach ſeinem

1 Auch Matthias haͤtten ſie gern verjagt. Die Relatio Nun-
cii Apostolici
von 1480 bei Engel II, 14 ſagt ausdruͤcklich: Li
Baroni cercano di cacciarlo del reame.
2 Relatione di Sebastian Zustignan venuto orator di Hon-
garia
bei Sanuto IV 1503. Il re è homo grande di persona e
di degnissima genealogia: devoto e religioso, e si dice: nunquam
habuit concubitum cum muliere, e mai si adira, mai dice mal
di niun, e se niun dice mal di qualcuno, dicit rex: forsan non
est verum. — Dice assa oration, alde tre messe al zorno, ma
in reliquis è come una statua. — — Est più presto homo rectus
quam rex.
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[403/0413] Verfall von Ungern. von Ungern. Es bildete ſich eine jagelloniſche Conſolida- tion in dem öſtlichen Europa, die ſich auf der einen Seite den vordringenden Osmanen opponirte, auf der andern allen deutſchen Einfluß ausſchloß, und ſich, obwohl nach mancherlei Wechſel der Weltſchickſale, im Anfang des 16ten Jahrhunderts doch noch immer erhielt: Sigismund I be- herrſchte Polen und Litthauen, Wladislaw II Böhmen und Ungern. Schon hatte ſie jedoch keine wahrhafte innere Stärke mehr. Wladislaw II war kein Mann, um den ſtürmiſchen Adel in Ungern in Zaum zu halten. 1 Er hätte nur zum einfachſten Privatleben getaugt. Man bemerkte, er ſpreche von den Dingen des täglichen Lebens mit einer gewiſſen Einſicht, jedoch nicht mehr, wenn die Rede auf Staats- ſachen komme; er wollte nicht daran glauben wenn man ihm von Jemand etwas Böſes ſagte, und war nur ſchwer dahin zu bringen ein Todesurtheil zu unterſchreiben. 2 So machte denn ein Jeder was er wollte. Unter König Mat- thias hatten die Staatseinkünfte über 800000 Duc. be- tragen: unter Wladislaw fielen ſie allmählig auf 200000; in dem königlichen Pallaſt konnte man bald nach ſeinem 1 Auch Matthias haͤtten ſie gern verjagt. Die Relatio Nun- cii Apostolici von 1480 bei Engel II, 14 ſagt ausdruͤcklich: Li Baroni cercano di cacciarlo del reame. 2 Relatione di Sebastian Zustignan venuto orator di Hon- garia bei Sanuto IV 1503. Il re è homo grande di persona e di degnissima genealogia: devoto e religioso, e si dice: nunquam habuit concubitum cum muliere, e mai si adira, mai dice mal di niun, e se niun dice mal di qualcuno, dicit rex: forsan non est verum. — Dice assa oration, alde tre messe al zorno, ma in reliquis è come una statua. — — Est più presto homo rectus quam rex. 26*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/413>, abgerufen am 27.11.2024.