sen und später seine Vicariatsrechte dem Regimente abge- treten habe. 1
Gleich darauf sahen die Fürsten einander auf dem er- wähnten Armbrustschießen zu Heidelberg. Herzog Wilhelm verbarg nicht mehr, daß er selbst die römische Krone zu erlangen wünsche.
Auf einer Zusammenkunft zu Ellwangen, kurz nachher, besprachen sie die Sache weiter. Herzog Wilhelm schien bereit, dem Churfürsten von der Pfalz den Vorrang zu lassen: da dieser aber keine Anstalt machte, so unterhan- delte er ohne allen Rückhalt für sich selbst. Im Herbst 1526 waren so gar dem Chu[rfü]rsten von Sachsen Eröff- nungen geschehen, wiewohl [o]hne Frucht, da dieser einer so durchaus andern Meinung angehörte. 2
Welche Folgen aber hätte es haben müssen, wenn dieß gelungen wäre! Man kann sagen: es hätte eine ganz an- dre Staatengeschichte gegeben. Baiern hätte das Überge- wicht in deutschen und slawischen Ländern über Östreich da- von getragen: auch Zapolya hätte, hiedurch gestützt, sich zu behaupten vermocht: die Ligue und damit auch die am schroff- sten ausgeprägte päpstliche Meinung hätte im östlichen Eu- ropa die Oberhand behalten. Nie gab es ein für die Machtentwickelung des Hauses Östreich gefährlicheres Un- ternehmen.
Fer-
1Memoires de la vie et des faicts de Frederic I (Comte Palatin) in Hoffmanns Sammlung ungedruckter Nachrichten ch. 42.
2 "Es finden sich Spuren," sagt der baierische Staatsarchi- var Stumpf, "daß der Papst Clemens VII und der König von Frank- reich den Endzweck des Herzogs zu befördern suchten."
Viertes Buch. Viertes Capitel.
ſen und ſpäter ſeine Vicariatsrechte dem Regimente abge- treten habe. 1
Gleich darauf ſahen die Fürſten einander auf dem er- wähnten Armbruſtſchießen zu Heidelberg. Herzog Wilhelm verbarg nicht mehr, daß er ſelbſt die römiſche Krone zu erlangen wünſche.
Auf einer Zuſammenkunft zu Ellwangen, kurz nachher, beſprachen ſie die Sache weiter. Herzog Wilhelm ſchien bereit, dem Churfürſten von der Pfalz den Vorrang zu laſſen: da dieſer aber keine Anſtalt machte, ſo unterhan- delte er ohne allen Rückhalt für ſich ſelbſt. Im Herbſt 1526 waren ſo gar dem Chu[rfü]rſten von Sachſen Eröff- nungen geſchehen, wiewohl [o]hne Frucht, da dieſer einer ſo durchaus andern Meinung angehörte. 2
Welche Folgen aber hätte es haben müſſen, wenn dieß gelungen wäre! Man kann ſagen: es hätte eine ganz an- dre Staatengeſchichte gegeben. Baiern hätte das Überge- wicht in deutſchen und ſlawiſchen Ländern über Öſtreich da- von getragen: auch Zapolya hätte, hiedurch geſtützt, ſich zu behaupten vermocht: die Ligue und damit auch die am ſchroff- ſten ausgeprägte päpſtliche Meinung hätte im öſtlichen Eu- ropa die Oberhand behalten. Nie gab es ein für die Machtentwickelung des Hauſes Öſtreich gefährlicheres Un- ternehmen.
Fer-
1Mémoires de la vie et des faicts de Fréderic I (Comte Palatin) in Hoffmanns Sammlung ungedruckter Nachrichten ch. 42.
2 „Es finden ſich Spuren,“ ſagt der baieriſche Staatsarchi- var Stumpf, „daß der Papſt Clemens VII und der Koͤnig von Frank- reich den Endzweck des Herzogs zu befoͤrdern ſuchten.“
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Viertes Buch. Viertes Capitel.
ſen und ſpäter ſeine Vicariatsrechte dem Regimente abge-
treten habe. 1
Gleich darauf ſahen die Fürſten einander auf dem er-
wähnten Armbruſtſchießen zu Heidelberg. Herzog Wilhelm
verbarg nicht mehr, daß er ſelbſt die römiſche Krone zu
erlangen wünſche.
Auf einer Zuſammenkunft zu Ellwangen, kurz nachher,
beſprachen ſie die Sache weiter. Herzog Wilhelm ſchien
bereit, dem Churfürſten von der Pfalz den Vorrang zu
laſſen: da dieſer aber keine Anſtalt machte, ſo unterhan-
delte er ohne allen Rückhalt für ſich ſelbſt. Im Herbſt
1526 waren ſo gar dem Churfürſten von Sachſen Eröff-
nungen geſchehen, wiewohl ohne Frucht, da dieſer einer
ſo durchaus andern Meinung angehörte. 2
Welche Folgen aber hätte es haben müſſen, wenn dieß
gelungen wäre! Man kann ſagen: es hätte eine ganz an-
dre Staatengeſchichte gegeben. Baiern hätte das Überge-
wicht in deutſchen und ſlawiſchen Ländern über Öſtreich da-
von getragen: auch Zapolya hätte, hiedurch geſtützt, ſich zu
behaupten vermocht: die Ligue und damit auch die am ſchroff-
ſten ausgeprägte päpſtliche Meinung hätte im öſtlichen Eu-
ropa die Oberhand behalten. Nie gab es ein für die
Machtentwickelung des Hauſes Öſtreich gefährlicheres Un-
ternehmen.
Fer-
1 Mémoires de la vie et des faicts de Fréderic I (Comte
Palatin) in Hoffmanns Sammlung ungedruckter Nachrichten ch. 42.
2 „Es finden ſich Spuren,“ ſagt der baieriſche Staatsarchi-
var Stumpf, „daß der Papſt Clemens VII und der Koͤnig von Frank-
reich den Endzweck des Herzogs zu befoͤrdern ſuchten.“
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/426>, abgerufen am 16.07.2024.
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